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[Game / PC] Leisure Suit Larry Reloaded (2013)

Von 1987 bis 1996 gehörten die amourösen Abenteuer des Möchtegern-Aufreißers Larry Laffer zu den beliebtesten Adventures der Softwareschmiede Sierra: Die witzigen Geschichten, die den Antihelden von einer Peinlichkeit zur nächsten Bredouille stolpern ließen, machten aus Larry eine Kultfigur, die es bis ins Feuilleton schaffte. Sechs Teile schrieb Designer Al Lowe rund um seinen LEISURE SUIT LARRY (wobei die Nummerierung Part 4 übersprang und gleich mit #5 weitermachte); eine Fortsetzung mit dem Namen LUST IN SPACE wurde 1999 gecancelt. Unter neuer Firmenaufsicht und ohne Lowe durfte der Serienname nurmehr für zwei sensationell schlimme Spielchen herhalten (MAGNA CUM LAUDE und BOX OFFICE BUST) – bis sich 2012 Larrys Vater aus dem Ruhestand zurückmeldete und per Crowdfunding Geld für ein Remake des allerersten Teils sammelte: LEISURE SUIT LARRY RELOADED.

Die Sinnhaftigkeit eines solchen Remakes darf natürlich hinterfragt werden. Wäre ein neues Abenteuer rund um Larry nicht viel attraktiver als eine aufpolierte Version des Originals? Sierra-Kenner dürften sich auch erinnern, daß es 1991 schon einmal eine Neufassung des ersten Spiels gab: Die Firma brachte Anfang der Neunziger eine Reihe von Remakes heraus, mit denen sie ihre beliebtesten Titel auf den technisch neuesten Stand brachten – KING’S QUEST, SPACE QUEST, POLICE QUEST und eben auch LEISURE SUIT LARRY. Seinerzeit verkauften sich die schön gemachten Neuauflagen nur schleppend, weshalb die Firma von weiteren Remakes absah. 2013 scheint das Bedürfnis nach einer Verjüngungskur des mittlerweile 26 Jahre alten Spiels wesentlich größer zu sein: 14.081 Fans (darunter auch meine Wenigkeit) spendeten insgesamt $655.182 für die Neuauflage. Fairerweise darf dazu gesagt werden, daß sich Al Lowe, sein Co-Designer Josh Mandel und die Firma Replay Games die Rechte an Larry Laffer nur im Rahmen eines Remakes besorgen konnten – dem bei Erfolg weitere Spiele folgen können. Ein wenig haben wir also auch einfach die Rückkehr von Al Lowe und das Versprechen weiterer Larry-Games monetär belohnt.

Alle Jahre wieder darf Larry vor Lefty’s stehen und sein Glück suchen …

Wie schon im Original von 1987 schickt auch LEISURE SUIT LARRY RELOADED unseren Loser Larry für eine Nacht nach Lost Wages, wo er sein Glück finden und seine Unschuld verlieren soll – gerade letzteres wird höchste Zeit, ist Larry doch immerhin schon knapp 40! Freilich hilft es nicht, daß Larry Charme versprüht wie ein platter Reifen und seinen Polyesteranzug für einen geschickten modischen Schachzug hält …

Wo man in der ersten Version Larry noch mit den Cursortasten durch die dreidimensionalen Bilder steuerte und Befehle per Tastatur eingab („open door“, „talk to girl“), steuert sich unser Polyesterheld hier (wie auch schon im Remake von 1991) per Icon – man klickt mit Befehlsicons für Sehen, Benutzen, Reden usw. auf diverse Gegenstände und Personen und hofft, daß sich etwas tut. Das Original punktete damit, daß das Spiel allerlei Schweinkram verstand und mit witzigen Sprüchen kontern konnte; weil man hier an die Icons gebunden ist, entfällt dieser Überraschungseffekt natürlich – dafür haben sich Lowe, Mandel & Co. Mühe gegeben, daß das Spiel viele witzige Beschreibungen und Reaktionen auf Spieleraktionen bieten kann. Eine Zeitlang ist man also immer schon damit beschäftigt, herauszufinden, welche Kommentare sich noch herauskitzeln lassen.

Die Grafik gibt alle Frauen und ihre Proportionen
in höchstem Realismus wieder.

Die Story hält sich weitestgehend an das Original: Noch immer besucht Larry die versiffte Bar Lefty’s, noch immer findet er dort das Paßwort „Ken Sent Me“ und erhält damit Zugang zu einem Hinterzimmer, wo er bei einer Prostituierten landen kann; noch immer lernt er in einer Disco die hübsche Fawn kennen, die ihn gegen ein paar Geschenke heiraten will, und noch immer steht in der leeren Hotelbar ein Komiker auf der Bühne, der müde Stand-Up-Witze reißt. Damit die Angelegenheit nicht allzu fad wird, wurden einige Puzzles aufgepeppt und verändert – für eine Fernbedienung müssen jetzt erstmal Batterien besorgt werden, eine Gummipuppe muß erst geflickt werden, bevor man sie aufpusten kann. Es gibt außerdem eine zusätzliche Figur – die Taucherin Jasmine – die für ein paar zusätzliche Aufgaben sorgt.

