STAR WARS – DIE LETZTEN JEDI: Eine Fackelübergabe

Neuer als alt / Uncategorized / 20. Juni 2018
Mark Hamill in STAR WARS - DIE LETZTEN JEDI

Der achte Teil der KRIEG-DER-STERNE-Saga hat für erhitzte Diskussionen gesorgt. Mein hochgeschätzter Gastautor Dr. Wily wagt sich an DIE LETZTEN JEDI heran und zeigt, wie sich der Film vom Alten im STAR-WARS-Universum verabschiedet.

Jeder STAR-WARS-Geschichte wohnen zwei große Elemente inne. Manche der Filme vermischen sie zu einem Ganzen, wie etwa das Original, KRIEG DER STERNE, oder DAS ERWACHEN DER MACHT. Andere reduzieren das eine und überbetonen das andere Element, wie zum Beispiel ROGUE ONE. DIE LETZTEN JEDI teilt diese zwei Elemente fein säuberlich auf zwei Handlungsstränge auf. Diese Trennung führt dazu, daß es beim Ansehen sehr schnell um gefühlte Balance geht. Je nach Vorlieben des Zuschauers wird er oder sie einen Part sehr spannend und den anderen eher weniger aufregend finden.

Da gibt es den eher kindlichen Teil, in dem junge Menschen spannende Abenteuer in faszinierenden Welten erleben und dort kuschelige Tiere treffen, die es dann auch als Spielzeug zu kaufen gibt. Dieser Teil entspinnt sich hier rund um Finn (John Boyega) und Rose (Kelly Marie Tran). In ihrer Geschichte landen sie nämlich auf einem glamourös glitzernden Casinoplaneten, auf dem im Namen der Unterhaltung für die reiche Oberschicht Tiere gequält und Kinder unterjocht, geschlagen und ausgebeutet werden. Rose und Finn werden die Unterdrückten befreien, und diese Unterdrückten werden zur nächsten Generation der Rebellen heranwachsen. Eine Generation, die sich die Geschichten über die ruhmreichen Heldentaten von Luke Skywalker erzählt und sich davon inspirieren lässt.

An diesen Strang angehängt ist die Geschichte des Rebellenpiloten Poe (Oscar Isaac), der hier bedeutend weniger und Unwichtigeres zu tun hat als noch in DAS ERWACHEN DER MACHT. Ohne zuviel ins Detail gehen zu wollen, ist dieser ganze Part, immerhin die Hälfte des Films, erzählerisch eine problematische Angelegenheit. Rose und Finns eben erwähnte Mission ist nämlich innerhalb der Geschichte keine unwichtige. Ihr Scheitern bringt die Rebellen in große Gefahr und legt dadurch den großen Showdown des Films auf. Die Mission entsteht aber erst aus der Hitzköpfigkeit Poes gegenüber den Kommunikationsfehlern der Rebellenadmiralität, die auf seine wiederholten Fragen keine Antwort gibt, sondern Unterordnung verlangt. Im besten Fall kann man argumentieren, daß sich hier die Rebellenführung auf das Funktionieren der Befehlskette verläßt (was man in Filmen wie diesem nie tun sollte) und deshalb keinem in der Truppe erklärt, daß der Plan eh von Anfang ist, alle in Sicherheit zu bringen. Warum das nicht transparent kommuniziert werden konnte, bleibt schleierhaft. Eine mögliche Antwort liegt in folgendem Gedankenspiel: Poe hätte dann nicht einen eigenen Plan schmieden und Rose und Finn auf eben jene Mission schicken müssen, was wiederum dazu geführt hätte, daß es den kompletten Handlungsstrang nicht gegeben hätte. Daher ist der Verdacht naheliegend, daß das Drehbuch hier eine Ungereimtheit akzeptiert hat, um einen halben Film zu bekommen.

Adam Driver als Kylo Ren
Wird nie Darth Vader: Kylo Ren (Adam Driver).

