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ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST: Ein Horror-Rückblick in trüber Nostalgie

Das Slasher-Genre ist an müden, uninspirierten Vertretern seiner Art nicht gerade arm – aber für mich war immer ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST die wohl armseligste Ausgabe seiner Gattung. Ganz klar, diverse andere Filme waren haarsträubend inkompetent zusammengeschustert – aber die kann ich irgendwo zwischen „miese Produktionsbedingungen“, „Fanfilm“ und „die lernen halt noch“ seufzend durchwinken. ICH WEISS dagegen hatte das nötige Budget, um richtig geleckt auszusehen, diverse populäre Mimen und einen Autor, der nur ein Jahr zuvor mit SCREAM die jahrelangen Slasher-Klischees liebevoll gebrochen und neu zusammengefügt hat.

Und doch klapperte ICH WEISS in hanebüchener Konstruktion jede abgestandene Situation ab, die schon zehn Jahre davor das große Gähnen hervorgerufen hat – ganz so, als hätte man sich bewußt dagegen entschieden, irgendwie originell zu werden. Solch fast aggressive Mittelmäßigkeit machte mich dann eben auch aggressiv. Ob sich ungefähr anderthalb Jahrzehnte nach der letzten Sichtung an dieser Reaktion etwas geändert hat?

Ich weiß, was du letzten Sommer im Kino gesehen hast.

„I know what you did last summer“ steht auf den anonymen Nachrichten, die die vier Freunde Julie, Helen, Ray und Barry erhalten. Wir wissen es auch, weil wir am Anfang des Films dabei waren: Nach dem High-School-Abschluß feiern die vier ausgelassen am Strand – und überfahren auf dem Rückweg versehentlich einen Mann auf einer abgelegenen Straße. Weil sich die Freunde die Zukunft nicht verbauen wollen, werfen sie den Mann ins Wasser und breiten den Mantel des Schweigens über den Vorfall. Bis eben ein Jahr später die Nachrichten auftauchen – und ein Mann mit Regenmantel und Fischerhaken sie bedroht …

Es ist interessant, wie eine im Kern so nostalgische Veranstaltung wie ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST, die fünfzehn Jahre ältere Motive wiederkäut, mit der Zeit selber eine nostalgische Komponente erhält. Der Film stand an vorderster Front eines von SCREAM eingeleiteten Slasher-Revivals, bei dem die großen Studios eifrig mitmischten – die in den Achtzigern die Schlitzerfilmchen noch eher mit spitzen Fingern angefaßt hatten, obwohl sie am großen Reibach natürlich auch schon damals teilhaben wollten. So hat der Streifen auch den polierten Spätneunziger-Studiolook verpaßt bekommen, der wenig später ähnliche Derivate wie DÜSTERE LEGENDEN oder SCHREI WENN DU KANNST in den breitenwirksam akzeptablen Mainstream holte. Nostalgisch stimmt auch die Besetzung – Jennifer Love Hewitt, Sarah Michelle Gellar, Freddie Prinze, Jr. und Ryan Phillippe erinnern sicherlich eine ganze Generation an ihre Jugendjahre, in denen diese Teenie-Newcomer zu Stars wurden.

Ich weiß, welchen Virenscanner du letzten Sommer nicht geupdatet hast.

Das ganz und gar Aufgesetzte der Geschichte ist mit den Jahren natürlich kaum besser geworden. Schon der Unfall, der die Geschichte anstößt, ist zum Augenrollen zusammenkonstruiert: Keiner der vier kommt auf den Gedanken, den Puls des Überfahrenen zu prüfen, und so darf ein großer Schockmoment folgen, bei dem der Mann kurz vor dem Stoß ins Wasser nochmal die Augen aufreißen darf – woraufhin die kreischenden Teenager umso hysterischer werden und den Burschen erst recht ins Meer werfen, um ihn dort ertrinken zu lassen. Barry taucht sogar noch hinterher, um die Krone zu holen, die der Mann der Ballkönigin Helen beim Sturz heruntergerissen hat – aber auf die Idee, ihn vielleicht zu bergen, kommt Barry nicht einmal dann, als der Mann unter Wasser gleich nochmal als Schreckmoment die Augen öffnet!

