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IRON MAN 2: Größer, höher, weiter und mit Nachdruck

Und weiter geht es mit dem Marvel Cinematic Universe: Nach seinen Betrachtungen zu IRON MAN und DER UNGLAUBLICHE HULK rüstet sich unser Gastautor Dr. Wily nun für IRON MAN 2.

„I’ve successfully privatized world peace!“, tönt Tony Stark (Robert Downey Jr.) ziemlich zu Beginn und schiebt ein Peacezeichen in die Kamera. Nicht nur einer der witzigsten Momente im Film, sondern auch einer der Brüche, in denen IRON MAN 2 thematisiert, daß Tony Stark Waffenproduzent ist und die ganze Zeit vom Frieden redet. Weltfrieden als narzisstische Größenphantasie, vielleicht sogar sublimierte Welteroberung, wird uns als Thema auch später noch beschäftigen. Inwieweit dem Film dieses Thema klar ist und wie der Film mit all seinen anderen Themen umgeht, ist ein Problem, mit dem ich an dem eigentlich sehr unterhaltsamen und witzigen IRON MAN 2 zu kämpfen habe.

Wir finden Tony Stark, nachdem er im ersten Teil nicht nur eine, sondern gleich zwei Superheldenrüstungen zusammengeschweißt und sich am Ende vor der ganzen Welt als Iron Man geoutet hat, zu Beginn von Teil 2 in der ihm sehr angenehmen Situation, daß er sich die längste Friedensperiode der Geschichte zuschreiben kann, weil sich niemand mit Iron Man anlegen will. Dennoch sind nicht alle Iron Man Fans. Da gibt es das Pentagon und das Militär, die beide gerne Zugriff auf die Iron-Man-Technologie hätten, die Tony Stark aber nicht hergeben will. Stattdessen erwartet er allgemeines Vertrauen in seine Fähigkeiten – geistige, moralische und superheldische. Und es gibt Konkurrenten wie Justin Hammer (Sam Rockwell), der natürlich mehr Neider als Konkurrent ist, und der sehr gerne mit dem Pentagon zusammenarbeiten würde, aber leider die Technologie nicht hat, die die haben wollen.

Gwyneth Paltrow als Pepper Potts
Anzug ja, aber keine Krawatte?

Einige spannende Themen also, die sich hier ankündigen. Wieviel Macht soll sich in einer Hand konzentrieren? Wer kontrolliert Massenvernichtungswaffen, und wie werden sie kontrolliert? Wie steht es mit der Verknüpfung zwischen der Politik und dem industriell-militärischen Komplex in den USA?

Der Film nimmt sich so viel Raum dafür, diese Themen darzulegen, daß man davon ausgehen kann, daß es Absicht ist. Leider ergibt sich daraus keine interessante Fragestellung, kein spannender Konflikt (tiefergehende Auseinandersetzung ist bei einem Superheldenfilm eh nicht unbedingt auf der Erwartungsliste), sondern all diese Szenen sind nur dazu da, um Tony Stark ein Bühne für präpotene Sprüche und coole Witze sowie dem Iron Man Raum für krachende Action zu geben. Es ist, als würde der Film seiner Hauptfigur, dem Blender Tony Stark, selber auf den Leim gehen. Grant Morrison, selbst Autor erfolgreicher Graphic Novels wie ARKHAM ASYLUM, sieht sogar eine Verbindung zu unserer Gesellschaft. In seinem Buch SUPERHELDEN – WAS WIR MENSCHEN VON SUPERMAN, BATMAN, WONDER WOMAN UND CO LERNEN KÖNNEN erklärt er: „In einer Welt, in der Reichtum und Berühmtheit die Maßstäbe für Leistung darstellen, ist es nicht weiter überraschend, daß die beiden angesagtesten Superhelden – Batman und Iron Man – gutaussehende Tycoone sind.“

In diesem Tonfall geht der Film dann auch mit allen weiteren Themen um, die er aufgreift und die als Ideen ganz tolle Geschichten und Dramen hätten abgeben können. Es läßt sich gleich vorausschicken: THE AVENGERS bringt in zwei Szenen mehr Charakterentwicklung für Iron Man (an denen sich dann auch der gesamte dritte Teil der Reihe aufhängt) als der komplette Teil 2.