Das zweite der oben angesprochenen Elemente ist der eher erwachsene, spirituell-philosophische Teil, der sich rund um die Macht und die Religion der Jedi dreht. Dieser Teil wird hier von Rey (Daisy Ridley), Kylo Ren (Adam Driver) und dem zurückgekehrten Luke Skywalker (Mark Hamill) bestritten. Rey hat Luke schon am Ende von EPISODE VII in seinem Exil gefunden und will ihn nun überzeugen, zurückzukehren und der Rebellion wieder einmal bei der Befreiung der Galaxie zu helfen. Zugleich erhofft sie sich Antworten in Bezug auf die Macht und ihre Rolle in dem ganzen Geschehen. Rey sucht einen Meister, Luke will aber keine Schüler mehr. Gleichzeitig sucht auch Kylo Ren, früher Lukes Schüler, seinen Onkel, um eine alte Rechnung zu begleichen. Durch eine spezielle Verbindung zwischen Rey und ihm, bei der auch wieder die Macht eine mysteriöse Rolle spielt, hofft er, Rey manipulieren zu können und Skywalker aufzustöbern. Wobei Kylo offenbar selbst nicht alles versteht, was die Macht hier so anstellt.

Die Geschichte von DIE LETZTEN JEDI ist sehr viel mit dem Abschließen des Alten beschäftigt. Luke wirft als erste Handlung das Laserschwert weg, das Rey ihm ehrfürchtig überreicht. Kylo zertrümmert seinen Helm, weil er nie Darth Vader werden wird, sondern ein eigenständiger Bösewicht. Er sagt sogar, daß das Alte sterben soll. Luke will ebenfalls die Jedi sterben lassen. Sie haben immer nur zu mehr Unglück in der Galaxie beigetragen. Seiner Meinung nach ist die Macht nicht in Balance zu halten. Je mehr Jedis es gibt, desto mehr Siths wird es geben und der Konflikt wird eskalieren. Er will sogar die uralten, heiligen Texte der Jedi verbrennen. Der Film, so wie die gesamte neue Trilogie, arbeitet auf die Fackelübergabe hin, die vielleicht auch endlich die STAR-WARS-Geschichte von der Skywalker-Familie trennt. Ich fand es mit zunehmender Anzahl der Filme und Größe dieses Universums immer seltsamer, daß sich das Schicksal der gesamten Galaxie rund um die Blutlinie dieser einen Familie abspielt.

Die Alten sollen also abtreten, die Jungen sollen übernehmen. Es geht da auch um zwei Generationen von Fans. Die alten, die seit den Anfängen dabei sind, von den Prequels vielleicht (oder auch nicht, aber eher schon, was man so hört) enttäuscht waren und nun auf eine erneute Verzauberung hoffen, wie sie ohnehin nur in der Kindheit möglich ist. Sie haben lange auf Luke und Leia und Han gewartet. Alle drei Figuren bekommen schöne und würdige Abschiedsvorstellungen. Han Solo, den Harrsion Ford schon in den 1980ern geopfert sehen wollte, hatte sie bereits in DAS ERWACHEN DER MACHT. Die unangefochtene Anführerin der Rebellion, Leia, die sich hier wohl zwangsläufig verabschiedet, weil Carrie Fisher nach Drehende verstorben ist, zeigt hier nicht nur, daß auch sie im Besitz der Macht ist, sondern überläßt ihren Leitsatz „Möge die Macht mit dir sein“ symbolisch jemand anderem. Sie habe ihn ohnehin schon so oft gesagt hat, meint sie. Noch einmal sehen wir die Geschwister Luke und Leia zusammen. R2D2 spielt Luke noch einmal das Hologramm der jungen Leia vor, den Anfang von allem. C3PO darf seinen alten Herrn noch einmal ehrfurchtsvoll mit „Master Luke“ begrüßen. Sogar Luke und Yoda treffen sich noch einmal, und Yoda darf seinem ehemaligen Schüler eine letzte seiner schelmischen Lektionen erteilen. DIE LETZTEN JEDI ist so auch eine Geschichte übers Älterwerden. Jeder, der älter wird, lernt, daß die Ideale der Jugend im Laufe des Lebens mehr als nur einer harten Prüfung ausgesetzt sind. Da paßt es auch, daß Luke bitter geworden ist und an der Welt zweifelt. Es braucht die junge Rey, die ihm den Glauben an die Macht zurückgibt. Dafür kann er sie anleiten und ausbilden. „Wir sind, worüber sie hinauswachsen“, erklärt Yoda Luke, „das ist die Bürde aller Meister“. Es ist auch die Bürde aller Eltern. Und die hatten es im STAR-WARS-Universum schon immer schwer, denn STAR WARS war auch immer eine Geschichte der jungen Helden, die ausziehen, um die Welt, in dem Fall die Galaxie, zu erobern.

