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SPACE NAVIGATOR: Ein UFO-Ausflug mit Roboterrabatt

Ein Junge wird nach einem Sturz bewußtlos, kommt auf einem Raumschiff wieder zu Bewußtsein, hilft dem freundlichen Außerirdischen beim Navigieren und kehrt dann zurück auf die Erde – wo mittlerweile Jahre vergangen sind, ohne daß der Junge mitgealtert wäre. Theoretisch könnten wir jetzt über den Disney-Film DER FLUG DES NAVIGATORS reden, auf den diese Handlungsbeschreibung voll und ganz paßt – aber das könnte ja jeder. Wir sprechen lieber über die italienische Billig-Variante SPACE NAVIGATOR und brauchen nicht mal einen Grund dafür.

Schon zu Beginn sieht man Problemlösungen, wo andere nur Probleme sehen würden. Was tun, wenn wirklich gar kein Geld da ist und man aber aufregende Science-Fiction produzieren will? Easy: Man verschiebt das Problem erstmal um eine halbe Stunde nach hinten. So lernen wir also den zwölfjährigen Bob kennen, der mit seinem Vater Joe an einem Motorbootrennen in den Sümpfen Floridas teilnimmt. Joe tritt gegen den Unsympathen Tom an, dessen Sohnemann ein ganz schreckliches Kind ist, das überhaupt nicht schauspielern kann (was ihn, räusper, natürlich von sämtlichen anderen Darstellern dieses Films um Meter, wenn nicht gar Millimeter, abhebt) und sich beim Baseballspielen immer über den kleinen Bob lustig macht, der gerne über UFOs redet. Jedenfalls ist Tom ein schlechter Verlierer und droht Joe damit, bald die Restschuld von dem Kredit einzutreiben, den Joe vor einiger Zeit bei ihm genommen hat.

„Dad, hast du schon gehört? Da soll bald ein ganz spannender
Science-Fiction-Streifen kommen …“

Na hallo, da haben wir ja schon eine gute halbe Stunde Zeit gekillt und gleich auch Bobs Schwester Pat und seine Mama Sandy kennengelernt, die immer mal wieder im Bild herumlungern, aber – sofern ich mich nach immerhin zwei Tagen richtig erinnere – nichts zur Handlung beisteuern. Bootsfahrten in irdischen Sümpfen sind eben auch in Science-Fiction-Epen Männersache. Apropos Bootsfahrten: Joe und Bob machen da gleich noch einen Ausflug, bei dem sie plötzlich durch blubbernde Geräusche auf dem Soundtrack irritiert werden. Dann prallt das Boot gegen einen Ast, der sich aus dem Wasser erhebt, und Bob wird ans Ufer geschleudert. Joe dagegen fällt ins Wasser und freundet sich mit einem herumschwimmenden Krokodil an – vermute ich zumindest mal; für Aufnahmen, in denen sowohl Mensch als auch Tier gleichzeitig im Bild sind, war wohl kein Geld da. Oder keine Erzählzeit: Immerhin befinden wir uns ja hier in einem aufregenden futuristischen Epos, wen interessiert da Floridas Fauna?

So, jetzt kommt dann aber richtig bald ein UFO. Bob läuft durch die wilde Natur und befindet sich plötzlich an Bord eines Raumschiffes, das hochintelligente Wesen aus einer fernen Galaxis – wohl um uns irdischen Kleingeistern nicht den Sehnerv wegzuschmoren – als düstere Rumpelkammer mit ein wenig Elektroschrott in der Mitte designt haben. Daneben steht ein dem Mensch geistig schneckenhaushoch überlegener Außerirdischer, der aussieht, als hätte jemand zu Hause den Roboter aus NUMMER 5 LEBT! nachgebastelt. Der nette Bot bewegt sich ein bißchen so wie in einem C64-Game, bei dem gerade zu viele Gegner auf dem Bildschirm herumwuseln und der Prozessor in die Knie geht – sicherlich ist es die Last des grenzenlosen Wissens, die das Wesen bewegungstechnisch so ausbremst.