Ein Jahr später werden unsere Protagonisten also von der menschgewordenen Schuld verfolgt – einem Mann, der sie in der ersten Filmhälfte gerne bedroht und Barry auch schon mal mit dem Auto anfährt, ihn aber dann am Leben läßt. Warum eigentlich, obwohl er kurze Zeit später keinerlei Gnade zeigt? Über die Klinge springen darf dafür der gleichaltrige Max, der anfangs mit düsterem Blick als viel zu offensichtlicher Hauptverdächtiger durchging und dann das erste Opfer des Wahnsinnigen wird – warum genau? Will sich der Irre nicht eigentlich an den Schuldigen für den Unfall im letzten Jahr rächen?

Ich weiß, was du letzten Sommer im Kofferraum vergessen hast.

Höhepunkt der völlig sinnlosen Einschüchterungstaktiken des Killers ist dann eine Sequenz, in der er den toten Max mitsamt zahlreicher herumkrabbelnder Meerestiere im Kofferraum von Julie deponiert. Sie entdeckt die Leiche bei der Fahrt durch den Ort und läuft zu ihren Freunden, aber als die am Auto ankommen, ist von dem grausigen Fund nichts mehr übrig. Der Wahnsinnige hat es also geschafft, bei hellichtem Tag in einer bewohnten Gegend innerhalb von wenigen Minuten nicht nur einen toten Körper unbemerkt wegzuschaffen, sondern auch zahlreiche Krabben zu entsorgen und den Kofferraum so zu reinigen, daß nicht mal mehr ein dezenter Geruch überbleibt – bei soviel rührendem Aufwand möchte man dem Mann doch prompt ans Herz legen, lieber mit einer konkurrenzlosen Reinigungsfirma steinreich zu werden, als weiter irgendwelche Teenager zu erschrecken.

Was etwas besser funktioniert, ist das Gefühl der Lebensenttäuschungen, das über den Figuren liegt. Wo die Euphorie angesichts des Schulabschlusses noch groß und die Ambitionen ganz optimistisch gefaßt sind, hängen später desillusionierte Wolken über ihrem Leben – nicht nur durch ihre Schuld bedingt, sondern auch durch die generelle Tatsache, daß die Dinge nicht immer so aufgehen, wie man sich das ausmalt. Die Beziehung zwischen Ray und Julie ist zerbrochen, die Freundschaft zwischen Julie und Helen ist eingeschlafen, Helens Schauspielkarriere in New York hat nicht stattgefunden – stattdessen arbeitet sie zuhause im Laden ihrer Schwester. Die Eltern sind geschieden, gestorben oder einfach nicht präsent – wie bei Barry, wo man die Mutter nur weit hinten im Bild herumlaufen sehen kann, ohne je eine Verbindung zu ihr aufbauen zu können.

Ich weiß, für welches Hitchcock-Remake du letzten Sommer geübt hast.

Diese Textur paßt zu Autor Kevin Williamson, der auch mit seiner Serie DAWSON’S CREEK versuchte, das Auf und Ab im Leben junger Leute einzufangen und dabei gerne mal schwermütig wurde. Leider sind seine Figuren in ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST keine wahnsinnig interessant ausgefleischten Charaktere – mal ganz abgesehen davon, daß Ryan Phillippe wahrscheinlich die Regieanweisung bekommen hat, jeden Satz als größtmöglichen Armleuchter zu spielen, weshalb man seinem Ableben schon bald freudig entgegensieht.

Vom Witz und der Cleverness von Williamsons SCREAM-Skript ist hier jedenfalls nichts zu spüren – ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST ist ein Slasher-Imitat und bedient all jene angestaubten Genrefixpunkte, die in SCREAM noch kommentiert wurden. Es mag daran liegen, daß er das Skript noch vor SCREAM geschrieben hatte, aber erst nach dessen Erfolg verkaufen konnte – aber unabhängig davon zeigte Williamson ja sowieso nie wieder den originellen Blick, den er dort anwandte. Jim Gillespies Inszenierung paßt zum Grundtenor: Sie funktioniert, bietet aber jenseits des spannenden ersten Shots nichts, was man nicht schon gesehen hätte oder was kommentiert werden müßte.

