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Die Blonde mit dem süssen Po (1972)

Bevor wir uns mit Elan dem sechsten Teil unserer achtteiligen Ingrid-Steeger-Retrospektive widmen – die, ich möchte es nochmal ganz wortstark betonen, auf ausdrücklichen Wunsch der Chefredaktion hin geschrieben wird und nicht etwa aus einem dringenden Verlangen des Autors heraus, sämtliche Steeger-Paraden zu beaugapfeln – bedanken wir uns mit einem kühlen Glas Hochprozentigem beim nimmermüden Kollegen Schwarz, der mit seiner Analyse der Spektakels ICH, EIN GROUPIE den Beifall nicht nur innerhalb der eigenen Reihen mehr als verdient hat.

Kommen wir also heute zu einem weiteren Begegnungsstreifen, der nun gleich recht schmutzig über meinen Fernsehschirm flimmern wird. Ganz richtig gelesen: Genzel hat mal wieder die Nase vorn und erlaubt es euch heute, einer Weltpremiere beizuwohnen – dem ersten Live-Review auf Mann beisst Film. Ich sitze hier mit dem Notebook bewaffnet auf der Couch und werde über den Film berichten, während er läuft! Alles natürlich im eifrigen Bemühen, der hohen Kunst des Steeger-Rezensierens neue Impulse zu geben, und wie gehabt alles im Dienste der Wahrheitsfindung. Auf geht’s: The following takes place between 8.15pm and 10pm.

Der Film beginnt mit dem Ausriß der kecken Steeger aus dem Mädchenpensionat. Sie klettert über den Zaun und redet dabei im Voice-Over über etwas Anatomisches, und schon sammelt ein Autofahrer sie auf und horcht sie über erotische Geschichten aus. Auf der DVD heißt der Film übrigens DIE BLONDE MIT DEM SÜSSEN PO, aber eigentlich handelt es sich bei dem vorliegenden Film um BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 3, also den dritten Teil dieser Reihe von Report-ähnlichen Omnibusfilmen rund um junge Dinger und ältere, auf den willkürlichen Aufriß wartende Herren.

„Ich bin Kapitän Blaubart“, säuselt der nette Autofahrer, und Steeger erklärt ihm gleich, daß sie eine Frau ist, kein Mädchen, und dann reden sie von der Horizontalen. Eines zeigt sich sofort: Wenn man neben dem Filmschauen Texte schreibt, reduziert sich die Aufmerksamkeit ganz auf das Wesentliche. Wie praktisch eigentlich, daß die Dialoge nun auch nichts beinhalten, was man unbedingt hören müßte! Aber prompt machen die da auf dem Schirm Streß: Wir sehen eine Geschichte über Traubenpflücker, und eine blonde Bauerstochter zeigt einem stotternden Jungen ihr eigenes Obst. Natürlich hätten wir jetzt damit gerechnet, daß da zwischen den Trauben auch irgendwelcher Saft produziert wird, aber stattdessen liegt das Knäbelein nun träumenderweise im Bett und phantasiert von der plötzlich kleidungslos gewordenen Pflückerin – doof eigentlich, daß der starke Weichzeichner und der verzerrende Bildeffekt irgendwie völlig die Sicht ruinieren.

Während die jungen Menschen da am Schirm sich ihren Gelüsten nachgeben – was jetzt wohl wieder meine Nachbarn denken? – wandern die Gedanken zu relevanteren Fragen. Zum Beispiel: Wie lange wird so ein Text eigentlich, wenn man anderthalb Stunden am Stück schreibt? Gegebenenfalls müssen wir gewisse Informationen beim Ansehen unterschlagen, weil sie möglicherweise in Wiederholungen ausarten. Wie jetzt gerade: Die sind ja immer noch zugange! Blondchen zeigt im Traubenfeld, wie sie ohne Rock und sonstige Unterkörperbekleidung aussieht, und dann flirten sie ein wenig im Wald, und irgendwie zögern die’s ja nun jetzt ganz schön heraus. Stattdessen wäscht sich die nackte Frau jetzt.

