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EIN WALZER VOR DEM FRÜHSTÜCK: Beziehungen über Kreuz

LOVING COUPLES – bei uns EIN WALZER VOR DEM FRÜHSTÜCK – behandelt einen Komödienstoff, der ungefähr so alt ist wie die Zeit: Zwei Paare gehen quasi über Kreuz fremd. Da ist zunächst mal das Ehepaar Walter und Evelyn Kirby (James Coburn und Shirley MacLaine), beides Ärzte. Evelyn fühlt sich von Walter schwer vernachlässigt und bandelt deswegen mit Greg (Stephen Collins) an, der bei ihr im Krankenhaus liegt, weil er sich zu aufmerksam nach ihr umgedreht und dabei sein Auto in den Straßengraben gefahren hat. Evelyns sitzengelassene Freundin Stephanie (Susan Sarandon) unterrichtet Walter von dieser Affäre – woraufhin sich die beiden selber in ein Techtelmechtel stürzen. Aber sind die neu zusammengewürfelten Paare jetzt tatsächlich glücklich? Nein, wir verlosen für die richtige Antwort keine Preise.

Der reichlich bemühte Film funktioniert schon mal deshalb nicht, weil die Darsteller allesamt auf anderen Ebenen spielen. Shirley MacLaine und Susan Sarandon sind beide gut, nur leider nicht im selben Film: MacLaine spielt ihre Figur als glaubwürdige Person eines Dramas, Sarandon spielt als glaubwürdige Person einer Komödie. Stephen Collins spielt als Füllcharakter einer Seifenoper und ist dabei so interessant wie immer – nämlich knapp unter dem Level der Tapete. Sally Kellerman gibt in einer etwas albernen Nebenrolle den nymphoman-verrückten Typ, den sie ihre halbe Karriere lang gespielt hat. Am bizarrsten aber ist James Coburn, der sich unter einer Gameshow-Moderatoren-Haarpracht durch seine Rolle stottert und dabei so ausufernd spielt, als würde er im nächsten Moment herzhaft in die Requisiten beißen. Keine der Darstellungen paßt zur anderen, weshalb auch keinerlei Chemie zwischen den Schauspielern aufkommt.

Stephanie (Susan Sarandon) liebt Walter (James Coburn)
mit Haut und Haaren. Oder?

Es hilft aber freilich auch kaum, daß die Darstellerriege vom Drehbuch im Stich gelassen wird. Die Handlungsentwicklungen geschehen auf Autopilot, das Wechselspiel mit den Partnern scheint einer Verpflichtung geschuldet zu sein und keiner organischen Entwicklung. Walter ist ein sehr offensichtlicher Mistkerl, weswegen es verständlich ist, daß sich Evelyn anderweitig umschaut. Aber was findet Stephanie an dem dauernd herumpolternden Walter? Und warum interessiert sich Greg für die ältere Frau und plötzlich nicht mehr für seine reizende Stephanie? Und wenn Greg einfach nur ein Hallodri ist, wie nicht nur durch eine Affäre mit der Figur von Sally Kellerman angedeutet wird, warum streßt er dann überhaupt so herum, was die Zusammengehörigkeiten angeht? Die Antwort: Weil es so im Skript steht.

Das ist schade, weil es hier und da durchaus ein kurzes Aufblitzen dessen gibt, was der Film hätte sein können. Shirley MacLaine ist beispielsweise in der Szene, wo sie ihrem Walter sagt, daß sie eine Trennung will, eine glaubwürdig verletzte Frau. Susan Sarandon ist in der Sequenz, wo sie als unerfahrene Reporterin am Strand eine Nudisten-Surfergruppe interviewt, auf ganz natürliche Weise witzig, ohne viel zu machen. Ganz originell ist auch die Szene, wo sich Sarandon von Coburn trennt: Das erklärt sie ihm in der Schlange vor dem Kino, damit es zu keiner Szene kommt – und kurz vor dem Eingang eröffnet sie ihm dann, daß sie für ihn gar keine Karte gekauft hat!

Jeder echte Mann sollte mindestens einen Film mit
Quietscheentchen machen. So wie James Coburn.

Aber das sind kurze Momente in einem Meer aus Belanglosigkeiten und abgespulten Abläufen. Die interessanten Momente – zum Beispiel die zivilisierte Umgangsart zwischen den betrogenen Paaren – werden nie wirklich ausgelotet, weder als Drama noch als Komödie. So kann LOVING COUPLES weder die menschlichen Einblicke liefern, die beispielsweise ein Woody Allen aus so einem Stoff herausholt, noch den pfiffig-spielerischen Charme bieten, den Gene Wilder in DIE FRAU IN ROT so wirkungsvoll eingesetzt hat. Kurzum: Eine vertane Chance.

Ein Walzer vor dem Frühstück (USA 1980)
Originaltitel: Loving Couples
Regie: Jack Smight
Buch: Martin Donovan
Musik: Fred Karlin
Kamera: Philip H. Lathrop
Darsteller: James Coburn, Shirley MacLaine, Susan Sarandon, Stephen Collins, Sally Kellerman, Tony Travis

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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