Ich weiß, in welchen Kassenschlagern du letzten (bzw. vor-vor-vor-vor-vor-vor-letzten) Sommer gespielt hast.

Überraschenderweise fällt es mir aber schwer, über 15 Jahre später diesen im Grunde genommen einfach banalen Film als so ärgerlich anzusehen, wie das damals der Fall war. Vielleicht liegt es daran, daß ich mittlerweile noch unambitioniertere Studio-Genrestreifen gesehen habe und nach anderthalb Dekaden exakt dieselben Geschichten noch konservativer und zynischer wiederaufgewärmt werden. ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST ist nicht überbordend schlimm – er bietet nur nicht sehr viel. Sagen wir es mal so: Falls der Film als Liebeserklärung an ein altes Horrorgenre gedacht war, hätte man vielleicht nicht gar so verwelkte Blumen nehmen sollen.



Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast (USA 1997)
Originaltitel: I Know What You Did Last Summer
Regie: Jim Gillespie
Buch: Kevin Williamson, nach dem Roman von Lois Duncan
Kamera: Denis Crossan
Musik: John Debney
Darsteller: Jennifer Love Hewitt, Sarah Michelle Gellar, Freddie Prinze, Jr., Ryan Phillippe, Bridgette Wilson, Johnny Galecki, Anne Heche, Muse Watson

Alle Screenshots stammen von der DVD (C) 1998 Columbia Tristar Home Video.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Ich glaube der Film ist es einfach nicht wert sich über ihn aufzuregen. Mit der Zeit entwickelt man als Filmfreund eine Art Altersmilde, die aber in ihrer weniger aufgeregten Art meiner Meinung nach auch ein fairerer Blick auf einen Film offenbart als in dieser strengen, fast schon ideologischen Art, die man als junger Erwachsener in den 20ern besitzt. Mir geht es zumindest so, und beim Lesen Deiner Zeilen hatte ich das gefühl dass es Dir ebenso geht. Und ich fühl mich mit dieser Altersmilde auch wesentlich wohler als mit meiner damaligen viel zu selbstgerechten Art. Natürlich ist "Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast" eine lieblose Zuschauer-Verarsche. Sie haben halt versucht die Geldkuh mitzumelken, haben dies sogar geschafft, sich damit beim denkenden Publikum aber auch öffentlich lächerlich gemacht, und das ist bereits eine Genugtuung, die jegliches echtes Gefühl von Ärger im Keim erstickt!
      Ironischer Weise guckt sich der theoretisch bescheuertste Teil, nämlich der als Videopremiere erschienende Teil 3, von dieser Reihe am angenehmsten, was mitunter daran liegt, dass er gar kein großes Kino sein will und sich offenherzig absichtlich im Schund wälzt. Das machte ihn wesentlich unverkrampfter und damit zu angenehmen Trash.

      1. Du triffst es mit der Altersmilde sehr gut – die spüre ich tatsächlich. Natürlich habe ich heute auch einen anderen Blick auf Filme – weil ich älter bin, weil ich mehr erlebt habe, weil ich mehr gesehen habe, und nicht zuletzt, weil ich mittlerweile selber Filme mache. Da kann sich der Blickwinkel schon ziemlich ändern.
        Wobei mich das so beinhart Unambitionierte durchaus noch aufregen kann … ich glaube, man pickt sich immer mal Filme heraus, die für etwas stehen, das man generell problematisch findet – und dann bekommen diese Filme all das ab, was man an einer ganzen Gruppe auszusetzen hat. In diesem Fall eben: I KNOW WHAT YOU DID LAST SUMMER als Paradebeispiel für eine Dutzendschaft müder 08/15-Slasher.

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