Robert Downey Jr. als Tony Stark
Tony Stark (Robert Downey Jr.) forscht nach dem verlorenen neuen Element.

So ist Tony von dem Metall in seinem Körper lebensgefährlich bedroht, und die in Teil 1 entwicḱelte Technologie kann ihm hier nicht mehr helfen. Tonys Unfähigkeit, sich Schwäche einzugestehen und Hilfe zu holen, mündet in einem heiteren Selbstzerstörungstrip, der so viel Hedonismus und so wenig Depression enthält, daß ich erst beim zweiten Ansehen verstanden habe, was man uns hier eigentlich erzählen will. Wieder identifiziert sich der Film völlig mit seiner Hauptfigur: So wie Tony Stark sich keine Schwäche zugesteht, gesteht ihm auch der Film keine zu und ist ständig darauf aus, ihn als coolen und lässigen Hund darzustellen, der ständig Oberwasser hat – auch weil ihm ohnehin alles wurscht ist.

Um zur Lösung des Problems zu kommen – die sich dergestalt präsentiert, daß Tony einfach mal schnell ein neues Element entdecken beziehungsweise wiederentdecken muß, weil es Papa Howard Stark schon in den 1970ern oder so entdeckt hatte, aber aufgrund der technologischen Beschränkungen seiner Zeit nicht herstellen konnte, es aber theoretisch in ein Stadtmodell eingebaut hat (wer die Actionsequenzen hier teilweise für abstrus hält, soll sich das mal auf der Zunge zergehen lassen) – muß sich Tony mit seiner Vergangenheit, eben mit seinem ungeliebten Vater auseinandersetzen. Hier liefert der Film zwei weitere Beispiele, wie er mit Problemen seiner Hauptfigur umgeht: In einer Szene erfahren wir zum ersten Mal, daß Tony „daddy issues“ hat, weil sich sein Vater nie um ihn gekümmert hat. In der Szene darauf entdeckt Tony ein altes Video, in dem sein Vater ihn aus der Vergangenheit heraus lobt. Problem gelöst, wird auch nicht mehr thematisiert.

Mickey Rourke als Whiplash
Der Spiegel zu Tony Stark: Whiplash (Mickey Rourke).

Die Suche nach dem rettenden Element für Tonys Metallproblem geht zumindest den ganzen Film lang dahin. Nach Ansehen von Papas Video erledigt Tony die Entdeckung dieses Elements dann allerdings in einem Nachmittag (zumindest vermittelt die Montage das so). Problem gelöst, rechtzeitig zum 30-minütigen Showdown. Es gibt einfach nichts, was Tony Stark nicht problemlos im Griff hätte.

Beim Stöbern in der Vergangenheit stößt er auch auf die Verbindung zu seinem anderen Gegenspieler in IRON MAN 2, nämlich Whiplash (Mickey Rourke), den eine vergangene Familiengeschichte zum Feind von Tony Stark gemacht hat. Whiplash funktionert als Spiegel zu Tony: ein ebenso brilliantes Wunderkind und Sohn eines früheren Kollegen von Howard Stark. Die Sünden der Väter holen also die Söhne ein. Beide Väter haben als Waffenproduzenten vom Frieden geträumt, den sie alleine durch Superwaffen, die nur sie herstellen können, schaffen wollen. Beide haben an kriegsführende Nationen ihre Produkte oder ihr KnowHow verkauft. Beide habe geniale Söhne, die sich geistig ebenbürtig sind. Einer wurde zum Playboymillionär, der andere zum armen Schlucker. Da hätte sich ein tolles und dramatisches Duell daraus machen lassen. Warum ihnen der Film nur drei kurze Treffen gönnt und nur eines davon eine Unterhaltung ist (in den anderen beiden hauen sie sich fest auf die Rübe), bleibt ein Rätsel.

Scarlett Johansson als Black Widow
Coming Attractions: Scarlett Johansson als Black Widow.

