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Schulmädchen-Report, 7. Teil – Doch das Herz muß dabei sein (1974)

Auch den Report zum siebten Report übernimmt ein Gastautor: Christoph Schwarz von Betty’s Apartment, der sich einst schon Teil 5 der Steeger-Retrospektive (ICH, EIN GROUPIE) vorknöpfte, begutachtet in den folgenden Absätzen Part VII der Endlos-Aufklärungsreihe von Produzent Wolf C. Hartwig – flotte 6 Monate nach Teil 6 in den deutschen Kinos!

Man kann sich natürlich fragen, was es über den siebten Teil einer Filmserie, die sich schon seit Teil 1 in unehrlicher Prämisse, fragwürdiger Moral und teils ekelhaften Ansichten ergeht, noch zu sagen geben soll. Zumal sie sich seit Teil 2 in sturer Wiederholung dieser Struktur ergeht. Nun, auf der Haben-Seite verbucht SCHULMÄDCHEN-REPORT TEIL 7 – DOCH DAS HERZ MUSS DABEI SEIN schöne, trottelig-alberne Komik in Person von Rinaldo Talamonti und – man höre und staune – über beinahe so etwas wie eine Metaebene. Aber für alle, die jetzt vielleicht gar hoffnungsvoll in diesen Text starten, eines gleich vorweg: Über das Herz, wie im Titel versprochen, vermag uns auch dieser Film einmal mehr nichts zu erzählen.

Gleich der erste Satz öffnet eine Klammer: „Sechs Teil des Schulmädchen-Reports sind um die Welt gegangen. Ist die Welt deshalb moralischer geworden? Wahrscheinlich nicht. Aber ehrlicher“, tönt es da, während wir Schulmädchen Babsi dabei beobachten, wie sie heimlich einem jungen Mann in einen Altbau und durch das Treppenhaus in eine Wohnung folgt. Der junge Herr entpuppt sich schnell als ihr Bruder Albert und die Wohnung als privates Bordell, das der gute Albert mit ein paar Mädchen aus der Schule (die das ja gern und vor allem aus Spaß an der Sache machen) aufgezogen hat. Es wird natürlich ausschließlich von Herren mittleren Alters frequentiert, und einer davon verwechselt Babsi auch just mit dem neuen Mädchen, weshalb sie sich erstmal darüber empört und anschließend aus prinzipieller Ehrlichkeit (!) die Bude auffliegen lässt. So landen die Protagonisten – ehrliche Babsi, Bruder Albert, vier sündige Mädchen, die feine Kundschaft und diverses Anwalts- und Amtspersonal – bei Gericht, wo sie alle ihre Episödchen erzählen dürfen und so dieses Mal unsere Rahmenhandlung gestalten.

Während also die Mädchen im Gerichtssaal von Neugier, Spaß, freier Entscheidung und vor allem davon berichten, die neue Jugend zu sein und daß das alles einfach nicht mehr so ist und blablabla, entrüstet sich am Gang vor der Tür das Elternestablishment über die Zustände. In Eisdielen zum Beispiel. Was da schon alles passiert! Rinaldo Talamonti, der hier Carlo Tontonelli genannt wird, serviert Eis. Und weil ihn drei Mädels immer unter den Rock schauen lassen, müssen sie nichts bezahlen. Es wird ein wenig gefeilscht und geneckt und schließlich für ein Jahr Gratis-Eis ein Hotelzimmer gebucht. Zur Verteidigung von Carlo muss gesagt werden, daß seine Frau tatsächlich eine Beißzange ist, während die Mädchen in dieser Situation verhandlungstechnisch ungeschickt agieren: Angesichts Carlos immenser Not wäre mehr drin gewesen als nur ein Jahr Gratis-Eis. Vielleicht sollen wir ja das aus dieser Episode lernen – Mädchen, gebt euch nicht so billig her. Doch die drei haben ja unter Umständen schon alles und wollen jetzt ohnehin nur Spaß haben, weil heutige Jugend und so, und Carlo ist auch schon voller Vorfreude, hat er doch seine „Zementnudel“ mitgebracht, wie er bei Betreten des Hotelzimmers stolz verkündet. Leider ist der Zement schlecht angemischt und Ulla noch gar nicht richtig in Fahrt, als Carlo schon wieder fertig ist, wodurch Anja und Gerlinde nicht mehr zum Zug kommen und stattdessen gemeinsam und nackt im Bad einen heben und eine rauchen müssen. Die enttäuschten Mädels beschließen dann – und ich kann bestätigen, daß jungen Menschen gerne Blödsinn einfällt, wenn ihnen langweilig ist – Carlo die Kleidung zu mopsen, was ein Comedyspektakel ungeahnten Ausmaßes nach sich zieht: Rinaldo Talamonti wuselt nackt durch ein Nobelhotel hinter drei nackten Mädchen her (die sich zur Tarnung im Hotelrestaurant einfach an einen Tisch setzen und bestellen) und fällt über sämtliche Gegenstände, die im Bild auftauchen. Zu allem Überfluß kommt auch noch Carlos entrüstete Beißzange hinzu und, ach, ihr könnt es euch nicht vorstellen.

