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[Buch] Kenyon Morr: King’s Quest 3 – Verhängnis über Daventry (1996)

Nachdem im ersten Band der KING’S-QUEST-Romanreihe Prinz Alexander das Land retten durfte und im zweiten Teil König Graham selber ins Abenteuer zog, obliegt es im abschließenden dritten Buch Prinzessin Rosella, Daventry vor erneutem Unheil zu bewahren. In der Computerspiel-Serie war Rosella zum ersten Mal in KING’S QUEST IV aktiv (und später nochmal in KING’S QUEST VII); die Handlung dieses Spin-Off-Romans ist zeitlich allerdings noch vor KING’S QUEST III und sieben Jahre nach den Geschehnissen im zweiten Buch KÖNIGREICH IN GEFAHR angesiedelt.

Prinzessin Rosella ist mittlerweile knapp 15 Jahre alt. Als ihre Eltern wegen einer Feierlichkeit für einige Zeit verreisen, täuscht sie eine schwere Erkältung vor, um Schloß Daventry endlich einmal für sich alleine zu haben und in Abwesenheit des Königs und der Königin ihre Macht etwas spielen lassen zu können. Schon bald gerät Daventry – teilweise auch aufgrund ihrer unüberlegten Handlungen – gleich zweifach in Gefahr: Eine riesige Armee von Käfern überrennt das Land, weil Rosella trotz Warnung einen uralten Baumstumpf für Festlichkeiten entfernen ließ – und die Käfer haben den Effekt, daß sämtliche Magie zigfach potenziert wird, sodaß selbst die einfachsten Zaubersprüche verheerende Folgen haben können. Gleichzeitig zieht eine Art Rattenfänger mit einer hungrigen Meute an Sloks durch das Land – gefräßige, echsenähnliche Biester, die unter dem Bann des Rattenfängers standen; wegen der Magiegefahr muß der aber seinen Zauber unterbrechen, woraufhin die wilden Sloks entkommen und fortan Land und Leute bedrohen …

Schon die ersten beiden Bände der Buchreihe waren keine allzu düsteren, schwergewichtigen Fantasystoffe, aber VERHÄNGNIS ÜBER DAVENTRY (im Original SEE NO WEEVIL, ein hübsches Wortspiel zu der Käferbedrohung) ist beinahe schon ein Jugendbuch. Das mag einerseits an der minderjährigen Protagonistin Rosella liegen, andererseits aber auch an der eher putzigen anstatt wirklich finsteren Bedrohung für das Land. Die Sloks mögen als gefährliche Allesfresser beschrieben sein, aber letzten Endes kommt doch niemand hier wirklich zu Schaden – und dennoch ist dieser dritte Band vielleicht sogar der beste und unterhaltsamste der KING’S-QUEST-Reihe.

Ein Grund dafür liegt in der Hauptfigur – Rosella ist nämlich alles andere als eine Heldin. Sie ist ein verzogenes Gör: eine rechthaberische, sturköpfige und recht eingebildete Person, die den erfahrenen Arbeitern auf Daventry das Leben recht schwer macht. Diese Charakterisierung mag nicht hundertprozentig zur doch sehr bedachten und freundlichen Rosella passen, wie sie im Spiel KING’S QUEST IV gezeichnet wird – aber sie bietet eine willkommene Abwechslung von den ewig guten und vornehmen Figuren, die in dieser Welt sonst als Helden fungieren. Zudem involviert ihre Entwicklung innerhalb der Geschichte den Leser: Man wartet anfangs richtiggehend darauf, daß dieser pubertierende Teenager mal auf die Schnauze fällt und damit ein paar wichtige Lebenslektionen lernt. Daß Rosella dann im Zuge des Abenteuers durchaus charakterlich wächst, läßt einen das trotz allem gar nicht unsympathische Mädchen umso mehr ans Herz wachsen.

VERHÄNGNIS ÜBER DAVENTRY wurde wie auch schon der zweite Band von Mark Sumner und Marella Sands unter dem Pseudonym „Kenoyn Morr“ geschrieben. Einige von den Beiden im zweiten Roman eingeführte Nebencharaktere haben auch hier wieder Auftritte, was der Reihe ein angenehmes Gefühl der Kontinuität gibt – auch wenn die Geschichte ebenso wie bei den Vorgängerbüchern absolut eigenständig funktioniert. Wieder erzählen die beiden mit Tempo und Witz, kosten spannende Momente aus und zeichnen liebevoll ihre Figuren – und passend zu der Spielereihe, in die ja oft Märchen und Sagen eingewoben werden, lassen sich auch hier Motive aus solchen klassischen Erzählungen finden: An einer Stelle taucht das salomonische Urteil auf, an anderer erinnert der Slok-Bändiger nicht nur vage an den Rattenfänger von Hameln, weil er die Tiere ebenso mit seiner Musik hypnotisiert.

Das Buch ist damit ein gelungener Abschluß einer leichtgewichtigen, aber sehr unterhaltsamen Fantasy-Trilogie. Eigentlich schade, daß es bislang keine weiteren Geschichten aus Daventry gab: Die Bücher funktionieren als Lesestoff für Zwischendurch ebenso gut wie als Ausweitung der gesamten Serie. Aber warten wir doch mal ab, ob nicht das für 2013 angekündigte neue KING’S-QUEST-Spiel von Telltale vielleicht ein paar weitere Stories nach sich ziehen wird …



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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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