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STOLZ UND VORURTEIL & ZOMBIES: Jane und Austen & Ironie

Bella Heathcote und Lily James rüsten sich für den Kampf

Gastautor Dr. Wily rührt zwar Jane-Austen-Romane nur mit der Kneifzange an, aber springt schon mal über seinen Schatten, wenn ein paar Zombies in die Geschichte stolpern. Im folgenden Beitrag berichtet er, warum ihn STOLZ UND VORURTEIL & ZOMBIES dann doch enttäuschte.

PRIDE AND PREJUDICE AND ZOMBIES anzusehen ist ein What-If-Spiel. Was wäre gewesen, wenn der Film so übergeschossen wäre, wie es die Prämisse anbietet? Bei ABRAHAM LINCOLN VAMPIRJÄGER war das ja sehr unterhaltsam. Oder was wäre gewesen, wenn man daraus eine Gesellschaftsbetrachtung gemacht hätte? Über die damalige Zeit, diese Welt des Heiratsmarktes, der weggesperrten Gefühle und die Enge der gesellschaftlichen Ritualspiele, in der niemand so recht weiß, was sie oder er eigentlich fühlt, fühlen soll oder fühlen darf, und gleichzeitig aber jeder weiß, was er oder sie als nächstes zu tun hat, ob man nun will oder nicht. Hätte da der Zombie nicht ein schönes Bild für etwas Urwüchsiges, nicht mehr Kontrollierbares sein können, das brutal und heftig durchbricht? In einem Kontext, den man so noch selten gesehen hat? Das hätte durchaus auch dann noch den Humor behalten können.

Eine befreundete Literaturwissenschaftlerin hat mir erklärt, daß Jane Austen in ihren Geschichten auch an der sozialen und finanziellen Situation der Frauen ihrer Zeit interessiert war. Eine Heirat sei damals die einzige Möglichkeit gewesen, versorgt zu sein, weil das System den Frauen keine Möglichkeit zugestand, sich selbst zu versorgen. Als Erzählvehikel für Gesellschaftskritik hat der Zombie ja schon öfter gut funktioniert. Vielleicht hätte man sogar eine kleine Brücke ins Jetzt schlagen können.

Bella Heathcote und Lily James im Kampf gegen Zombies
Der Film erlaubt sich gewisse Freiheiten, was die Jane-Austen-Vorlage angeht.

All das hätte interessantere Filme ergeben. Nicht, daß mir STOLZ UND VORURTEIL & ZOMBIES unsympathisch gewesen wäre. Ich kann zwar mit Jane Austens Geschichten wenig anfangen, aber mit Zombies hab ich es über die Laufzeit gut ausgehalten. Ich mag die Cast, die das sehr gediegen und mit sichtlichem Spaß spielt. Das knappe Budget kaschiert der Film über weite Strecken gut, und auch die eine oder andere poetisch-gruselige Szene bringt er hin. So ganz in die Vollen geht er mit seiner aufgelegten Prämisse aber leider nie. Wo der oben erwähnte ABRAHAM LINCOLN VAMPIRJÄGER die wahre Geschichte seiner Hauptfigur sehr respektlos mit Vampiren vermischt, bleiben die beiden Welten hier getrennt. Es gibt die Liebesgeschichte, und es gibt die Zombieapokalypse. Beide würden auch ohne das andere funktionieren.

Den Schauer, den Untote vor der Kulisse dieses alten Englands erzeugen könnten, einer Zeit, in der Aberglaube noch Sinn gemacht hat, nutzt der Film zu wenig. Er führt die vier Reiter der Apokalypse ein, um sie dann zwei, drei Mal im Bild herumstehen zu lassen. Er läßt die Bennet-Schwestern knallharte Zombiekämpferinnen sein, die in Martial Arts ausgebildet sind – einer damals neuen, modernen Kampftechnik, wie uns der Film erzählt. Eine Actionsequenz, die mit dieser neuen Technik aus der porträtierten Zeit fällt, sich über Physik und das Genre des Kostümdramas erhebt oder es gar bricht, fehlt leider. Vielleicht hat auch einfach das Geld nicht gereicht. Nun würden diese Punkte nicht wie Leerstellen wirken, wenn der Film versuchen würde, uns ein ernsthaftes Drama zu erzählen. Über Endzeit. Oder Liebe. Oder beides. Doch wie es der Titel verrät: Es ist alles Ironie. Der Film ist sich dem auch zu jeder Sekunde bewußt. Er kaschiert es nicht, entlockt dem Set-Up diverse komische Situationen, macht aber zu wenig daraus.

Lily James im Kampf gegen die Untoten
„Wie bitte, ich soll VERSTAND UND GEFÜHL auch noch lesen?“

Meine befreundete Literaturwissenschaftlerin, die sich mit Jane Austen besser auskennt als ich, hat mir außerdem erklärt, daß Austen das Sentimental-Novel-Format ihrer Zeit verwendete, um Gesellschaftssatiren zu schreiben. Sie dürfte damit auch zwischen zwei literarischen Traditionen stehen. Vielleicht ist PRIDE AND PREJUDICE AND ZOMBIES also Satire und ganz nahe am Ausgangsmaterial? Spinnt nur den Gedanken von Jane Austen weiter ins 21. Jahrhundert? Steht auch zwischen zwei filmischen Traditionen? Und ich als Jane-Austen-Banause konnte es nicht erkennen?
Möglich ist vieles. Wahrscheinlich ist aber das Augenscheinliche: PRIDE AND PREJUDICE AND ZOMBIES verläßt sich völlig auf sein Gimmick, das schon im Titel steht und als Idee den Film tragen soll. Es ist eben nur STOLZ UND VORURTEIL. Mit Zombies.


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Stolz und Vorurteil & Zombies (USA 2016)
Originaltitel: Pride and Prejudice and Zombies
Regie: Burr Steers
Buch: Burr Steers
Kamera: Remi Adefarasin
Musik: Fernando Velázquez
Darsteller: Lily James, Sam Riley, Bella Heathcote, Ellie Bamber, Millie Brady, Suki Waterhouse, Douglas Booth, Charles Dance, Lena Headey

Alle Bilder stammen von der offiziellen Website des Films.
 

Dr. Wily
Dr. Wily mag das Alte. Selbst aktuellen Entwicklungen in Musik, Film, Literatur und Computerspiel gibt er oft Monate bis Jahre Zeit, um sich von ihnen einnehmen zu lassen. Mit zunehmendem Lebensalter zieht es ihn vermehrt zu Horror- und Mysterygeschichten hin, nur um sich dann seine Seele doch wieder von Richard Linklater, Jim Jarmusch, Jack Kerouac, Jackson Browne, Paul Simon oder J.D. Salinger streicheln zu lassen. Außerdem kann er nach 15 Jahren Spielpause MEGA MAN 2 aus dem Stand bis ins vorletzte Level durchspielen.

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