Hier wäre der Film so richtig in Fahrt, allerdings muß die Moralkeule kommen. Der Ernst des Lebens darf nicht außer acht gelassen werden. Wir müssen etwas lernen. Über sexy Monika zum Beispiel. Sie stoppt Auto und wird von einem älteren Herrn mitgenommen, dem sie sich dann auch gleich wenig subtil anbietet. Sie lockt ihn in einen Schuppen, wo er dann von Monikas Gang brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt wird. Passenderweise hat sich ein Bordellkunde im Gericht vor dieser Episode über „diese kleinen Luder heutzutage“ echauffiert. Die Bande flüchtet, wird aber dummerweise vom jungen Pater Schumann beobachtet, der gerade seinem Hobby, der Naturfotografie, frönt. Ein Plan, um zu verhindern, daß er die Bösen anzeigt, ist flugs ausgeknobelt. Monika soll ihm leicht bekleidet alles beichten, und weil der Priester an das Beichtgeheimnis gebunden ist – ihr versteht schon. Doch irgendwie fliegt sie Sache doch auf und die Truppe wird verhaftet. Der Kommisar und der Pater halten eine kurze Moralpredigt und wechseln bedeutungschwangere Worte und wir können diese Episode als dummes Ärgernis abhaken.

Viel amüsanter ist dann schon die Geschichte von „Karlas Erstem“. Die gute Karla ist eine von den sündigen Ludern aus Alberts Bordell und arbeitet dort eigentlich nur, um endlich auch die Praxis mit der von ihr so gewissenhaft studierten Theorie abzugleichen. Karla ist zwar blutjung und gut gebaut, trägt aber leider eine viel zu große Brille und ist daher dazu verdammt, Sexualität nur aus Büchern zu kennen. Nach eingehendem Studium fand sie es an der Zeit, in medias res zu gehen, und wählte dafür einen Bekannten ihres Vaters aus. Der ist zwar etwas älter (so wie alle Männer im SCHULMÄDCHEN-REPORT: Sich in einen Gleichaltrigen zu verlieben und mit ihm schlafen zu wollen, dürfte bei der damaligen heutigen Jugend nicht so der Trend gewesen sein), hat aber schon viel Erfahrung. Immerhin ist er internationaler Geschäftsmann, da bringt der Job diese Erfahung mit sich. Ein deutscher Don Draper quasi. Während er also gutväterlich Ratschläge erteilt und erstaunt ist über Karlas bereits erworbene Fähigkeiten, geleitet uns Karla, ganz die empirische Wissenschaftlerin, aus dem Off mit biologischen Fakten aus dem Lehrbuch durch den Geschlechtsakt. Und weil es ihr soviel Spaß gemacht hat, heuert sie bei Albert an. So stellt sich Herr Hartwig wohl Aufklärung vor.

