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SKYSCRAPER: Busenwunder gibt bösen Buben Zunder

Terroristen besetzen ein Hochhaus! Sie sind bis an die Zähne bewaffnet und nehmen Geiseln! Und nur ein einsamer Einzelkämpfer, der zufällig im Gebäude ist, kann den sinistren Schurken die Stirn bieten! Wem die Geschichte bekannt vorkommt: Richtig, SKYSCRAPER funktioniert genauso wie STIRB LANGSAM 2, nur im Wolkenkratzer. Räusper.

Aber halt! Es gibt ja noch einen Kniff: Der Einzelkämpfer ist diesmal eine Frau. Und zwar nicht irgendeine, sondern Ex-Playmate Anna Nicole Smith, die in den Neunzigern hauptsächlich dafür bekannt war, eine steinalte Oberweite zu besitzen und einen mördergroßen Milliardär geheiratet zu haben. Oder war das umgekehrt?

Anna Nicole Smith will hoch hinaus.

Smith spielt hier die Hubschrauberpilotin Carrie, die eine Art Lufttaxi-Service namens „Heliscort“ betreibt. Dummerweise ist einer ihrer heutigen Fluggäste ein böser Bube namens Fairfax. Der klaut mit seinen Spießgesellen Bauteile für ein ungeheuerliches Gerät zusammen, das etwas so Erschreckendes kann, daß es niemand im Film auszusprechen wagt. Fairfax läßt sich also zu einem Wolkenkratzer kutschieren, wo er mit Waffengewalt das letzte Teil einsammeln will, und muß sich dann mit der aufmümpfigen Carrie herumplagen. Profi-Tipp für angehende Großgauner: Man sollte im Budget neben der Handlangerarmee auch noch Platz für eigene Transportmittel lassen.

Die Produzenten wissen jedenfalls, daß der durchschnittliche Kunde auch ein überdurchschnittlich großes Interesse an der jedem Durchschnitt trotzenden gigantischen Oberweite der Hauptdarstellerin hat – weshalb Anna Nicole auch schon sehr früh im Film eine ausführliche Duschszene spendiert bekommt. Plötzlich kommt man sich vor, als würde man im Undergroundkino sitzen und sich einen verschollenen Russ-Meyer-Schmuddelstreifen ansehen: Wie in einem bizarren Kuriositätenkabinett werden hier Brüste vorgeführt, die so groß wie Köpfe sind. Man denkt unweigerlich an das Segment in Woody Allens WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SEX WISSEN WOLLTEN, in dem ein monströser Silikonbusen mit Körbchengröße X durch das Land zieht und unschuldige Zivilisten plattwalzt.

Wir suchen noch nach den passenden Worten.

Freilich ist die Sequenz unter der Dusche narrativ keinesfalls zweckfrei: Während sich Anna säubert, läuft ein keuchender Kerl durch ihr Apartment – als POV gefilmt, wie in HALLOWEEN. Der aufgeregte Besucher entpuppt sich aber als ihr Ehemann Gordon, der sich prompt zu ihr unter die Dusche stellt. Wir sehen: Eine glückliche Beziehung. Abgesehen davon, daß sie gerne Kinder will, er aber nicht, weil er als Cop arbeitet und die Welt als zu schlecht empfindet. „Entschuldige, daß ich noch an Sonntagsspaziergänge im Park und an kleine süße Babies glaube!“, schluchzt sie. (Übrigens wird Göttergatte Gordon von Richard Steinmetz gespielt, der noch in HOT SPLASH vor übergroßen Oberweiten zurückschrecken durfte: „Vor so großen T’s hab‘ ich Angst“, sagte er da.)

