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Prince of Persia (1990) / Prince of Persia 2: The Shadow & The Flame (1993)

Derzeit hüpft Jake Gyllenhaal ja als Prinz von Persien durch ein Bruckheimer-produziertes Kinospektakel, das ich bislang leider noch nicht sehen konnte. Machen wir doch einfach das Nächstbeste und kramen die beiden Originalspiele PRINCE OF PERSIA und PRINCE OF PERSIA 2: THE SHADOW & THE FLAME hervor, die Jordan Mechner 1990 bzw. 1993 für Broderbund designte: Vor allem der Erstling legte den Grundstein für diese erfolgreiche Spielserie (1999 folgte ein dritter Teil im 3D-Gewand; in den 2000er-Jahren kamen diverse Konsolennachfolger heraus, auf deren Stories dann auch letztlich die Filmversion basiert. Natürlich habe ich bislang keinen davon auch nur gesehen). Die geschmeidige Animation und das knifflige Design des Plattform-Jump’n’runs sorgten letzten Endes dafür, daß sich der Original-PRINCE über 2 Million Mal verkaufte.

Unser namenloser Held will also zu Beginn des Spiels die Prinzessin von Persien heiraten, was aber dem sinistren Großvizier Jaffar nicht gefällt: Er läßt den armen Thronanwärter ins Verlies werfen und gibt der Prinzessin ein einstündiges Ultimatum – entweder heiratet sie Jaffar, oder sie stirbt. (Wie Jaffar an den Thron kommen will, wenn er die Prinzessin umbringt, ist mir persönlich unklar, aber höchstwahrscheinlich hat der Herr auch für diesen Fall einen wasserdichten Plan.) Der Noch-Nicht-Prinz muß also innerhalb von 60 Minuten aus dem Verlies fliehen und, nunja, Einspruch gegenüber dem Großvizier erheben.

Das funktioniert als Plattform-Abenteuer, bei dem die einzelnen Verliesräume seitlich gezeigt werden. Der Held muß also durch die ausufernden Kerkerlabyrinthe rennen, springen und klettern, um sich nach und nach in den Palast hochzuarbeiten und Jaffar zu finden. Die 12 Levels, in die das Ganze unterteilt ist, sind dabei vollgepropft mit allen möglichen Fallen und Schikanen: Lockere Bodenplatten fallen einem unter den Füßen weg oder krachen dem Held auf den Kopf; aus dem Boden und aus den Wänden schießen scharfe Spieße hervor; überall sind Fallgitter, die mit Bodenplatten geöffnet werden können, aber ebenso auch mit selbigen vielleicht rasant zudonnern; und ständig gilt es, über Abgründe zu springen und sich im letzten Moment an einem Vorsprung festzuhalten und wieder hochzuziehen. Im ganzen Verlies sind auch Wachen postiert, die in Säbelkämpfen bezwungen werden müssen.

Ganz klar: PRINCE OF PERSIA ist *schwer*. Es gibt Dutzende von Fallen, in die man hineintappt, und die müssen oft nach Trial-and-Error-Prinzip erforscht werden – ebenso wie die Wege durch die teils sehr großen Levels. Mechner kennt wenig Gnade bei den Herausforderungen: Überall muß man in perfektem Timing springen, und allzuoft öffnen die Bodenplatten die Verliesgitter nur gerade so lange, daß man in halsbrecherischem Tempo durchlaufen kann – und dabei entweder gleich dahinter in eine Falle läuft, oder auf dem Weg zum Gitter diverse Abgründe und andere Widrigkeiten schnellstmöglich überwinden muß. Die Wachen sind mit ein wenig Übung nicht allzu problematisch, stehen aber gerne mal so, daß sie einen mit einem gezielten Schwerthieb von der Plattform in den Tod stürzen oder in eine Falle drängen. Sobald man stirbt, steht man wieder am Levelanfang – aber die Uhr tickt weiter, womit sichergestellt ist, daß man das Spiel eigentlich nur dann lösen kann, wenn man zu Levelbeginn brav abspeichert (man kann mitten im Level natürlich nicht speichern) und bei jedem Tod das Savegame wieder lädt.