Der Film ist noch nicht aus. Die Anwälte im Gerichtssaal führen eine Grundsatzdiskussion, aus der hervorgeht, daß man die Jugend nicht in einen Topf werfen darf, sondern man die Geschichten immer individuell betrachten muß. Der Verteidiger veranschaulicht an einem Beispiel – pädagogisch einwandfreies Vorgehen an dieser Stelle – was er meint. Die gute Gabi Otterman ist unsterblich in ihren Lehrer Prof. Steinbeck verliebt. Sie kann kaum denken und dem Unterricht folgen, weil sie immer sexuellen Tagträumen mit ihm nachhängt. Sie ist sogar mutig genug, ihm das zu gestehen, doch Prof. Steinbeck weist sie höflich und korrekt zurück. Dann beginnt er ein Verhältnis mit Gabis Mutter. Gabi ist bestürzt und überlegt kurz, sich ihrem Nachhilfelehrer an den Hals zu werfen, doch ihr Herz gehört dem Professor. Also heckt sie eine Strategie aus, und ich kann bestätigen, daß junge Leute sehr findig sein können, wenn sie etwas unbedingt wollen. Sie besorgt sich eine Perücke, damit sie aussieht wie ihre Mutter, und erwartet ihren Lehrer bereits unbekleidet im Bett. Das Licht soll er doch diesmal aus lassen, haucht sie noch und los kann es gehen. Es dauert eine Weile, bis der Schwindel auffliegt, genauer gesagt bis Gabis Mutter kommt und stört, doch da hat Gabi schon bekommen, was sie wollte. Hier schließt sich die mit dem Anfangssatz eröffnete Klammer, denn der Staatsanwalt möchte nach dieser Geschichte wissen: „Was genau wollen sie mir damit sagen?“

Kommen wir zur angedeuteten Metaebene. Irgendwo im Film sitzt eine alte Frau als Zeugin im Gericht herum und erzählt die Geschichte vom Lehrer Balduin. Es ist eine Geschichte aus dem bayrischen Raum, wie ihr Dialekt verrät. Der Lehrer Balduin ist Preuße und daher Spießer und kommt als neuer Lehrer in ein bayrisches Dorf. Um dem Lehrer die örtlichen Gepflogenheiten näher zu bringen, beginnen sich die gastfreundlichen Schülerinnen auf Geheiß der Schüler im Klassenraum zu entkleiden. Denn „sowas gibt’s bei eich in Preißen net, oder? Oba mia in Bayern san do net aso.“ Der überforderte Balduin will für Sitte und Ordnung sorgen, was ihm nicht gelingt, worauf er im Zeitraffer die Flucht ergreift. Das ist der SCHULMÄDCHEN-REPORT eingedampft und auf den Punkt gebracht. Fleischbeschau für Spießer.

Bevor wir jetzt völlig in überhebliche Süffisanz abgleiten, sei abschließend ein Detail erwähnt, das man fast übersieht. Vermahnt und gerügt für ihr Fehlverhalten werden nicht etwa die Mädchen aus Alberts Bordell, sondern die Herren, die sich als Kunden dort hinbegeben und den ganzen Film über „diese Luder“ geschimpft haben. Bestraft wird gar nur Albert wegen Zuhälterei. Hier verschiebt sich die Wahrnehmung und Haltung des SCHULMÄDCHEN-REPORTs dann doch ein wenig im Vergleich zu den früheren Teilen, wo die Männer ja immer wehrlose Opfer waren, die von den jungen Dingern ausgetrickst, hereingelegt, erpreßt und verführt wurden. Daß sich die Gesellschaft, ihre Werte und Ansichten in der Zeit, als die Reporte entstanden sind, gewandelt hat, ist unbestritten. Inwieweit die Filme dazu beitragen haben, vermag ich nicht zu beurteilen, traue mich aber, es zu bezweifeln (vor allem, weil sie die neuen Moralvorstellungen trotz ihrer zur gestellten Offenheit nie vertreten haben).

Jedenfalls darf Babsi das Gericht verlassen und geht nicht nur die Straße hinunter, sondern auch, wie die gesamte heutige Jugend, „in eine goldene Zukunft“. Oder so.

Schulmädchen-Report, 7. Teil – Doch das Herz muß dabei sein (Deutschland 1974)
Regie: Ernst Hofbauer
Drehbuch: Günther Heller
Kamera: Klaus Werner
Musik: Gert Wilden, K.A. Dilz
Darsteller: Puppa Armbruster, Elke Deuringer, Margot Mahler, Rinaldo Talamonti
Länge: 89 Minuten (ungeschnitten), 79 Minuten (geschnitten)
FSK: ungeprüft (ungeschnitten), 16 (geschnitten)

Hinweis: Die auf Amazon erhältliche FSK16-Fassung ist um ca. 10 Minuten geschnitten (die angegebene Lauflänge von nur 71 Minuten ist allerdings falsch). Die ungeprüfte DVD, die in der ungeprüften Box zu finden ist (siehe OFDB-Shop), ist ungeschnitten.

Das Poster wurde mit freundlicher Genehmigung von Andreas Schiefler und seinem Shop Vintage Movie Posters zur Verfügung gestellt.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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