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Filmnotizen: Terminator – Die Erlösung / Der Soldat James Ryan

TERMINATOR: DIE ERLÖSUNG (2009). Wir erinnern uns: Der war schon im Kino eine fürchterliche Enttäuschung (hier mein Review). Und jetzt, mit etwas Abstand, wenig Erwartung und auf schnuckeliger BluRay? Kaum einen Funken besser. An diesem Film ist immer noch so viel im Argen: Ständige Action mit minimalstem Plot und noch weniger Figurenentwicklung; die unreflektierte Zeichnung des gesamten Widerstandes als komplett militärische Organisation (wieviel interessanter wäre es doch gewesen, völlig normalen Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich aus der Auswegslosigkeit herauskämpfen und lernen, mit der veränderten Welt und ihren Gegnern fertigzuwerden); Ton- und Stilbruch mit den Vorgängern (hier regiert der emotionslose Krieg); Endzeit- und Kriegsfilmsituationen von der Stange (Streit mit dem Vorgesetzten! Herumstreunernde Gangs greifen unsere Helden an!); und obendrauf jede Menge Logik- und Glaubwürdigkeitsbrüche. Nochmal ein paar Punkte zum Nachhaken:

  • Woher weiß Skynet, daß Kyle Reese wichtig ist? Woher weiß Skynet, daß John Connor wichtig ist, wenn er ja noch gar nicht Anführer des Widerstandes ist?
  • Wenn Skynet weiß, daß Kyle Reese wichtig ist, warum bringen sie ihn dann nicht einfach um, anstatt ihn nur als Köder für John Connor zu verwenden?
  • Wenn Skynet unbedingt John Connor vernichten will, warum schickt es dann einen einsamen Terminator gegen ihn ins Feld, sobald er im Skynet-HQ gesichtet wird, anstatt der Angelegenheit einfach mit zwei Dutzend Robotern ein flottes Ende zu bereiten?
  • Warum werfen die Terminatoren ihre Gegner beständig durch die Luft, anstatt ihnen einfach die Waffen wegzunehmen und sie damit dann zu erledigen?
  • Wenn Skynet einen so menschlich erscheinenden Cyborg wie Marcus basteln kann, warum müht es sich dann noch mit der Konstruktion eines sperrigen T-800 ab?

Und so weiter und so fort. Klar, schreit da jetzt irgendwer, da darf man eben nicht nachdenken und muß die Action genießen! Aber sorry: Die vorigen Parts waren so gut, eben weil sie sich dem Gehirn nicht verweigert haben.

Natürlich schaut die BluRay fantastisch aus, und somit bleiben 2 Stunden technisch perfekter Dauerkrawall.

DER SOLDAT JAMES RYAN (1998). Ich habe ihn damals im Kino gesehen und seitdem nicht wieder, aber er ist mir stark im Kopf geblieben. Und jetzt auf BluRay: Was für ein großartiger, aufregender Transfer. Das Bild ist nicht nur gestochen scharf und behält trotzdem das ganze Korn drin, daß in Janusz Kaminskis grandiosen Bildern so gekonnt eingesetzt wird, sondern wirkt mitunter absolut echt. Plastisch, zum Anfassen. Man spürt fast die Oberfläche der Dinge, die man sieht.

Und natürlich ist mit einem so brillanten Transfer die Filmerfahrung umso packender und nahegehender. Die berühmte erste knappe halbe Stunde, in der Spielberg die Landung in der Normandie als unüberschaubares Chaos aus Gewalt und Rauch nachstellt, geht gewaltig an die Nieren. Was den blanken Irrsinn des Krieges angeht, hat wohl kein Filmemacher eine greifbarere Annäherung daran geschaffen – weder Kubrick (der die Unmenschlichkeit des Krieges messerscharf eingefangen hat) noch Cimino (der seine zerstörerische Kraft auch außerhalb des Schlachtfeldes spürbar werden ließ) noch Coppola (der so fiebrig in seine sinnlose Absurdität eingetaucht ist) und all die anderen Filmemacher, die mitunter so großartige Filme darüber gemacht haben. In Spielbergs D-Day ist der mörderische Wahnsinn physisch spürbar und der Hohn eines etwaigen „taktischen Vorgehens“ völlig bloßgestellt. Diese Schlacht, mit allen filmischen Kunstgriffen ins Leben gerufen, ist der blanke Horror und gleichzeitig so unendlich traurig.

Danach gibt es natürlich dennoch einen narrativen Faden, der uns den Krieg über eine Gruppe von Figuren und ihre Mission erzählt: Die Truppe von Tom Hanks wird losgeschickt, James Ryan zu finden und nach Hause zu bringen, weil seine drei Brüder schon gefallen sind und die obere Befehlsriege findet, daß es schlecht aussähe, wenn es den vierten auch noch träfe. So aufregend und packend der Film auch inszeniert war, so nagend war damals doch ein wenig die Enttäuschung darüber, daß der Streifen hier doch in die eher altmodische Struktur einer „Einheit auf besonderer Mission“-Geschichte zurückfällt. Beim jetzigen Ansehen wird aber klar, wie spannend die Diskrepanz zwischen dem klassischen narrativen Faden und der taktischen bzw. mathematischen Sinnlosigkeit des Unterfangens ist: Wieso setzt man das Leben von acht Soldaten aufs Spiel, um einen zu retten? Und was macht James Ryan so besonders? Anhand dieser beständigen Reibung schafft es Spielberg, über die Rolle des Individuums in einem vernichtenden System zu reflektieren, und er feiert letzten Endes die Wichtigkeit jeder einzelnen Person mit einem Gedanken, der auch in STAR TREK II & III einer ganz anderen Geschichte angeschnitten wurde: Das Wohl eines Einzelnen wiegt manchmal schwerer als das Wohl von Vielen. Nach der unmenschlichen Massenvernichtung der Anfangssequenz will uns der Film erinnern, daß die Opfer des Krieges nicht Zahlen und Einheiten sind, sondern Individuen.

So betrachtet sehe ich dem Film mittlerweile auch eher den Schluß nach, wo ein alter James Ryan in der Jetztzeit auf dem Arlington-Friedhof vor wehender US-Flagge am Grab des Captains salutiert. Sicher, die Sequenz übernimmt den militärischen Gestus völlig unkritisch in die Jetztzeit – als würde das Militär keine Rolle im Horror des Krieges spielen – aber gemeint ist es freilich als Ehrerbietung auf persönlicher Ebene, wo ein alter Mann in einer Geste seinen Dank zeigt und sich gleichzeitig fragt, ob sein Leben es denn wert gewesen ist, gerettet zu werden, beziehungsweise, ob er diesem Geschenk gerecht wurde. „Earn it“, hatte ihm Tom Hanks noch aufgetragen, und Ryans Familie im Hintergrund läßt erahnen, daß er das ihm gegebene Leben genutzt hat.

Ohne Zweifel einer von Spielbergs Besten – in einer Filmographie, die nicht gerade wenig Großtaten aufweist.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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