Und was habe ich mich seinerzeit in dieses Spiel festgebissen! Die Spielästhetik übt ganz klar eine große Anfangsmotivation aus: Die Bewegungen der Spielfigur beim Laufen, Springen, Klettern, Ducken und Kämpfen sind wunderschön. Das ist kein starres Sprite mit comichaft animierten Beinchen wie Mario oder Giana und kein abstraktes Männchen wie Jumpman: Dieser Held wirkt (bzw. wirkte damals – heute sind wir ja auf einem ganz anderen technischen Stand, obwohl die Ästhetik selbst ja die Zeit überdauert und eine gelungene Animation auch eine gelungene Animation bleibt) unglaublich realistisch in seinen Bewegungen, was auch bedeutet, daß man bei den stets knappen Sprüngen und tödlichen Fallen selbst unglaublich mitgeht. Es gibt in PRINCE Momente, wo die Figur einen extremen Sprung ausführen und sich an einem kleinen Mauervorsprung festhalten muß, und ich habe dabei mitunter ein Zittern im Knie, als würde ich selbst in einen gähnenden Abgrund blicken.

Es gibt viel zu entdecken im Spiel – es gibt Wege, die Wachen auszutricksen; es gibt geheime Räume mit Heiltränken; und es gibt auch immer mal wieder Überraschungen: beispielsweise ein Zaubertrank, der den Bildschirm auf den Kopf stellt, oder ein Kampf gegen den eigenen Schatten. Leider verhindert das Zeitlimit eigentlich, daß man die Levels zu gründlich durchforstet, und ich bevorzuge ja eigentlich mehr das Entdecken als das Durchhetzen. Aber wenn man mit den Savegames arbeitet, bleibt einem durchaus ein wenig Luft, die Grafik zu bewundern und die Sackgassen der Labyrinthe abzuklappern.

20 Jahre hat dieser Klassiker mittlerweile auf dem Buckel. Ich habe ihn seinerzeit mehrfach durchgespielt und jetzt vor ein paar Tagen wieder – und Spaß macht das Verlies immer noch. Wie aufgeregt war ich also damals, als ein zweiter Teil erschien: PRINCE OF PERSIA 2: THE SHADOW & THE FLAME. Natürlich habe ich mir den gleich bei Erscheinen gekauft – und mir die Zähne dran ausgebissen.

Das Prinzip des Spiels bleibt dasselbe: Laufen, Klettern, Springen durch verschiedene Levels voller Tücken und Fallen. Zu Beginn taucht der finstere Jaffar wieder auf (dabei habe ich den doch im Erstling in einen Abgrund gedrängt!) und raubt einem die Identität: Er selbst wird also zum Prinz, und unser Held wird als unbekannter Emporkömmling aus dem Palast gejagt. Der Weg zurück zum Palast und zum Showdown mit Jaffar hat diesmal mehrere Stationen: Man kämpft sich durch die Stadt zu einem Boot, landet auf einer Insel, kämpft sich durch eine Höhle, klettert durch eine verlassene Ruinenstadt, läuft durch den schwer bewachten Palast und landet schließlich in einer surrealen Dimension, in der Jaffar besiegt werden muß.

Und Himmel, Gesäß und Nähgarn, ist dieses verdammte Spiel schwer. Es ist wahrhaftig eine Fortsetzung für Menschen, die den ersten Teil schon als Spaziergang ansehen. Jordan Mechner scheint sich gedacht zu haben, daß alle Fallen und Feinde im ersten Teil viel zu banal und offensichtlich seien, und läßt den armen Helden hier in jedem Level tausend Tode sterben. Da gibt es Momente am Ende eines Levels, wo ein falscher Schritt eine Falltür zusausen läßt und man sich nur noch in den Selbstmord stürzen kann, weil man den Ausgang nicht mehr erreicht – woraufhin man natürlich den kompletten Level nochmal von vorne spielen darf, denn auch hier ist Abspeichern nur am Levelanfang möglich (es gibt in manchen Leveln zwischendrin eine Art Savepoint, was nur wenig daran ändert, daß man dieselben fiesen Fallen wieder und wieder und wieder angehen muß). Ständig kracht einem der Boden unter den Füßen weg, teilweise kann man nur mit einer richtigen Kombination aus gedrückten und übersprungenen Bodenplatten weiterkommen, und für die meisten Sprünge hat man nur eine einzige Chance – weil man ansonsten in den Abgrund fällt oder die für den Anlauf benötigten Bodenplatten schon längst weggebröselt sind.

Aber das alles kann man sich ja noch gefallen lassen. Netterweise wurden aber auch die Gegner härter gemacht: Schon in der Höhle laufen nur untote Skelette herum, die wenige Sekunden, nachdem man sie besiegt hat, wieder aufstehen und weiterkämpfen – freilich gerne an Stellen, wo sie einen dann von einer Plattform schubsen oder in einen Lavapool drängen können. Extremst unangenehm sind die Medusaköpfe in der Ruinenstadt, die sich rasant schnell auf einen stürzen und dabei meistens 3-4 Lebenspunkte auf einmal abziehen. Später kommen dann noch adlerköpfige Palastwachen, die nicht gar so tragisch im Kampf sind, aber einen dafür mit ihrer schieren Menge beständig in die Knie zwingen: Da laufen schon mal vier von denen in einem Raum herum und kommen dann auch freundlich aus der entgegengesetzten Richtung, damit man gleichzeitig von vorne und von hinten angegriffen wird.