Dennoch beschreitet LEISURE SUIT LARRY RELOADED natürlich hinlänglich bekanntes Terrain, und die neuen Puzzles sorgen kaum für nächtelanges Knobeln: Kenner des Originals marschieren hier in ein paar Stunden bis zum Ende. Wer die Erstversion nie gespielt hat, erforscht vielleicht etwas länger – und darf zwischen ganz banalen Gegenstand-A-wird-an-Ort-B-eingesetzt-Aufgaben und eher unlogischen Rätseln hin- und herpendeln, wobei auch die letztere Sparte aufgrund des sehr überschaubaren Spielareals und der kurzen Story das Ende nie allzu lang hinauszögert. Das Grundprinzip erscheint natürlich als purer Fortgehtraum: Man trifft fesche Frauen, bei denen es so ziemlich egal ist, was man sagt – sie lassen einen exakt wissen, was sie von einem wollen, und das beschafft man ihnen dann. (Wenigstens lassen sie einen dann realistischerweise trotzdem meistens entweder stehen oder hauen einen übers Ohr.)

So hat sich Larry seine Nacht mit Fawn nicht ganz vorgestellt:
Die gute Frau raubt ihm Herz und Brieftasche.

Nun darf man sich anhand des fertigen Spiels noch einmal exakt die Frage stellen, über die man wohl schon während der Kickstarter-Kampagne nachgedacht hat: Braucht die Welt noch ein Remake von LEISURE SUIT LARRY? Für die Veteranen unter uns ist RELOADED natürlich primär eine Nostalgieveranstaltung – man besucht bekannte Orte wieder, freut sich über bekannte Sprüche und erinnert sich an frühere Situationen im Spiel. Wobei die Nostalgie hier ja eher dosiert zum Zuge kommt: Für die volle Nostalgie wäre es viel zielführender, einfach das Original zu spielen und nicht das aufgefrischte Remake.

Während man sich also an das alte Spiel erinnert, beschleicht einen der leise Verdacht, daß Larry entweder früher besser war oder man zu jugendlicheren Zeiten mehr Spaß daran hatte. Natürlich sind all die Witze, die sexuellen Anspielungen, die hihi-hochnotpeinlichen Situationen und die Derbheiten in 26 Jahren keinen Deut origineller geworden: 1987 mag es erfrischend gewesen sein, einen solchen Verlierer zu spielen und auch mal von einem Computerspiel freche Witze serviert zu bekommen; 2013 wirkt das Grundprinzip eher nach dezent verklemmtem Schnee von gestern. Dazu kommt, daß Lowe und Mandel offenbar die Geschmacksgrenze weit tiefer legen wollen: Die im Original nicht enthaltenen Elemente rund um einen mit haarigem Schleim verstopften Vibrator, Walkotze oder Katzen-Analsekret sollen als Bad-Taste-Beigaben wohl den Humor zeitgemäßer gestalten – dabei reduzieren sie ihn aber nur auf Derbheiten.

Jasmine kam im Original nicht vor. Sie wäre uns aufgefallen.

Vielleicht ist es eine gewisse Verklärung, das Originalspiel als witziger und auch pfiffiger im Humor wahrzunehmen – aber nicht nur die in der 2013er Version hinzugefügten Bad-Taste-Witze deuten darauf hin, daß das Niveau gesunken ist: Der Sprecher der Neuauflage liest jeden Satz mit derart süffisanter Betonung, als könnte man sonst irgendwie verpassen, daß da etwas lustig ist; Larry selbst spricht mit alberner Comicstimme (es ist derselbe Sprecher wie auch schon bei den Teilen 6 & 7). Die nüchternen Texteinblendungen des Originals mögen dagegen anachronistisch und technisch altbacken wirken, aber sie setzen gegenüber dem doch oft sehr direkten Humor einen wunderbaren Kontrast: Der Schwarz-auf-Weiß-Text ist wie das ernste Gesicht, mit dem das Spiel den gröbsten Unfug von sich gab und damit nur umso komischer wirkte.

Sei’s drum. Als Neuauflage funktioniert LEISURE SUIT LARRY RELOADED im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus als flotter Zeitvertreib; um Larry wirklich zu verstehen, muß man aber wohl – trotz der angestaubten Technik – das Original ansehen. Mehr Kopfschütteln als die Sinnhaftigkeit dieser mit hübschen Bildern und stimmungsvoller Jazzmusik aufgepeppten Frischzellenkur produziert dann doch die Ankündigung von Lowe und Replay: Bevor man sich an ein neues Larry-Abenteuer macht, werden erstmal die Teile 2-7 ebenso neugestaltet. Vielleicht wollen sie ja dann in ein paar Jahren, wenn sie mit dieser Mammutaufgabe durch sind, ein neues Remake von Teil 1 angehen …?



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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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