„Ich komme aus der Zukunft und biete 64 KB RAM, von
denen nur 38 von meinem BASIC belegt werden …“

Der Außerirdische stellt sich als Jay Seven vor und erklärt Bob, daß er ihm jetzt die geistige Kapazität erhöht hat, damit der Junge als Navigator fungieren kann. Bob muß Jay Seven helfen, das UFO zu steuern – ich bin mir sicher, daß er auch erklärt, warum, aber aus irgendeinem Grund habe ich mir das nicht gemerkt. Es war sicherlich höchst plausibel – so ein erbauliches SciFi-Epos würde nämlich unter keinen Umständen wichtige Plotpoints einfach so konstruieren und in die Suppenschüssel werfen wie Buchstaben aus der Tüte! Vielleicht kann mich einer meiner treuen Leser ja über die genauen Zusammenhänge aufklären.

Jedenfalls fliegen Bob und Jay Seven jetzt mal so ein bißchen durch die Gegend. Da folgen ein paar Episoden, in denen gewöhnliche Erdenbewohner die fliegende Untertasse sehen. Zum Beispiel in einem Vergnügungspark, in dem ein quengeliger Junge seinen Vater belämmert, daß er unbedingt in das Raumschiff möchte – der Vater versucht dann vergeblich, dem störrischen Ticketverkäufer klarzumachen, daß er Fahrkahrten für das UFO haben will. Nebenbei freunden sich Jay Seven und Bob nach und nach an – Bob bringt Jay Seven bei, wozu Augenlider gut sind (die der Roboter hat, aber für unnötig erachtet) und was Tränen sind, und Jay Seven bringt uns bei, daß nicht jeder Science-Fiction-Film zwangsläufig ein Budget haben muß. Und ach, zum Schluß umärmeln sich die beiden, und ich bin leise gerührt – warum passiert mir das eigentlich immer selbst beim totalen Kellerkino (vgl. DIE AUSSERIRDISCHEN BESUCHER)?

„Ich würde dir ja gern den Rest meines Raumschiffs zeigen,
aber der müßte erst für teures Geld gebaut werden …“

Aber noch ist die Aufregung ja nicht vorbei. Bob wird nach erfolgreicher Navigation (nach der das Raumschiff irgendwie immer noch in der Erdatmosphäre zu schweben scheint – aber was verstehe ich denn schon von komplexen Raumschiffsteuerungsfragen?) wieder auf der Erde abgesetzt, muß aber feststellen, daß mittlerweile drei Jahre vergangen sind und das Jahr 1996 geschrieben wird. Vor allem das Familienglück ist mittlerweile angeknackst: Weil Joe ja im Sumpf gelandet ist, hat Sandy mittlerweile Tom geheiratet. Das mißfällt Bob, der Jay Seven sogleich per Funkapfel (Apfelfunk? Apfelförmiger Glaskugelfunk?) kontaktiert und ihm sein Leid klagt. Er jammert dabei ein bißchen, daß er nicht mehr in diese Welt paßt, und daß er lieber mit Jay Seven ins All möchte, aber der räsonierende Roboter weist ihn darauf hin, daß Bob in Jays Welt nicht leben kann.

So wird also noch flugs ein Zeitsprung vorgenommen, Joe landet nicht beim Krokodil, und alles wird gut. Sogar Tom kommt abends vorbei, um sich zu entschuldigen, woraufhin ihn Joe großmütig zum Abendessen hineinbittet. Schluß jetzt, bevor ich sentimental werde!



Space Navigator (Italien 1993)
Originaltitel: Navigatori dello spazio
Regie: Camillo Teti
Buch: Olga Pehar, G. Paolo Brugnoli, Camillo Teti
Kamera: Giovanni Bergamini
Musik: „Henryk Topel“ (= Enrico Topel)
Darsteller: Jesse Dann, Jeana Belle, Greg Badgewell, Christine Keegan, Raymond Richard, Asheley Sher Shannon

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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