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[Film] Das Testament der Begierde (1990)

Was für ein schnuckeliger deutscher Titel: DAS TESTAMENT DER BEGIERDE. Das klingt nach pikantem Schmuddelroman, nach wunderbar halbseidenem Groschenheft – und genau so fühlt sich dieser Film auch an. Ein bißchen Sex und eine Menge schmutziges Familiendrama – und mittendrin die Autorin Sarah Asproon, die nach ELF TAGE, ELF NÄCHTE (1986) und TOP MODEL (1988) von Regisseur Joe D’Amato ein drittes Mal auf erotisch angehauchte, ähem, Recherche geschickt wird.

Wobei sich die Frage stellt, ob DAS TESTAMENT DER BEGIERDE tatsächlich als dritter Teil der Sarah-Asproon-Reihe verstanden werden darf. Auch wenn TOP MODEL recht deutlich als Fortführung des 9½-WOCHEN-Ripoffs ELF TAGE, ELF NÄCHTE konzipiert war, wird doch dieser Film hier als UNDICI GIORNI, UNDICI NOTTI 2 verkauft – also als zweiter Teil der Reihe. Nun wird aber die gute Sarah Asproon hier nicht mehr von Jessica Moore gespielt, sondern von Playmate Kristine Rose – und Laura Gemser taucht wieder als Sarahs Verlegerin auf, heißt aber diesmal nicht Dorothy Tipton (wie noch in ELF TAGE und TOP MODEL), sondern Jackie Forrest. Um die Verwirrung zu komplettieren, wurde der Film in England als 4. Teil vermarktet (WEB OF DESIRE: ELEVEN DAYS, ELEVEN NIGHTS 4), während ein anderer D’Amato-Film (AFTERNOON – STUNDEN DER LEIDENSCHAFT) als Part 3 herhalten mußte.

Sei’s drum: Sarah wirft sich also wieder in ein neues Abenteuer und stellt erneut Nachforschungen für ein weiteres Enthüllungsbuch an: In ELF TAGE, ELF NÄCHTE arbeitete sie ja an dem Buch „Meine 100 Liebhaber“; in TOP MODEL plante sie ein Buch über Eskortagenturen und Prostitution (oder vielleicht einfach über pathologischen Kleidungsverlust, wer weiß das schon so genau). Letzteres scheint aber nie erschienen zu sein, weil Sarah an einer Stelle des Films davon redet, bislang nur ein Buch geschrieben zu haben – wobei es natürlich sein könnte, daß TOP MODEL aus der Reihe gestrichen wurde, um diesen Film hier als ordentlichen zweiten Teil verkaufen zu können, oder aber daß Sarah das zweite Buch immens peinlich ist und sie es deswegen unterschlägt.

Diesmal muß sich Sarah um die Durrington-Familie kümmern. Deren steinreicher Patriarch Lionel Durrington ist nämlich dahingeschieden, und weil er schöne Erinnerungen an Sarah aus einer Kreuzfahrt hat, hat er sie als Testamentsverwalterin bestimmt: Sie hat elf Tage (aha!) Zeit, um aus den sechs erbberechtigten Verwandten einen auszuwählen, der sich als würdig erweist. So darf Sarah also im mondänen Anwesen der Durringtons hausen und sich die Sippschaft vorknöpfen, die sich als höchst abgründiger Haufen entpuppt.

Die Leichen im Keller dieser Blase sind wahrlich Stoff, aus dem dramatische Seifenopern gestrickt werden: Alberts Frau Dana ist Alkoholikerin und hat ein Verhältnis mit Alberts Bruder George; der dritte Bruder im Bunde, Bob, hat wiederum ein Verhältnis mit Joanna, die eigentlich mit Alberts Sohn Sonny verheiratet ist – aber Sonny ist leider impotent, nachdem er (wie sich im Zuge von Sarahs Nachforschungen ergibt) zusehen mußte, wie Albert Sonnys Freundin unter Drogen gesetzt und vergewaltigt hat. Seine Befriedigung holt sich Sonny nun dadurch, daß er überall im Haus Videokameras versteckt hat (nunja, „versteckt“ ist übertrieben: Er hat die toastergroßen Geräte oben auf die Schränke gestellt) und sich die Vorgänge im Haus ansieht. Man sieht: Der Denver-Clan ist ein Dreck dagegen.