Soll sie doch! Vielleicht hilft das was gegen die schmutzigen Gedanken. Die Episoden dieser aufregenden Reihe sind übrigens so entstanden, daß Produzent, Regisseur und Autor Erwin C. Dietrich sich Mädchen gesucht hat, die sich gerne mal vor der Kamera ausziehen würden, und dann mit seiner Crew durch die Lande gefahren ist und irgendwelche Geschichtchen improvisiert hat. Mädchen verführt Junge in der Straßenbahn, Mädchen verführt Lehrer in der Schule, Mädchen verführt Bauersjunge im Heu, Mädchen verführt Filmkritiker im Internet … ach nein, das gab es damals ja noch gar nicht. Das Strickmuster weist nach einer gewissen Zeit natürlich – hm, wie sagen wir das jetzt? – einen großen Wiedererkennungseffekt auf. Und wenn dann mal genug solcher Vignetten beisammen waren, wurde flugs ein Film daraus geschnitten. Oder auch mal zwei.

Auf dem Schirm werden übrigens gerade diverse Nippel aufgefahren, und entspannte Gitarrenmusik mit jazzigem Getrommel gibt uns zu verstehen, daß es romantisch wird. Und natürlich wird gerade in dem Moment, wo ich einen neuen Absatz anfange, auch prompt die Geschichte abgebrochen, und das Steegerlein erzählt die nächste Episode. Irgendwas mit Klavier und einem Mädchen namens Brunhilde. Da sitzt also ein leicht schmierig aussehender Herr in einem Sessel und lauscht einem älteren Mann, der Chopin zum Besten gibt, und als dann das lüstern lächelnde Töchterlein ins Zimmer kommt, dauert es keine Minute, bis die beiden verschwinden. Spätestens jetzt müßte eigentlich der kritische Leser bemängeln, daß es der bloßen Wiedergabe des nüchternen Geschehens komplett an Spannung mangelt – aber hey, wenn ich da durch muß, müsst ihr das auch. Während sich die beiden Nackten da im Bette tummeln, gönne ich mir ein kleines Päuschen und hole mir mal was zu Trinken.

8.40pm. Die Leute aus der Klavierepisode haben mittlerweile über das Heiraten geredet – da sag noch einer, Softsexfilme seien nicht romantisch! In Episode Nummer 3 befinden wir uns nun auf einem Bauernhof, und eine Praktikantin betastet sich gerade selber, während sie vom feschen Jockl träumt, der gerade im Wald Holz hackt. Es drängt sich eine soziologische Frage auf: Gibt es auf dem Lande mehr Sex, weil es weniger Freizeitbeschäftigungen gibt? Inwieweit tragen also Vergnügungsinstitutionen zur Verschlechterung der Geburtenrate bei? Wenn man sich die Leute auf dem Schirm so ansieht – die Rothaarige ist schon fast nackt, der Jockl ißt mäßig beeindruckt seine Brotzeit – dann dürfte es eigentlich um den Nachwuchs dort sehr gut bestellt sein. Aber jetzt nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung: „Man muß seine Suppe dort löffeln, wo man sie kriegt, und bei mir kriegst du sie nicht“, wettert Jockl und jagt die nackte Frau dann konsequenterweise durch’s Blumenfeld, nachdem sie ihm gesagt hat, er hätte wohl länger nicht „gebimst“. Bimsen? Ich bimse, du bimst, wir bimsen? Gibt es da einen Konjunktiv?

8.50pm. „Den Pullover habe ich nur ausgezogen, damit Sie sicher sind, daß ich eine Frau bin“, sagt die junge Schwarzhaarige – wer merkt sich denn die Namen! – dem Herren mit der Autopanne. Man kommt sich wirklich so vor, als wäre hier ein Wettbewerb am Laufen: Wer sich am schnellsten und öftesten auszieht, gewinnt eine Rolle im nächsten Dietrich-Film. Nun habe ich ja, wie jeder eifrige Filmschauer, keinerlei Ahnung, wie es in der richtigen Welt da draußen aussieht – aber vermutlich findet das willige Entkleiden der Damenwelt hier doch eher im als Zeitraffer zu verstehenden Tempo statt. Die andere Frau in der momentanen Episode hat sich gar nicht erst ausgezogen, sondern telefoniert gleich von vornherein nackt. Irgendwie werden die Brüste hier geradezu inflationär aufgefahren.

