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WHAT A MAN: Beziehungsklischees von Til Schweighöfer

What a Man, dieser Til Schweiger: erfolgreicher Filmstar mit Millionenpublikum, Autor, Produzent, Regisseur und regelmäßiger Lieferant bundesdeutscher Komödienhits. Diese Filme bieten immer wieder ein Potpourri aus Beziehungsnöten, Mainstream-Soundtrack, Derbheiten und ganz vielen Witzen über die Geschlechter: Männer! Und Frauen! Total unterschiedlich, die alle! KEINOHRHASEN, ZWEIOHRKÜKEN, WHAT A MAN: Da wird mit Ausdauer in dieselbe Kerbe geschlagen. Aber hoppla – hinter letzterem Film steckt ja gar nicht der Schweiger, sondern dessen Spezi Matthias Schweighöfer. Das merkt man hauptsächlich daran, daß Schweigers Kinder nicht mitspielen.

In der Tat sind Schweigers Komödienerfolge das primäre Vorbild für Schweighöfer, der mit WHAT A MAN sein Debüt als Regisseur, Autor und Produzent absolviert und darin auch die Hauptrolle spielt. Schon die Handlung läßt auf den üblichen Stereotypen-Humor der zuvor erwähnten Filme schließen: Der Lehrer Alex ist ein lieber Softie, der von seiner Freundin Carolin herumkommandiert und irgendwann vor die Tür gesetzt wird. Er zieht zu seiner besten Freundin Nele auf die Couch und will sich daran machen, endlich ein richtiger Mann zu werden – dabei hilft ihm sein Freund Okke, der ihn im Alphatierverhalten coacht und mit ihm ab sofort das Nachtleben unsicher macht. Dann merken Alex und Nele aber, daß sie Gefühle füreinander haben …

Tja, wo fängt man an? Schlimm genug, daß der deutsche Film einmal mehr in die Mottenkiste abgestandener Geschlechterklischees greifen muß, um daraus erneut schlichteste Allgemeinplätze über Männer und Frauen zu stricken. Es muß wahrlich Millionen von Menschen geben, die sich und ihre Welt in solchen Schubladen wiederentdecken und dann mit dem Finger auf die Leinwand zeigen: Haha, genau, Frauen stehen auf Arschlöcher! Hihi, ganz richtig, Frauen sind dauernd auf Diät! Hoho, ja wirklich, als Mann weiß man heutzutage gar nicht mehr, wie man sich verhalten soll!

Auch den zotigen Humor der Schweiger-Filme findet man hier in aller Ausführlichkeit. Da wird gepinkelt und gekotzt, dicke Dildos werden aufgefahren, der coole beste Freund darf vom Ficken reden, und eine wahnsinnig wirkende Frau sprüht sich Schlagsahne auf ihre große Oberweite und drückt Schweighofers Gesicht hinein, bis ihm schlecht wird. Da sitze ich manchmal da und frage mich, ob ich hoffnungslos altmodisch bin, wenn ich mir nicht wiehernd auf die Schenkel klopfe, sobald jemand „Analspreizer“ sagt. Aber dann fällt mir ein, daß ich beispielsweise die Obszönitäten von Mel Brooks absolut komisch finde – was vielleicht daran liegt, daß Brooks damit einen Witz baut und nicht davon ausgeht, daß die pure Erwähnung eines bösen Wortes zur Pointe reicht.

Unter dem angeblich augenzwinkernden Spaß sitzt natürlich das beinharte Spießbürgertum. Durch seine Überzeichnung tut WHAT A MAN ein wenig so, als würde er sich über die Klischees lustig machen, aber in der Tat zementiert er sie nur in sein altbackenes Weltbild: Der Mann darf wachsen und Mumm entwickeln, die Frau darf emotional verwirrt sein und sich dann durch große Gesten erobern lassen, und außerdem ist es ganz wichtig, man selbst zu sein, jaja. Dazu gesellt sich eine perfide unterschwellige Misogynie: Abgesehen von Nele scheinen die Frauen hier allesamt einem Gruselkabinett entsprungen zu sein. Carolin, die kaltherzige Ex-Freundin und natürlich ein oberflächliches Model, ist so haßerfüllt und boshaft, daß man sie unmöglich als Mensch wahrnehmen kann; die erwähnte Schlagsahnensprüherin scheint nicht nur irre zu sein, sondern läßt sich von Nele als Gefallen als Liebhaberin auf Alex ansetzen. Nele selbst ist sympathisch, weil Sibel Kekilli sie mit Charme spielt, aber dennoch darf sie sich als Spleen selber kleine Zettel schreiben und als Überraschung auf den Frühstückstisch legen.

Inszeniert ist WHAT A MAN genauso wie jeder andere Film von Til – Moment, das müssen wir wohl umformulieren. In der Inszenierung folgt Schweighöfer ebenso seinem Vorbild: Die hübsch ausgeleuchteten Bilder sehen aus, als würden sie Werbung für sich selber machen, und die Schauspieler sind brav im Bild, damit sie ihre Dialoge aufsagen können. Darüber wird ein Dauersoundtrack aus hochkommerziellem Gefühlspop gelegt, der so sehr Mainstream ist, daß Jake Bugg im Vergleich wie ein Experimentalmusiker aus dem Underground wirken würde. Manchmal schleichen sich ein paar nette Einfälle ein – zum Beispiel die Sequenz, in der Alex einem Mensch im Pandakostüm nachläuft, weil er glaubt, es sei Nele, und dann zu einer Versammlung von einem Dutzend Leuten mit demselben Kostüm sprechen darf. Um den Zuseher mit soviel Kreativität aber nicht zu überfordern, darf Alex dann seiner großen Liebe zum Flughafen hinterherhetzen, weil die ans andere Ende der Welt ziehen will – ehrlich, das ist eine Plotentwicklung, die ich bestimmt schon seit ein paar Wochen nirgendwo mehr gesehen habe.

Fast zwangsläufig wandern die Gedanken beim Ansehen von WHAT A MAN zu den feinen und dennoch hochkomischen Beobachtungen, die Großmeister wie Woody Allen oder Loriot zu diversen Beziehungsproblemen anstellen. Aber eigentlich muß man gar nicht so hoch greifen – es würde ja das Level von Nora Ephron schon reichen. Stattdessen kriegen wir Mario Barth. Männer! Frauen! Lacht schon wer?

 

What a Man (Deutschland 2011)
Regie: Matthias Schweighöfer
Buch: Matthias Schweighöfer, Doron Wisotzky
Musik: Peter Horn, Andrej Melita
Kamera: Bernhard Jasper
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Sibel Kekilli, Elyas M’Barek, Mavie Hörbiger, Thomas Kretschmann, Nora Jokhosha, Pasquale Aleardi, Milan Peschel, Antoine Monot, Katharina Schüttler

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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