[Film] Blutjunge Verführerinnen (1971)

Uncategorized / 11. September 2007

Steeger und kein Ende! Im vierten Teil unserer Retrospektive wollen wir uns nun dem ersten Teil jener Reihe widmen, von der wir uns den zweiten Teil schon mit kritischem Auge zu Gemüte geführt haben – und weil die Filme eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben, macht das eigentlich auch gar keinen Unterschied. Previously on Ingrid-Steeger-Revue: Genzel guckt total viel nackten Blödsinn aus dem acht DVDs umspannenden Boxset, kalauert ein wenig herum und kommt weitestgehend zu dem Ergebnis, daß die Filme allesamt völliger Schmumpf sind.

Auch BLUTJUNGE VERFÜHRERINNEN wurde von Erwin C. Dietrich produziert, der sich wahrscheinlich Gedanken gemacht hat, was junge Mädchen und ältere Männer miteinander tun könnten, wenn die Kegelbahn geschlossen und der Hund die ganzen Mühle-Spielsteine gefressen hat. Das Ergebnis ist ein heiterer Omnibusfilm, der seine – ich mag es heute mal nicht Episoden nennen, sagen wir lieber: – Histörchen mit einer Rahmenhandlung verknüpft, in der eine Gruppe von Zeitschriftenredakteuren Geschichten zum Besten geben, die der Chefredakteur in einer neuen Artikelreihe „Blutjunge Verführerinnen“ veröffentlichen mag. Übrigens, hat es jemand gemerkt? Der obige Einschub – „ich mag es nicht Episode nennen“ – ist ganz im Sinne Reich-Ranickis geschrieben, der das Wort „Roman“ bei Mißfallen des Werkes auch immer nur noch mit ganz spitzen Fingern angefaßt hat. Wenn ich irgendwann einmal ein 16:9-Bild füllen kann und in einer cineastischen Debatte im Fernsehen hocke, werde ich mit Wonne seinem Vorbild folgen: „Sie fischen im Trüben, Kollege Schwarz.“

Aber ich schweife wohl ab. Jedenfalls spult der Streifen eine ganze Latte (was für ein, in unserem heutigen Kontext, ambivalentes Wort! Da fällt uns sicherlich ein paar Sätze später noch ein gelungener Wortwitz ein) quasi erotischer Geschichten ab, in der junge Mädchen sich so sehr nach der Zuneigung beliebiger Herrschaften sehnen, daß sie dafür ihr allerletztes Hemd geben. Wie jugendgefährdend diese aneinandergereihte Serie von Rüsselwestern tatsächlich ist, zeigt sich hervorragend an der Tatsache, daß der Film bei Erscheinen 1970 von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wurde, heute allerdings mit einer FSK-16-Freigabe davonkommt. Will heißen: Ein blanker Busen, ein nackter Po, ein bißchen Wackeln und ganz viel Schweineorgel, aber im Prinzip alles sehr unschuldig und fast züchtig.

Obwohl man ja etwas anderes vermuten könnte, hat sich der Film in Punkto Kreativität die Latte nicht sehr hoch gelegt (Tusch!), weshalb die Episoden meist eher nach altbekanntem Prinzip ablaufen. Merke: Es gibt keine Röcke, die über die darunter getragene Unterwäsche hinausreichen, es gibt keine unwilligen jungen Frauen, die eventuell an wildfremden Männer in der Straßenbahn gar nicht interessiert sind, und die Welt unterteilt sich strikt in Frauen mit Aussehen und Männer mit Charakter. Schwer befremdlich eine Episode, wo ein Tankwart jedem Volltanker noch in der Werkstatt seine willige Frau zur Verfügung stellt, richtig alltäglich dagegen der Part in der Straßenbahn, wo das rothaarige Mädchen lasziv ihren Lollipop lutscht, kurz darauf mit einem aufgerissenen Kerl über den Waldboden rollt und dieser ihr die Brüste knetet, als wolle er eine Lehmbüste von Stalin modellieren.

Ingrid Steeger taucht auch hier nur in einer einzigen Episode auf, in der sie ihre Klavierlehrerin erforscht. Allerdings ist der Klavierlehrerberuf ja ein bislang von der Report-Reihe schwer vernachlässigter Berufszweig, der in Punkto Aufklärungsbereitschaft ja den Stewardessen und Oberförstern in nichts nachstehen dürfte. Lustige Wortspiele für die Dialoge bieten sich im orchestralen Bereich ja überhaupt an („Frau Müller, ich überlasse Ihnen heute mal die Bläser“). Jaja, ich weiß schon: Das Niveau, das Niveau. Genzel, in die Ecke stellen und schämen. Was kann man tun, man paßt sich an.

Aber wir schweifen ja schon wieder ab. Obwohl es eigentlich gar nicht mehr wirklich viel zu sagen gibt – außer vielleicht, daß sich zum Schluß noch die Sekretärin des Chefredakteurs ganz wollüstig entblößt, nachdem wir in einem SIXTH-SENSE-ähnlichen Twist darauf gekommen sind, daß alle Redakteure die Geschichten, die sie erzählt haben, am eigenen Leibe erlebt haben! Jetzt mockieren wir uns aber gar nicht mal, schließlich sind die VERFÜHRERINNEN weitaus harmloser und mit zugekniffenem Hühnerauge unterhaltsamer als der schon beäugte LÜSTERNE TÜRKE. Da brauchen wir uns gar nicht so sehr auf das fehlende Niveau zu versteifen (doppelter Tusch!).

Teil fünf unserer immer alberner werdenden Steeger-Retrospektive wird übrigens der aufrechte Kollege Schwarz übernehmen, der sich mit nüchternem Blick den Streifen ICH, EIN GROUPIE vorknöpft. Das macht er, weil er selber Rockstar ist. Wir dürfen gespannt sein!

Blutjunge Verführerinnen (Deutschland/Schweiz 1971)
Regie: „Michael Thomas“ (= Erwin C. Dietrich)
Drehbuch: Manfred Gregor (= Erwin C. Dietrich)
Musik: Walter Baumgartner
Produktion: Avco / Afiba
Darsteller: Ingrid Steeger, Evelyne Traeger, Renate Pelster, Rena Bergen, Margit Sigel
Länge: 80 Minuten
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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