Natürlich kommen alle diese unerhörten Details ans Tageslicht, während sich Sarah nach und nach mit den einzelnen Personen beschäftigt – will heißen: Sie schläft sich so durch. Von Albert wird sie gleich zu Beginn vernascht, nachdem sie beim Dinner ein paar Worte gewechselt haben und Albert sie dann in ein schickes Bad einlädt, wo die beiden ein wenig miteinander plantschen. Mit Bob bandelt sie nachts in der Küche an, nachdem er ein wenig darüber erzählt hat, wie sich Pferde paaren. Und George lernt sie näher kennen, als sie gegen ihn beim Pokerspiel verliert. Nur Sonny erweist sich als schwieriger Kunde, aber Sarah bemüht sich redlich, ihn von seiner Impotenz zu heilen – sie nimmt ihn sogar mit in einen Stripclub! – und, das dürfen wir gerne verraten, sie ist schlußendlich auch damit erfolgreich (weswegen Sonny dann am nächsten Tag auch mit neuer Manneskraft seine Frau Joanna beglücken darf, die ihn vorher sogar in Strapsen kaltgelassen hat).

Ein schön hanebüchener Schmuddelschinken ist das also, den Onkel Joe hier vom Stapel läßt – und doch übt der Film genau die Anziehung aus, den so ein Groschenheft auch haben kann: Vor lauter Versprechungen von Sensationen, Enthüllungen und Abgründen konsumiert sich so ein hemmungsloser Schmöker ja fast von alleine – auch wenn man hinterher einmal mehr konstatieren darf, daß der Reiz eher in dem liegt, was in Aussicht gestellt wird, als in dem, was das Werk dann tatsächlich abliefert. Auch hier gilt dieses Prinzip: DAS TESTAMENT DER BEGIERDE ist letztlich komplett zahm und in seinen Softsex-Darstellungen sogar noch zurückhaltender als ELF TAGE und TOP MODEL.

Ein wenig Sex gibt’s aber natürlich doch, und da tritt Kristine Rose als Vertretung der betörenden Jessica Moore erstmal ein schweres Erbe an: Auch Rose ist mit wasserstoffblondem Haar und wohlproportioniertem Körper ansehnlich, wirkt aber im Vergleich zu ihrer Vorgängerin blasser und farbloser. Ganz reizlos ist sie aber natürlich nicht, und das weiß auch D’Amato, der seine Kamera nur allzu gerne an der mal mehr, mal weniger bekleideten Frau hinauf- und herabgleiten läßt. Die Optik mag billig sein, aber in Verbindung mit dem beständig einlullenden Fahrstuhljazz von Komponist Piero Montanari schafft der Film einen ganz eigenen Mix aus Glanz und Schmutz.

DAS TESTAMENT DER BEGIERDE bleibt leider der letzte Sarah-Asproon-Film – aber immerhin drehte D’Amato noch im selben Jahr mit Kristine Rose einen weiteren Streifen namens FORBIDDEN AFFAIRS. Und die Reihe um ELF TAGE, ELF NÄCHTE lebte – wie eingangs erläutert – zumindest dem Titel nach weiter. Die „echte“ Sarah Asproon – Drehbuchautorin Rossella Drudi, die die Reihe verfaßte und im Vorspann stets so genannt wurde, als gäbe es die Figur Asproon wirklich – tauchte 1990 noch einmal in einem anderen Film auf: Das Drehbuch zum Spukhausfilm HORROR HOUSE 2 schrieb Drudi auch noch als „Sarah Asproon“, bevor sie den Namen dann ablegte. Eigentlich ein Jammer – wer kümmert sich denn jetzt um die ganzen aufregenden Enthüllungen?

Das Testament der Begierde (Italien 1990)
Originaltitel: Undici giorni, undici notti 2
Alternativtitel: Das Testament / Web of Desire: Eleven Days, Eleven Nights 4
Regie: „Joe D’Amato“ (= Aristide Massaccesi)
Buch: „Sarah Asproon“ (= Rossella Drudi)
Kamera: „Federiko Slonisko“ (= Aristide Massaccesi)
Produktion: Filmirage
Darsteller: Kristine Rose, Ruth Collins, Frederick Lewis, Maurice Dupré, Kristin Cuadraro, Alex Dexter, Fred Woodruff, Laura Gemser, Michelle McGuire

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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