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Scream 4 (2011)

15 Jahre ist es mittlerweile her, daß der erste SCREAM den Slasher wiederbelebte – auf eine clevere Weise, die keine der Produktionen im Fahrwasser wirklich nachahmen konnte. Gemerkt hat sich jeder, daß in SCREAM erstmals Figuren in einem Horrorfilm auch schon Horrorfilme gesehen haben und ergo darüber reden und diskutieren, welche Situationen aus einschlägigen Streifen bekannt sind – aber keiner der Nachzügler hat es geschafft, mit den von den Charakteren durchgekauten Klischées und Eckpfeilern des Genres so intelligent zu spielen wie Regisseur Wes Craven und sein Autor Kevin Williamson, und dabei gleichzeitig einen so nervenzerrenden, spannenden Film mit emotional glaubwürdigen Figuren abzuliefern. Der Kniff am Spiel mit den Konventionen war im Erstling, daß man einfach nicht mehr wußte, was passieren würde und wie, weil die angesprochenen Situationen gleichermaßen bedient wie gebrochen wurden – und gleichzeitig war alles real und ernst genug gehalten, um eben nicht zur Parodie zu werden.

Die Fortsetzungen – SCREAM 2 ein Jahr später, SCREAM 3 dann im Jahr 2000 – taten wohl das, was gemacht werden mußte für solche Weiterführungen: Sie waren mehr auf sich selbst und ihre Eigenschaft als Sequel bezogen, zwinkerten dem Zuseher also noch mehr zu mit Kommentaren zu kassenträchtigen Fortsetzungen und den dazugehörigen Regeln. Der Terror wurde stark zurückgenommen, dafür spielten die Filme lustvoll mit immer absurderen Film-im-Film-Ideen (z.B. eine Sequenz in Teil 3, wo der Mörder den Figuren Drehbuchseiten zufaxt) und zeichneten die Backstory der Hauptfigur dabei aber immer noch ernsthaft genug, daß deren Geschichte die Filme verankerte und nicht zur völligen Komödie werden ließ.

Elf Jahre später wird die Reihe also nun reaktiviert, obwohl sich lange Jahre sowohl der Regisseur als auch die zentralen Schauspieler vehement dagegen gewehrt haben, eine weitere Fortsetzung überhaupt in Erwägung zu ziehen. Laut den Interviews hat sie dann die Idee von Kevin Williamson letztlich überzeugt – und die besteht darin, innerhalb der Fortsetzung eine Art Remake des Erstlings aufzuziehen und damit die Remake-Welle der vergangenen Jahre zu kommentieren. Schön und gut: Sidney Prescott kommt also nach Jahren wieder zurück in ihre Heimatstadt, um eine Lesung zu halten mit dem Buch, das sie über die ursprünglichen Morde und ihr Überleben geschrieben hat. Und natürlich startet eine neue Mordserie, die sich ganz nah an die ursprüngliche Geschichte anlehnt.

Auf dem Papier mag es reizvoll erscheinen, Sequel und Reboot zu kombinieren und die mit dem jeweiligen Ansatz verbundenen Erwartungshaltungen zu kreuzen und stets von den Figuren diskutieren zu lassen. Aber praktisch gesehen bedeutet das, daß wir in SCREAM 4 hauptsächlich das sehen, was wir schon bis zu drei Mal davor serviert bekommen haben – das unberechenbare Überraschungselement des Originals ist ebenso weg wie die absurde Überzeichnung der Fortsetzungen. Wenn also in Teil 1 Courteney Cox auf einer Party Videokameras versteckte und wir damit später mitgekriegt haben, daß Jamie Kennedy bedroht wird, darf sie nun wieder auf eine Party gehen und heimlich Videokameras anbringen – wo wir dann durch die Übertragung eben stattdessen sehen, wie sich jemand von hinten an Cox anschleicht. Durch die ständige Kommentierung wird klar, daß Craven und Williamson sich bewußt so dicht an den Erstling angelehnt haben – wie es die Morde in der Handlung ja dann auch tun und mit einem Nachahmungsmotiv erklärt werden – aber das macht das Prozedere zu keinem Zeitpunkt origineller oder weniger vorhersehbar.

Natürlich ist Craven ein handwerklich versierter Regisseur und liefert dementsprechend einen ganz nüchtern betrachtet soliden Film ab. Aber letzlich hinterläßt alles an SCREAM 4 einen sehr schalen Geschmack: Jeder Shot, jede Situation, jeder Spannungsmoment ist etwas, das Craven schon ein paar Dutzend Mal in seiner langen Karriere gedreht hat – nicht zuletzt im viel effektiveren Original-SCREAM. Auch das emotionale Rückgrat der bisherigen Filme, die Figur der Sidney Prescott, kann hier nicht tragen: Sie ist bis zum Schluß fast passiv und wirkt wie eine Nebenfigur, und wo selbst der fast überdrehte SCREAM 3 noch recht ernsthaft mit der Frage umging, wie sie mit dem Trauma ihrer bisherigen Erlebnisse lebt, liefert Teil 4 nur ein paar sich obligatorisch anfühlende Sätze und widmet sich dann wieder dem Auslöschen einer neuer Teenagerschaft, die zu keinem Zeitpunkt über den Status des Kanonenfutters hinauskommt.

Nein, SCREAM 4 ist nicht grauenhaft und er ist auch nicht schlecht. Er ist eine Routinearbeit, die in Momenten witzige Einfälle liefert und insgesamt die Tragkraft ihrer Grundidee bei weitem überschätzt. Und somit ist er hauptsächlich eines: ziemlich überflüssig.

Scream 4 (USA 2011)
Alternativtitel: Scre4m
Regie: Wes Craven
Drehbuch: Kevin Williamson, Ehren Kruger (uncredited)
Darsteller: Neve Campbell, David Arquette, Courteney Cox, Emma Roberts, Hayden Panettiere, Marley Shelton, Rory Culkin, Adam Brody, Mary McDonnell, Anna Paquin, Kristen Bell

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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