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[Film] Cthulhu Mansion (1992)

Was erwartet man als erfahrener Horrorfreund, wenn ein Film CTHULHU MANSION heißt und man vom Vorspann informiert wird, der Film sei „inspired by the writings of H.P. Lovecraft“? Eine durchaus korrekte Antwort wäre natürlich „nicht viel“, die passendere lautet allerdings so: Nichts, was auch nur im Entferntesten etwas mit Lovecraft zu tun hat.

In der Tat wäre Poe die trefflichere Hausnummer für diesen spanisch-englischen Gruselfilm, der im Original adäquat LA MANSIÓN DE LOS CTHULHU heißt und von Juan Piquer Simón inszeniert wurde, der uns schon mit billigem Unterseehorror (SIRENE I), billigem Slasherspaß (PIECES – STUNDEN DES WAHNSINNS) und billigen Science-Fiction-Begegnungen (DIE AUSSERIRDISCHEN BESUCHER) beglückt hat. Zum guten alten Edgar Allan ließen sich hier weitaus mehr Bezüge herstellen als zu Herrn Lovecraft: Ein altes Spukhaus, eine mysteriöse schwarze Katze, eine Hauptfigur mit buchstäblich im Keller weggesperrtem Schuldgefühl – es mag Zufall sein, weil es sich um so allgegenwärtige und traditionsreiche Horrormotive handelt, aber wenn schon literarischer Bezug suggeriert wird und jenseits des Namens „Cthulhu“ keiner vorhanden ist, puzzelt das Gehirn ja fast von alleine die sich anbietenden Querverbindungen zusammen.

„Ruhe da hinten, sonst zersäge ich einen Lovecraft-Roman!“
Chandu (Frank Finlay) auf der Bühne.

Worum geht’s also in CTHULHU MANSION? Also: Der Bühnenzauberer Chandu (vermutlich nicht der aus der Hörspielreihe der Dreißiger Jahre) wollte tiefer in die Geheimnisse der Magie eindringen und hat dazu einen Pakt mit einem Dämon geschlossen. Leider hat dieses okkulte Interesse schon bald ein Opfer gefordert: Chandus Assistentin (und Ehefrau) ging bei einer Vorführung in Flammen auf. Viele Jahre später werden Chandu und seine (schon erwachsene) Tochter von einer Gang von Drogendealern entführt, die auf Chandus Landsitz Unterschlupf suchen wollen. Schade nur, daß dort die dämonische Kraft wieder erwacht und sich schön langsam über die Hausbesetzer hermacht …

Es ist also eher eine Spukhausstory, die hier serviert wird: Eine Gruppe von Leuten tapst durch ein altes Haus, in dem sich immer merkwürdigere Dinge ereignen. Das Licht flackert, ein Stuhl fliegt umher, und einer der Burschen aus der Gang zeigt Symptome von Besessenheit. Und freilich dauert es nicht lang, bis die Gesellschaft nach und nach dezimiert wird: Billy, der beim Reden immer die Augen ganz rund macht und das Gesicht verzieht, ertrinkt beispielsweise in einer Duschkabine, die sich flugs mit Blut füllt, während seine Freundin von haarigen Klauen in den Kühlschrank gezogen wird.

„Okay, Gesichterassis. Jetzt trollt euch. Fahrt noch’n bißchen Geisterbahn.“
Billy (Paul Birchard, rechts) zeigt Eva (Melanie Shatner) und Hawk (Brad Fisher),
was er alles mit seiner Gesichtsmuskulatur machen kann.