Und wir haben erst die Hälfte des Films hinter uns.

9.25pm. Obwohl der Film an Aufregung Seinesgleichen sucht, mußte das Live-Review für eine kurze Pause unterbrochen werden: Ein kurzer Besuch des gerade aus England zurückgekehrten Maniac nimmt meine Aufmerksamkeit in Anspruch (Geld und ein Warenaustausch waren im Spiel). Eigentlich hätte ich den Film einfach derweil weiterlaufen lassen können, dann wären wir jetzt wenigstens schon bald durch, aber dann hätten wir natürlich auch versäumt, wie der ältere Herr mit dem bleichen Hintern die sechzehnjährige Rothaarige mit den Worten „Du Luder“ auf dem Wohnzimmertisch begrüßt.

Die nächste Episode dreht sich um Nadja – jawollja, endlich einmal merke ich mir den Namen, was vielleicht auch daran liegt, daß ich diesen Namen besonders gerne mag; obwohl sich etwaige Nadjas in meinem Bekanntenkreis vielleicht gar nicht freuen würden, im Rahmen dieses LiveReviews grüßenderweise erwähnt zu werden – und findet bei einem Motocross-Rennen statt. Jetzt strengen wir mal unsere Phantasie an: Was macht Nadja beim Motocross? Wird sie vielleicht zum Motocross-Star und zeigt den ganzen Jungs, was ein wenig weibliches Einfühlungsvermögen diesem doch eher maskulin orientierten Sport geben könnte? Der kreative Kollege Haslecker würde jetzt vielleicht gewagte Kameraperspektiven ausknobeln, wo die Kamera auf dem Lenkrad montiert ist, während sich Nadja mit irgendeinem Kerl bei voller Fahrt vergnügt. Aber irgendwas stimmt nicht … wir haben Nadja bislang noch nicht mal gesehen! Stattdessen sehen wir uns matschiges Motocrossrennen an.

Zeit, sich einmal über die Titelgebung Gedanken zu machen, bis die dann hier mal endlich zu Potte kommen. Wer ist eigentlich „Die Blonde mit dem süßen Po“? Ingrid Steeger? Ist der Po so süß, weil er den ganzen Film über in einem Beifahrersitz verbringt? Jedenfalls ist der Titel viel spannender als BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN 3, der nach ranzigem Aufgewärmtem klingt – obwohl ja diesmal wenigstens auch dem Dialog nach Minderjährige im Spiel sind. Was – sprechen wir es ruhig aus – die Angelegenheit keinesfalls erotischer gestaltet.

Fairerweise dürfen wir nun einem nackten Mann unter der Dusche bei der äußeren Säuberung zusehen. Dankenswerterweise kommt Nadja ins Zimmer, zieht sich schnell aus und legt sich wartenderweise zu ihm ins Bett. Wir verlosen keine Preise unter all denen, die erahnen, was gleich passiert.

9.40pm. Schön langsam wird die Angelegenheit fad. Ha, das war natürlich gelogen! Die Angelegenheit war schon nach zehn Minuten fad, und die Langeweile wird einem erst so richtig klar, wenn man sich vornimmt, zum Film permanent Heiterkeit zu texten. Babsi – jaja, die Steeger – steht grad Nacktmodell, und irgendwelche versifften Maler phantasieren von anderweitigen Pinseleien in einem geschmacklosen Hotel. Der Spaß dauert noch weitere 21 Minuten, und ganz in der Tradition der vorangegangenen Streifen dürfte auch hier ein ganz aufregender Twist zum Abschluß die Phantasie auf ganz andere Art und Weise anregen. Überhaupt wäre ein wenig Anregung durchaus wünschenswert, obwohl sich die zwei auf der Mattscheibe da gerade mit Dutzenden von exotischen Stellungen reichlich abmühen.

