[Buch] Tom Hirschfeld: How to Master the Video Games (1981)

Buch / Uncategorized / 26. Juli 2012

Das ist mal ein schöner historischer Fund: Ein 1981 erschienenes Buch mit dem Titel HOW TO MASTER THE VIDEO GAMES, in dem Autor Tom Hirschfeld Tips und Strategien zu 30 seinerzeit populären Spielhallen-Klassikern gibt. Zusammen mit Ken Ustons MASTERING PAC-MAN, Howard Blumenthals THE COMPLETE GUIDE TO ELECTRONIC GAMES und dem schon 1980 erschienenen Buch HOW TO WIN AT SPACE INVADERS zählt Hirschfelds Übersicht aus der Goldenen Ära der Arcade-Spiele zu den frühesten Spielebüchern überhaupt – erst 1982 kam dann eine große Zahl verschiedener weiterer Nachschlagewerke auf den Markt.

Hirschfeld unterteilt die Spiele in fünf verschiedene Kategorien, und alleine an den ersten beiden sieht man, daß schon damals ein erfolgreiches Spiel zig Derivate nach sich zog: „SPACE INVADERS-Type Games“ (mit 10 Spielen) und „ASTEROIDS-Type Games“ (mit 7). Die restlichen Kategorien sind „Maze Games“ (da sind PAC-MAN und WIZARD OF WOR zu finden), „Reflex Games“ und „Miscellaneous Games“. Schon die Spieleauswahl ist aus heutiger Sicht spannend: Manche Games wie PAC-MAN sind legendär, andere genießen durchaus Klassiker-Status (zum Beispiel SCRAMBLE oder GALAXIAN) – aber wer kennt heute noch Spiele wie PHOENIX, PLEIADES, TARG, VENTURE oder ARMOR ATTACK? Alleine mit den Beschreibungen gibt das Buch schon interessante Anregungen für Retrogamer, die nach Titeln jenseits der bekannten, kanonisierten Werke suchen.

Hirschfeld gibt zu jedem Spiel eine kurze Übersicht und listet verschiedene Spielprinzipien („observations“) auf, denen dann diverse
Tips und Tricks („strategies“) folgen. Viele dieser Hinweise sind
relativ offensichtlich – zumindest für einen nicht komplett unbeleckten
Spieler – aber dennoch sauber aufgeschlüsselt und mitunter durchaus
nützlich. Freilich können zu den meisten Arcade-Spielen auch nur
rudimentäre, grundlegende Tips gegeben werden, weil sich die
Spielsituationen ja aus dem zugrundeliegenden Prinzip entwickeln und
keine Lösung für jeden Schritt angeboten werden kann. Insofern bietet
Hirschfeld also eine ganze Reihe von Hinweisen, die durchaus den einen
oder anderen Anstoß geben können, die eigene Spielperformance zu
verbessern.

Hinten im Buch befinden sich einige Übungen, die Spielern empfohlen werden, um Fingerfertigkeit und Reaktionsvermögen zu verbessern – da kommt man sich doch beinahe vor wie bei einem umfassenden Sporttraining. Und vorne gibt Hirschfeld einige generelle Strategien, wie man neue Spiele meistert – davon sind vor allem die ersten beiden sehr hilfreich: Zunächst wird empfohlen, sich das Spiel ein paar Mal unbeteiligt anzusehen (im Demomodus oder durch Beobachten eines anderen Spielers), bevor man sich selber heransetzt – das war vor allem damals sinnvoll, wo jeder neue Spielversuch auch gleich Geld kostete. Und dann wird dem Leser Teamwork ans Herz gelegt: Man läßt einen Freund das Spiel beobachten, wechselt sich ab, tauscht sich über Strategien und Ansätze aus – soviel zum Thema, daß Videospiele einsam machen.

Apropos einsam: Im Vorwort geht Hirschfeld auch ganz kurz auf die schon damals geäußerten Vorbehalte gegenüber Computerspielen ein – daß sie die Spieler isolieren, daß sie süchtig machen, oder daß man dabei quasi verdummt. Der Autor schreibt nur jeweils ein paar kurze Worte zu diesen Vorwürfen – aber es ist ein wenig traurig, wenn man sieht, daß dieselben blöden Vorurteile gegenüber Computerspielen schon vor 31 Jahren bestanden und heute immer noch exakt so geäußert werden.

Eine interessante Randnotiz sei diesbezüglich noch angemerkt: In seinem Vorwort (das mit den schönen und historisch betrachteten absolut korrekten Worten „Video games are not a fad“ beginnt) schreibt Hirschfeld einen Satz, dem man rückblickend betrachtet nur absolut zustimmen kann. „In a society moving toward complete computerization, the games teach self-reliance and computer confidence.“  Wie wahr: Damals wurde das Hobby des Computerspielens noch belächelt und als Zeitverschwendung betrachtet – eigentlich generell jede Beschäftigung mit dieser „Kiste“ (ob nun Computer, Konsole oder sonstiges elektronisches Gerät), die von den Erwachsenen so gerne mit abfälligen Kommentaren abgetan wurde. Und heute, wo kein Mensch mehr um den Computer herumkommt, wundern sich die Älteren und unsere nicht-spielerfahrenen Altersgenossen, warum wir diese Technik so aus dem FF beherrschen. Tja, liebe Leute: Vielleicht war diese Beschäftigung – abgesehen von den vielen spaßigen und mitreißenden Momenten – ja doch sogar, entgegen eurer Beurteilung, zu etwas nütze?



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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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