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[Game] King’s Quest V: Absence Makes the Heart Go Yonder! (1990)

Nachdem Sierra 1988 mit KING’S QUEST IV: THE PERILS OF ROSELLA ihr Spielsystem generalüberholt und wenig später auch ein Remake des Erstlings im selben Look veröffentlicht hatten, war es kurz darauf schon wieder an der Zeit, mit selbiger zu gehen: Innerhalb der zwei Jahre seit dem vierten Teil der Reihe war die Technik schon wieder so weit fortgeschritten, daß die SCI-Engine überholt aussah. 1990 waren VGA-Karten mit 256 Farben allgegenwärtig, ebenso wie mittlerweile die meisten PCs mit Soundkarten bestückt waren. Und so bastelte das Sierra-Team eine neue SCI-Version und koppelte die Premiere des neuen Systems einmal mehr an die Flagschiffserie des Hauses.

Nachdem in den Teilen III und IV die Kinder von König Graham aktiv werden durften, drehte sich die Story von KING’S QUEST V: ABSENCE MAKES THE HEART GO YONDER! wieder um Graham selbst. Der kommt eines Tages von seinem Morgenspaziergang zurück und muß feststellen, daß sein Schloß mitsamt darin befindlicher Familie einfach verschwunden ist. Die vorbeifliegende Eule Cedric erläutert ihm, daß Haus und Hof vom finsteren Zauberer Mordack gemopst wurden – weswegen Graham ins Land Serenia aufbricht, um sich dem misanthropen Magier zu stellen und seine Familie zu retten.

KING’S QUEST V ist ein absolutes Präsentationswunder. Die Grafik erstrahlt so prachtvoll, daß man sich jedes einzelne Bild einrahmen möchte. Ob düsterer Zauberwald, öde Wüste, heimeliges Dorf, schneebedeckter Berg, glitzernder Sandstrand oder bedrohlicher Hort des Bösen: Die einzelnen Orte sind absolut liebevoll gezeichnet und stimmungsvoll präsentiert. Auch die Animationen der einzelnen Figuren können da mithalten – ob Graham Ameisen abschüttelt, die ihm ins Hosenbeim kriechen, oder in die Fänge einer fleischfressenden Pflanze gerät: In KING’S QUEST V wird Roberta Williams‘ Märchenwelt wie in einem Zeichentrickfilm zum Leben erweckt.

Nicht minder gelungen ist die musikalische Komponente: Die Hauskomponisten Ken Allen und Mark Seibert steuern zahlreiche Stücke bei, die das Spielerlebnis intensivieren – beispielsweise das düstere Thema im tödlichen Zauberwald – oder als Ohrwürmer fungieren, wie zum Beispiel die Melodie, die bei einer Gruppe Banditen in einem Wüstenzeltplatz ertönt. Sierra hatten sich seinerzeit auf die Fahnen geschrieben, möglichst filmnahes Spiele-Entertainment zu bieten, und in der Gestaltung kommt KING’S QUEST V diesem Ziel – gemäß den technischen Möglichkeiten von 1990 – näher als die meisten Konkurrenzproduktionen.

Was das Spieldesign angeht, kann Teil 5 der Fantasyserie allerdings nicht so unumwunden besungen werden: Mit dem neuen System schaffte Sierra den Parser ab und setzte auf ein Icon-System. Anstatt also Befehle einzutippen und zu hoffen, daß der Computer den Spieler versteht, wählt man hier aus einer kleinen Anzahl von Icons aus (sehen, benutzen, gehen, reden) und klickt damit auf Elemente im Bild. Ja, Lucasfilm Games hatten das schon drei Jahre zuvor mit MANIAC MANSION gekonnt vorgemacht – und trotzdem ging die Umstellung bei KING’S QUEST V auf Kosten der Spieltiefe: Es mag durchaus hilfreich sein, daß man nicht mehr an den richtigen Formulierungen scheitern kann (gerade KING’S QUEST IV hat sich da in manchen Sequenzen so dämlich gestellt, daß man nie sicher sein konnte, ob man nicht eh die richtige Lösung meint und nur die falschen Worte dafür verwendet), aber mit der Reduktion auf eine Handvoll Icons werden natürlich auch die meisten ungewöhnlichen Puzzles über Bord geworfen. Im Zweifelsfall klickt man alles mal an und benutzt überall seine Gegenstände – irgendwo wird’s schon weitergehen.

Um dem entgegenzuwirken, wurden die Puzzles in KING’S QUEST V wieder mit zahlreichen Möglichkeiten für Sackgassen versehen. Will heißen: Man vergißt einen Gegenstand oder verwendet ihn an der falschen Stelle und kann das Spiel somit nicht mehr lösen – was man aber teilweise erst viel später merkt. Halb so tragisch, wenn nicht diverse Puzzles zwischen banal und absurd schwanken würden: Bär und Honig, Hund und Stock – das erfordert wenig Kombinationsgabe; wie dafür der später im Spiel auftauchende Yeti besiegt oder wie Mordacks Zaubermaschine aktiviert werden kann, das läßt sich nur durch Ausprobieren herausfinden, nicht durch logische Deduktion oder entsprechende Hinweise im Spiel.

Das ist kein absoluter Genickbruch – es ist nur schade, daß das Spieldesign nicht auf einer Stufe mit der Präsentation steht. Letztere sorgt immerhin dafür, daß das Erkunden der Spielwelt stets Spaß macht und den Spieler bei der Stange hält, auch wenn immer mal wieder wegen schlecht konzipierter Puzzles der Frust aufkommt. Dafür schafft es Designerin Roberta Williams aber, die Geschichte von KING’S QUEST V gelungen an die Vorgänger anzubinden – die ja mitunter sehr eigenständig fungierten: Im Laufe der Geschichte entpuppt sich Mordack nämlich als der Bruder des Zauberers Manannan, der im dritten Teil Grahams Sohn Alexander gefangenhielt. Und das Land Serenia ist eingefleischten Sierra-Fans vielleicht aus dem frühen Adventure WIZARD AND THE PRINCESS ein Begriff – das auch unter dem Titel ADVENTURE IN SERENIA vermarktet wurde.

Abgesehen von der 256-Farben-VGA-Version wurde übrigens eine abgespeckte 16-Farben-EGA-Variante veröffentlicht – die mit den heruntergerechneten Grafiken natürlich einen der größten Pluspunkte des Spiels vernichtet. Zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung brachte Sierra das Spiel übrigens nochmal als CD-ROM auf den Markt und nutzte KING’S QUEST V somit erneut, um eine technische Neuerung vorzustellen: In der CD-Variante sind nämlich alle Texte und Dialoge gesprochen (das allerdings noch hauptsächlich von Teammitgliedern, nicht von Profisprechern, weswegen diese Fassung von KQ5 keinen allzu guten Ruf genießt – vor allem wegen Cedrics an den Nerven kratzender Stimme).

Wenn man genug Toleranz für einerseits undurchsichtige und andererseits höchst simpel gestrickte Puzzles mitbringt, unterhält KING’S QUEST V mit seiner umwerfend schönen Optik und der stimmungsvollen Musik durchaus. Wer die Präsentation auch gerne mit besserem Spieldesign erleben will, sieht sich aber doch vielleicht eher den zwei Jahre später veröffentlichten sechsten Teil der Königssaga an.



Die Screenshots stammen von der Seite Sierra Chest.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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