Mit IRON MAN 2 erweitert Marvel seine Erzählwelt und stellt immer deutlichere Verbindungen zu anderen Filmen dieses Universums her. Captain Americas unfertiges Schild wird in Szene gesetzt, Howard Stark taucht auf, damit wir, wenn wir ihn später in CAPTAIN AMERICA – THE FIRST AVENGER als jungen Mann wiedertreffen, auch Bescheid wissen, Nick Fury (Samuel L. Jackson) wird ein bedeutender Teil der Handlung, S.H.I.E.L.D.-Agent Phil Coulson (Clark Gregg) wird explizit nach New Mexico geschickt, um dort, wie in der Post-Credits-Szene zu sehen, Thors Hammer zu finden, und Black Widow hat ihren ersten Auftritt. Daß sie mit Scarlett Johansson besetzt wurde, zeigte schon damals, daß man mehr mit dieser Figur vorhatte.

Als kurzweilige, bunte, knallige und spaßige Actionkomödie funktioniert IRON MAN 2 ganz hervorragend, und es ist offensichtlich, daß hierauf auch der Fokus liegt. Die angesprochenen Themen bleiben unausgearbeitet und brach liegen, was sich auch daran zeigt, daß Iron Man zu keinem Zeitpunkt ernsthaft bedroht ist und wir als Zuschauer um ihn bangen müßten. Der Film ist sicher – mit einer Ausnahme: In seiner zweiten Hälfte schickt die enttäuschte und wütende Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) Tony aus ihrem Büro, weil er es wieder nicht schafft, sich zu entschuldigen und ihr zu erzählen, wie es um ihn steht. Hier hat man das einzige Mal das Gefühl, unsere Hauptfigur könnte etwas unwiederbringlich verlieren, das sie ganz notwendig braucht und liebt. Es ist eine Szene, in der zwei Menschen in einem Raum sitzen und miteinander reden.

Robert Downey Jr. als Tony Stark, Gwyneth Paltrow als Pepper Potts
Tony Stark (Robert Downey Jr.) und Pepper Potts (Gwyneth Paltrow).

Post-Credits: Die durchaus diskutierbare und vom Film nicht reflektierte Haltung, daß nicht die Waffen das Problem sind, sondern nur die Person, die sie in Händen hält, kennen wir schon aus Teil Eins. Daß diesbezüglich Tony Stark genau der ist, dem wir vertrauen dürfen, wird hier nochmal mit Nachdruck einzementiert.

Post-Credits II: Ich habe mich gefreut zu sehen, wie sich Robert Downey Jr. und Mickey Rourke hier treffen. Zwei der vielversprechensten Schauspieler der 1980er Jahre, beide nach Höhenflügen in jungen Jahren sauber abgestürzt und etwa zur gleichen Zeit – Mickey Rourke dank SIN CITY und THE WRESTLER – wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Die Coolness, Spannung und Souveränität ihres kurzen Gesprächs ist eines der besten Dinge an IRON MAN 2.

Dr. Wilys weitere Betrachtungen zum Marvel Cinematic Universe auf Wilsons Dachboden:
IRON MAN: Der gemachte Superheld
DER UNGLAUBLICHE HULK: Lustfeindlichkeit und schiefgegangene Experimente



Iron Man 2 (USA 2010)
Regie: Jon Favreau
Buch: Justin Theroux
Musik: John Debney
Kamera: Matthew Libatique
Darsteller: Robert Downey Jr., Gwyneth Paltrow, Don Cheadle, Scarlett Johansson, Sam Rockwell, Mickey Rourke, Samuel L. Jackson, Clark Gregg, John Slattery, Garry Shandling, Kate Mara, Leslie Bibb

Dr. Wily
Dr. Wily mag das Alte. Selbst aktuellen Entwicklungen in Musik, Film, Literatur und Computerspiel gibt er oft Monate bis Jahre Zeit, um sich von ihnen einnehmen zu lassen. Mit zunehmendem Lebensalter zieht es ihn vermehrt zu Horror- und Mysterygeschichten hin, nur um sich dann seine Seele doch wieder von Richard Linklater, Jim Jarmusch, Jack Kerouac, Jackson Browne, Paul Simon oder J.D. Salinger streicheln zu lassen. Außerdem kann er nach 15 Jahren Spielpause MEGA MAN 2 aus dem Stand bis ins vorletzte Level durchspielen.

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