Carrie Fisher als Leia
Noch ein Abschied: Carrie Fisher als Leia.

Und doch darf Luke und nicht unsere Heldin Rey (die hat ihren großen Auftritt schon davor) hier noch einmal das Grande Finale bestreiten (ganz nebenbei – wann bekommt man so ein faltiges, zerfurchtes Gesicht wie das von Mark Hamill denn noch im Kino zu sehen, noch dazu in Nahaufnahme?). Im Showdown mit Kylo Ren zeigt uns der alte Luke ein paar Macht-Spiele, die er sich in den vergangenen 34 Jahren Jedistudium so angeeignet hat, und rettet die letzten verbleibenden Rebellen. Es ist ein Laserschwertduell, in dem sich die Schwerter kein einziges Mal berühren. Einer dieser vielen Momente, in denen Regisseur Rian Johnson versucht, nicht das zu machen, was sieben Filme davor auch schon gemacht haben, sondern sich bemüht, die vorhandenen Versatzstücke etwas neu zu arrangieren und zu deuten. In einem anderen kurzen Moment erklärt eine Nebenfigur, daß die wahren Gewinner dieses Sternenkrieges ohnehin die Waffenhändler sind, die sowohl an First Order als auch an die Rebellen verkaufen. Gut und Böse als einfache Gegensätze gäbe es nicht mehr.

Dazu paßt auch die dezente Neuausrichtung der Macht als Konzept. Nicht nur kann Leia durchs All schweben. So können auch Rey und Kylo einander über weite Distanzen sehen und miteinander kommunizieren, was wie eine Mischung aus Astralprojektion und Telepathie anmutet, aber doch mehr als das ist. Nicht zu vergessen Lukes schon erwähnte Zauberei im Showdown. Die Macht hat sich immer wieder der Zeit seines Publikums angepaßt. Von der Suche nach dem Licht, dem Hellen, Reinen, Guten als Gegensatz zum Dunklen und Bösen in den 1970er Jahren, wo man die Ausläufe der Hippie-Gegenkultur ebenso finden kann wie die uralten Mythen, an denen sich George Lucas damals orientiert hat, über die eher biologische Definition der Prequels sind wir jetzt bei Ambivalenzen und dem inneren Konflikt angelangt, der uns menschlich macht. Licht und Dunkel leben beide in uns, aber solange wir mit uns kämpfen, zögern, zweifeln, zaudern, uns ängstigen und beinahe den Glauben verlieren, so lange lebt auch die Chance auf das Gute in uns. Verloren sind wir dann, wenn wir in Extreme kippen, zu moralischen, spirituellen und intellektuellen Fundamentalisten werden. Jede Zeit braucht ihre Macht.

Passend dazu empfehlen wir auch unseren Lichtspielplatz-Podcast über das STAR WARS HOLIDAY SPECIAL sowie die Gedanken unseres Gastautors Bastian G. zu ROGUE ONE.


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Star Wars – Die letzten Jedi (USA 2017)
Originaltitel: Star Wars: The Last Jedi
Regie: Rian Johnson
Buch: Rian Johnson
Musik: John Williams
Kamera: Steve Yedlin
Darsteller: Mark Hamill, Carrie Fisher, Adam Driver, Daisy Ridley, John Boyega, Oscar Isaac, Andy Serkis, Lupita Nyong’o, Domhnall Gleeson, Anthony Daniels, Laura Dern, Benicio Del Toro, Frank Oz (Stimme), Justin Theroux

Hauptbild: Photo: John Wilson, (C) 2015 Lucasfilm Ltd. & ™, All Rights Reserved.
Restliche Bilder: Lucasfilm Ltd., (C) 2017 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved.






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Dr. Wily
Dr. Wily mag das Alte. Selbst aktuellen Entwicklungen in Musik, Film, Literatur und Computerspiel gibt er oft Monate bis Jahre Zeit, um sich von ihnen einnehmen zu lassen. Mit zunehmendem Lebensalter zieht es ihn vermehrt zu Horror- und Mysterygeschichten hin, nur um sich dann seine Seele doch wieder von Richard Linklater, Jim Jarmusch, Jack Kerouac, Jackson Browne, Paul Simon oder J.D. Salinger streicheln zu lassen. Außerdem kann er nach 15 Jahren Spielpause MEGA MAN 2 aus dem Stand bis ins vorletzte Level durchspielen.





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