Es hat einen gelegentlichen altmodischen Charme, wie sich das Böse hier manifestiert – vor allem bei dem angedeuteten Eisschrankmonster, aber auch sonst bei Nebel und Regen und herumfliegenden Einrichtungsgegenständen. Simón setzt weniger auf drastische Effekte und dicken Terror als auf eine gewisse Grundatmosphäre und eine sich zuspitzende Abfolge an unwirklichen Geschehnissen – die neben den üblichen Horrormomenten (das Licht geht plötzlich aus!) auch immer ein paar nette Ideen bieten (zum Beispiel die nicht erklärte wiederholte Schwarz-Weiß-Projektion von Chandus Bühnentricks im Wohnzimmer des Landsitzes).

Dennoch muß der wohlwollende Gruselfreund ein bis drei Augen zudrücken: Die Angelegenheit ist schon reichlich billig inszeniert und sorgt mitunter für Heiterkeit. Am Anfang schlägt ein Gangmitglied einen am Boden liegenden Wachposten fast krankenhausreif, indem er ihm dreimal sachte ins Kreuz tritt; wenn das Licht im Landsitz ausgeht, untersucht Billy den Sicherungskasten, der für das dreistöckige Haus ganze vier Sicherungen bietet (wohl für jedes Stockwerk inklusive Keller eine). In der ersten Filmhälfte verfolgt ein sinistrer schwarzer Kerl unsere Bande und beobachtet sie vom Auto aus, nur um dann erschossen zu werden – kurz vorher wird noch eingeflochten, daß er hinter dem von der Gang geklauten Stoff her ist, aber das macht seinen in mysteriöse Längen gedehnten Part keinen Deut weniger überflüssig. Ein wundervoller Moment ist auch, wie die burschikos fesche Eva (Melanie Shatner – Captain Kirks Tochter!) in einem hysterischen Anfall plötzlich Topfpflanzen zu Boden wirft, als könnten die irgendetwas dafür.

Sauberkeit kommt gleich nach Gottesfurcht!

Und wie kommt jetzt der gute Lovecraft ins Spiel? Ganz klar: Auf dem Heft, das sich Chandu seinerzeit zur okkulten Fortbildung gekauft hat, steht groß „Cthulhu“. Und deswegen hat er seinen Landsitz auch CTHULHU MANSION getauft; der Name prangt ehrfurchtgebietend über dem Tor. Und wenn man sich überlegt, wie oft Herr Lovecraft den Namen „Cthulhu“ niedergeschrieben haben dürfte, macht die Behauptung „inspired by the writings of …“ doch wirklich Sinn.



Cthulhu Mansion (Spanien/England 1990)
Originaltitel: La mansión de los Cthulhu
Regie: „J.P. Simon“ (= Juan Piquer Simón)
Drehbuch: „J.P. Simon“ (= Juan Piquer Simón)
Kamera: Julio Bragado
Darsteller: Frank Finlay, Marcia Layton, Luis Fernando Alvés, Brad Fisher, Melanie Shatner, Kaethe Cherney, Paul Birchard, Frank Braña

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Erinnert ja ein wenig an Charles Bands "Draculas Todesrennen". Dort wurde das Auto vom Besitzer Dracula getauft, und schon war der berühmte und Zuschauer lockende Name zurecht im Titel erwähnt. *g Vielleicht doch kein so gutes Beispiel. Es betrifft ja nur den deutschen Titel, und in Deutschland wurde ja des öfteren gerne mal sinnlos mit Dracula, Frankenstein und Co gelockt.

      "Cthulhu Mansion" habe ich sogar mal gesehen, aber ihn so stark verdrängt, dass keinerlei Erinnerung beim lesen zurück kam. Aber die Beispiele an inhaltlichen Unsinnigkeiten lesen sich toll. Da braucht man den Film gar nicht mehr selbst zu gucken. 🙂

    2. Stimmt, hierzulande durften die alten Gruselgesellen gerne mal als Namensvettern für Filme herhalten, die rein gar nichts mit ihnen zu tun hatten. Wobei die Anlehnung an einen vertrauten Namen bei uns durchaus auch in anderen Gernes geschieht – siehe KEVINS COUSIN ALLEIN IM SUPERMARKT.

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