Jetzt poltert schon der dritte Maler ins Hotel, und schon wieder steht Ingrid Steeger mit einer anderen Perücke nackt im Zimmer herum. Waren eigentlich Kinogänger seinerzeit so richtig begeistert von diesem Streifen? Sind die 82 Minuten lang da drin gesessen und haben jede Minute so richtig genossen? War nackte Haut wirklich so aufregend, daß man bereitwillig sein hart Erspartes für so eine Ansammlung von bewegten Herrenmagazinen ausgegeben hat? Oder haben die alle gezahlt, dann flott Hand angelegt, und die restlichen 72 Minuten lief der Film dann ohne Zuseher? Fragen über Fragen. Aber wer sich zu dieser müden Busenparade selber anfäßt, tut das höchstens aus Langeweile.

9.50pm. Die Anhalterin ist mittlerweile mit dem netten Autofahrer in einem rustikalen Gasthaus abgestiegen, weil der mit Reißwolfgrinser ganz unvermittelt gesagt hat: „Ich kenne da ein hübsches Plätzchen, wo wir zwei übernachten können“. Lustig wäre es ja jetzt, wenn sie in ein Kino gehen würden, wo dieser Film läuft. Aber den Gefallen tut uns der Film natürlich nicht. Während sich das Aktmodell gerade von einem Schönling im Auto zu einer „Temporunde“ hinreißen läßt, müssen wir der Wahrheit ins blanke Auge blicken: Vielleicht ist das Experiment mit dem Live-Review gescheitert, vielleicht hätten wir das Gewippe auch lieber in drei Absätzen mit der Gewißheit absegnen können, es hinter uns gelassen zu haben. So sind wir vielleicht ein wenig unfair zu diesem Exponat Dietrichscher Filmkunst, das prinzipiell total harmlos und natürlich ganz züchtig ist. Stellen wir uns doch mal vor, die letzten 11 Minuten wären jetzt so gut, daß ich das ganze Review umschreiben müßte!

Na gut, das war eine zugegebenermaßen eher hypothetische Überlegung. Ingrid steht nämlich gerade nackt bei einem Mann in einer Waldhütte, der seinen Karnickeln bei der Fortplanzung zusieht. Wie aufregend wird es nach diesen 82 Minuten sein, sich wieder bekleidete Frauen anzusehen! Und nun vergnügt sich Ingrid – man merkt doch, daß ihre Beteiligung hier viel facettenreicher ausgefallen ist als noch in den vorangegangenen Filmen – mit dem übergewichtigen Kerl, dessen blanker Hintern sich keck in Richtung Kamera richtet. Selten waren die letzten Minuten eines Filmes nervenaufreibender.

10.00pm. Und nochmal ausziehen, diesmal für den Autofahrer, und dann ist’s genug. Ah, der Twist: Der liebe Mann weiß nicht einmal, wie das Mädchen heißt! Zu lustigem Hammond-Georgel wird ausgeblendet, und wir können getrost ausschalten. Klappe zu, Affe tot, Zirkus pleite.

Für den siebten Teil unserer Retrospektive konnte übrigens die mutige Kollegin Mikolajek gewonnen werden, die mit beinahiger Todesverachtung den Steeger-Film DIE SEX-ABENTEUER DER DREI MUSKETIERE rezen- und sezieren wird und uns dabei gewissermaßen den weiblichen Blick auf die, räusper, erotischen Spektakel aus dem Hause Dietrich gewähren wird. Freut euch drauf!

Die Blonde mit dem süssen Po (Schweiz 1972)
Originaltitel: Blutjunge Verführerinnen – 3. Teil
Alternativtitel: Die Blonde mit süssen Busen
Regie: „Michael Thomas“ (= Erwin C. Dietrich)
Drehbuch: „Manfred Gregor“ (= Erwin C. Dietrich)
Musik: Walter Baumgartner
Produktion: VIP/Axis
Darsteller: Ingrid Steeger, Karin Hoffmann, Margit Sigel, Nadine de Rangot
Länge: 82 Minuten
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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