Die Bett-Hostessen (1973)

Uncategorized / 17. Dezember 2007

Da sind wir nun schon wieder am Ende angelangt. Mit einer Planänderung, versteht sich: Der für diesen Teil der Ingrid-Steeger-Retrospektive angekündigte Gastauftritt der Kollegin Mikolajek, die sich – ihre Reputation laut lachend auf’s Spiel setzenderweise! – mit DIE SEX-ABENTEUER DER DREI MUSKETIERE auseinandergesetzt hat, wird kurzerhand nach hinten verschoben, da sich die Worte dort noch nicht zu vollständig veröffentlichungswürdigen Sätzen geformt haben. So oder so ist es damit dann Schluß mit der vergnüglichen Filmbeschau, und wir nehmen leise Abschied. Wir sollten uns dabei, so schön es auch war, vor allem davor hüten, allzu sentimental zu werden.

Nun denn: Betrachten wir also nüchternen Auges den Streifen DIE BETT-HOSTESSEN, der mit beinahe jedem beliebigen Absatz aus den vorangegangenen Steeger-Rezensionen gleichermaßen treffend beschrieben werden könnte. Diesmal geht es um einen Schweitzerdeutsch trällernden Fensterputzer, der bei der Firma Elite-Film ins Büro klettert und sich dort als Inspirationsquelle für neue Drehbücher anheuern läßt: Er hat nämlich sehr viele Sexgeschichten auf Lager, die der eifrige Produktionschef geradezu salivierend in eine Kladde notiert.

Und so sehen wir wieder mal diverse Episödchen munter aneinandergereiht: In einer schaut der Fensterputzer einer dunkelhäutigen Frau beim Baden zu, bis sie ihn am Fenster bemerkt. Dann tut sie exakt das, was jede Frau in dieser Lage machen würde: Sie winkt ihn herein und legt sich wartend auf’s Bett. Dummerweise kommt in diesem Moment ein Herr vom Pfändungsamt vorbei, der sich etwaige Wertgegenstände unter den Nagel reißen will, aber die nette Frau macht eine für ihren Beruf typische Handbewegung – Herr Lemke, ist sie vielleicht Go-Go-Tänzerin? – und dann zieht sich der Beamte auch schon aus. Wie schön: Neben der nackten Frau steht jetzt noch ein nackter älterer Herr mit viel Übergewicht.

Bevor wir uns jetzt schwungvoll wieder den einzelnen – räusper – Handlungssträngen widmen, betrachten wir den Spaß doch einmal kurz als Ganzes und greifen die Anregung eines Kollegen auf, der bei den bisherigen Steeger-Begutachtungen stets genaue Beschreibungen der einzelnen Positionen vermißt hat, in denen sich die penetrant unbekleideten Darsteller abmühen. Eine grobe Fahrlässigkeit meinerseits! Es sei nun also festgehalten, daß beinahe alle Begegnungen in DIE BETT-HOSTESSEN in der Missionarsstellung stattfinden, was zur Folge hat, daß man meistens den haarigen Hintern des Mannes in Richtung Kamera glänzen sieht.

Das heißt natürlich nicht, daß zu wenig nackte Frauen zu sehen sind. Das komplette Gegenteil ist der Fall: Die sind einfach dauernd nackt! Die ziehen sich überhaupt gar nie an! Die verlieren ihre Klamotten schneller als Britney ihre Unterwäsche! Ganz ehrlich: Nach acht Teilen Steeger-Retrospektive kann man keine nackten Frauen mehr sehen.

Nun mühen wir uns also geschmeidige 76 Minuten lang mit den kleinen Geschichtchen ab, die freilich an Banalität selten zu überbieten sind. Da freuen wir uns doch über den Anflug von Ehrlichkeit, mit dem der Fensterputzer zu Beginn erklärt: „Der Weg vom Depp zum Filmautor ist gar nicht so weit, wie Sie glauben“. Wissenschaftliche Abhandlungen über Metaebenen in Ingrid-Steeger-Filmen bitte durch die Nachtklappe einreichen.

Da sehen wir nun also eine blonde Frau eine halbe Fußballmannschaft in einer Waldhüttenorgie bei Laune halten – samt schwer metaphorischem Einsatz einer Schlange. Selbige Frau nimmt sich dann noch einen älteren Herren auf einer Jacht zur Brust; der setzt sie aus Dankbarkeit dann auf einer Insel aus. Eine Hostesse kümmert sich rührend um einen Radfahrer beim Sechs-Tage-Rennen. Zwei Frauen machen es sich auf einer Matratze ein wenig gemütlich, und die Sequenz wäre tatsächlich richtig erotisch, wenn nicht ein daneben sitzender Kerl in regelmäßigen Abständen Dümmlichkeiten von sich geben würde. Und dann ist da noch die Frau, die bei einer Agentur hereinspaziert und Model-Bindestrich-Schauspielerin werden will. „Aber ich will’s mit dem Talent schaffen!“, erklärt sie, und der nette Agent sagt: „Das haben Sie nicht nötig“.

So, und jetzt ist Schluß mit lustig. Man soll ja dann aufhören, wenn’s am schönsten ist – oder, wenn der Zeitpunkt schon vorbei ist, dann einfach acht Steeger-Rezensionen später. Zücken wir also in einem kurzen Anflug von Ergriffenheit ein Taschentuch, mit dem wir in diesem emotionalen Moment durch die Luft winken. Eine Träne wird im Knopfloch sichtbar, und irgendwo auf der Welt fallen sich zwei Menschen tröstenderweise in die Arme. Und natürlich ist jedes Ende, auch ein so trauriges wie das dieser Textreihe, gleichzeitig auch ein neuer Anfang: Die nächste Retrospektive kommt bestimmt. Steeger und Genzel danken für die Aufmerksamkeit und verabschieden sich. Und nicht vergessen: Abschalten!

Die Bett-Hostessen (Schweiz 1973)
Regie: „Michael Thomas“ (= Erwin C. Dietrich)
Drehbuch: „Manfred Gregor“ (= Erwin C. Dietrich)
Musik: Walter Baumgartner
Darsteller: Ingrid Steeger, Christa Free, Karin Hoffmann, Rena Bergen
Länge: 76 Minuten
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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