Im Hochhaus spielt sich dann alles in etwa so ab, wie man das aus STIRB LANGSAM kennt: Schußwechsel mit den Knallchargen in verschiedenen Korridoren, Klettern durch Lüftungsschächte, ein verräterischer Kerl, der unsere Heldin an die Terroristen ausliefern will, massive Mengen an Sprengstoff, ein findiger Computerhacker und ein Bösewicht, der den Weg nach unten außerhalb des Gebäudes antritt. Carrie hat allerdings mehr Gesellschaft als John McClane: Ein kleiner Junge (Daniel Smith, der Sohn von Anna Nicole) fährt wie in THE SHINING mit dem Tretauto durch die Gänge und will vor den Schurken beschützt werden, ein schwachbrüstiger Wachmann hilft, ein Putzmann schlurft durch die Gänge, und später tummeln sich noch ein paar SWAT-Männer und der gute Gordon im Haus herum.

„Was würde Hans Gruber tun?“
Terroristenanführer Fairfax (Charles Huber) und sein Computergenie Jacques (Jonathan Fuller).

Wer glaubt, daß sich während des ganzen Herumgewusels nicht noch eine weitere Nacktszene für Anna Nicole unterkriegen ließe, täuscht sich: An einer Stelle denkt sie verzweifelt an ihren Ehemann. Wir sehen in einer Rückblende, wie er ihr den Umgang mit einer Waffe beigebracht hat, und anschließend, ganz klar, eine lange Liebesszene zwischen den beiden. Im Freien diesmal – damit die voluminöse Oberweite genug Platz hat.

Da SKYSCRAPER von den Videofutterspezialisten PM Entertainment produziert wurde, sieht das Resultat aus wie alles, was aus diesem Hause kam: Ein preiswertes Puzzle aus Waffen, Explosionen und toughen Kampfmenschen, die Sätze sagen wie „Wir haben Besuch“ oder „Am Fahrstuhl gibt es Aktivitäten“. Es ist ein Destillat aus allen Versatzstücken, die die Actionbibliothek von Babel hergibt, jeder Moment eine Erinnerung, mit kühler Glätte von jeder Emotion oder Individualität befreit. Das Schnörkellose und Mechanische hat etwas Faszinierendes, ist aber gleichzeitig natürlich ungemein ermüdend.

Das da ist nicht Charlies Ehemann.

Und dann ist da noch Anna Nicole Smith, so hoffnungslos überfordert, daß sie einem irgendwann leid tun kann. Sie profitiert von der deutschen Synchro, weil da ihre schleppende, monotone Sprechweise verlorengeht – aber man merkt, wie sehr sie sich mit jedem Moment abplagt. Das eigentlich so hübsche Gesicht ist in einer permanenten Verstimmung gefangen. In einem Outtake-Video, das im Netz zu finden ist, sieht man, wie sie sich selbst einfachste Sätze kaum merken kann und wie im Dämmerzustand agiert. Daß ihr Körper gegenüber den früheren Photographien ganz außer Form geraten ist, verstärkt nur den Eindruck, daß es ihr schlichtweg nicht gut ging – was angesichts der Tatsache, daß sie jung an einer Überdosis verschiedenster Medikamente starb, auch kein abwegiger Gedanke ist. Jeglicher Plan, aus Smith eine brauchbare Schauspielerin oder zumindest eine Kult-Darstellerin wie Pamela Anderson zu machen, wurde durch SKYSCRAPER jedenfalls vehement im Keim erstickt.

Die Marilyn-Monroe-Bilder, die so auffällig in Charlies Apartment platziert wurden, verweisen leise auf die Tragik von Anna Nicole Smith. Sie wollte so gerne Marilyn sein, aber gereicht hat es leider nicht einmal für Jayne Mansfield.



Skyscraper (USA 1996)
Regie: Raymond Martino
Buch: William Applegate Jr., Joseph John Barmettler
Produktion: Joseph Merhi, Richard Pepin
Kamera: Frank Harris
Musik: Jim Halfpenny
Darsteller: Anna Nicole Smith, Richard Steinmetz, Charles Huber, Branko Cikatic, Calvin Levels, Jonathan Fuller, Lee de Broux, Deidre Imershein

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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