Ich habe das Spiel damals entnervt in der Ruinenstadt aufgegeben, wo mir die Medusaköpfe schlichtweg das letzte bißchen Nerv geraubt haben. Es hilft freilich wenig, daß man andauernd von Levelanfang an wieder alles neu spielen muß; aber selbst bei einem Continue im selben Raum dürften diese fliegenden Schädel für die eine oder andere wutentbrannt zum Fenster hinausgeworfene Tastatur verantwortlich sein. Es dauert Stunden, bis man den Viechern irgendwie beikommt, und die Taktik funktioniert dann auch nur, wenn man gerade ins Bild hineinlaufen und ihnen dann gegenüberstehen kann – aber freilich tauchen die Mistdinger auch zum Beispiel da auf, wo man sich in einen Raum hineinfallen lassen muß und dann gegen die Wand gedrückt dasteht, wo einen die nervigen Biester dann mit zwei gezielten Attacken erledigen, ohne daß man überhaupt dazu kommt, sich wehren zu können.

Und da ist der Knackpunkt: Das Spiel ist nicht nur mörderschwer (denn das ist vertretbar, vor allem, wo heute so viele Spiele so casual geworden sind, daß man sie in kürzester Zeit mit unendlichen Continues und Respawns und Abspeichern durchgespielt hat) – es ist stellenweise schlichtweg komplett unfair. Es gibt ein paar Situationen zu viel, in denen man sich der Gegner nicht richtig erwehren kann und wo man einfach nur Glück braucht, um etwas zu überleben. Nichts frustriert so sehr, wie wenn man das Gefühl kriegt, daß man das Überleben der Spielfigur gar nicht in der Hand hat, weil man eben nur auf Glück hoffen muß – es bedeutet nämlich, daß man sich völlig umsonst abstrampelt, und daß man die ständige Neuanläufe als Strafe für etwas kriegt, woran man sich gar nicht schuldig fühlt. Es kommt dazu, daß die Steuerung unpräziser ist als im Erstling: Wo man im PRINCE OF PERSIA die genauen Sprünge mit Übung auch so genau plazieren kann, passiert es hier immer wieder, daß die Figur entweder zu früh losspringt oder zu träge reagiert und in den Abgrund fällt. Man kriegt hier regelmäßig die große Krise und fühlt sich betrogen. Das sind die Momente, in denen das Spiel schlichtweg aufhört, Spaß zu machen.

Das ist eigentlich schade, weil das Spiel doch viel zu bieten hat: Durch die verschiedenen Schauplätze fühlt sich die Story wirklich nach einer epischen Abenteuergeschichte an, zumal die Grafik auch hier sehr schön geraten ist. Diesmal gibt es auch Musik während des Spiels, die bei Kämpfen dramatisch an Tempo gewinnt oder beim Erspähen eines riesigen Abgrundes auch schon mal ein finsteres Dröhnen hören läßt. Die Sequenzen zwischen den Levels warten nicht nur mit liebevoll gezeichneten Bildern auf, sondern auch mit Sprachausgabe (das mag natürlich heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervorholen, wo doch die Zwischensequenzen mittlerweile wie Film- oder Animationsproduktionen gehandhabt werden, aber 1993 war so eine gelungene Erzählstimme schon ein atmosphärisches Plus.) Und wenn man die Nerven für die Tausenden von Fallen mitbringt, bieten die Levels viele raffinierte Puzzles und spannende Momente.

Damals landete das Spiel also gnadenlos in der Ecke, weil meine Nerven am Ende waren – und das, obwohl ich seinerzeit wirklich viel gespielt habe und Herausforderungen gewöhnt war. Jetzt, 17 Jahre später, habe ich mich aus irgendeinem Grund also festgebissen und das Spiel doch noch durchgespielt – mit viel Fluchen und ein wenig Geschrei und einem kurzen Blick in ein Walkthrough für zwei Puzzles im vorletzten und letzten Level, wo ich sonst wieder irgendwann komplett aufgegeben hätte. Und somit kann ich auch dieses Werk auf die Liste meiner Verdienste setzen, die bestenfalls Spieleveteranen beeindrucken werden: Ich habe Jaffar zweimal besiegt, und was hast du so geleistet im Leben?

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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