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[Film] 100 Million BC (2008)

Quizfrage: Welchen populären US-Blockbuster plagiiert die Asylum-Produktion 100 MILLION BC schamlos und schwungvoll? Antwort: Richtig, Steven Spielbergs THE LOST WORLD, den zweiten Teil seines JURASSIC PARKs. Nunja, der Name bot sich einfach nur so an, weil Emmerichs Frühzeitspektakel halt etwas frischer im Bewußtsein des Kinogängers sitzt als Spielbergs Sauriersause – das muß man schon verstehen. Kommen wir zur zweiten Quizfrage: In welche Zeitepoche reisen die Helden des Films 100 MILLION BC zurück? Antwort: Richtig, 60 bis 70 Millionen Jahre vor Christus. Vermutlich ist der Wechselkurs dran schuld, daß da ein paar Jährchen fehlen.

Der Film beginnt (nach kurzer Kletterexpedition) mit der Zusammenstellung eines Expertenteams aus Söldnern und anderen Haudegen, die zu einem geheimen Meeting zusammengerufen werden. Unauffällig, aber zu martialischem Getrommle sitzen alle in ihren jeweiligen Autos und starren auf ihre Zeitanzeige – 01:59 – und nach ausgiebigem Uhrenvergleich (irgendwie muß man ja auf Spielfilmlänge kommen) marschieren alle um Punkt 2 Uhr in den Stützpunkt, um sich dort aufzustellen und von einem unter völliger Mißachtung der Mundbewegungen synchronisierten Oberstwaldmeister gesagt zu bekommen, daß sie sich in einer Stunde in der Halle einfinden sollen. Coole Sache, Parker!

Dort erhalten sie und wir ein kurzes Briefing, worum es überhaupt geht: Zeitreisen nämlich. Der bärtige und nur milde verrückt wirkende Dr. Frank Reno erläutert, wie er mal die Zeitreise erfunden hat und dann kurz nach dem zweiten Weltkrieg seinen Bruder mitsamt einem Team in die Vergangenheit geschickt hat: ungefähr 60-70 Millionen Jahre zurück, um ganz genau zu sein, um nämlich „auf Nummer Sicher zu gehen“ – weil ja in einer näheren Vergangenheit jemand unabsichtlich seinen Großpapa umbringen könnte und damit die ganze Welt in eines von diesen Raum-Zeit-Wirrwarr-Logik-Löchern stürzen könnte. Blöderweise haben sie die Jungs nie zurückholen können – bis nun bei der eingangs erwähnten Klettertour Höhlenmalereien gefunden wurden, die dem Wissenschaftler den genauen Aufenthaltsort der Bande mitteilen. Das Spezialteam ist also zu einer Rettungsmission zusammengestellt und soll Renos Bruder und die anderen in der Zeit gestrandeten Leute zurückholen.

So beamt also das Team – von denen ein Soldat beständig so schaut, als müßte man ihm das jetzt alles nochmal ganz langsam erklären – zurück in die graue Vorzeit, wobei ein wackerer Soldat leider in einen Baum transportiert wird und sofort versteinert ist. Tja, ich sag’s ja immer: Augen auf bei der Berufswahl.

Es dauert nun nicht lange, bis das Team von diversen Dinosauriern angegriffen wird – höcht unterhaltsam animierte Saurier, die als billige 2D-Grafiken ins Bild gepappt werden und manchmal wie in einem, nun ja, retro-angehauchten Videospiel das Maul aufreißen. An einem kleinen See werden unsere Helden sogar von einem Archivtier angefallen, das offenbar aus einem anderen Film hereingeschnitten wurde (und nie mit den Schauspielern zusammen in einer Einstellung zu sehen ist). Das Spezialteam macht das einzig Sinnvolle in so einer Situation: Sie ballern wie die Blöden ins Gebüsch – selbst dann noch, als einer ihrer Kameraden von hinten von einem Raptor gepackt wird und ins Dickicht gezogen wird. Egal, irgendwas werden sie schon treffen! Nachdem dann mal drei bis vier Soldaten das Zeitliche gesegnet haben, warnt der Anführer, daß sie jetzt ganz besonders vorsichtig sein müssen. Zum Glück sind die Jungs nicht umsonst auf die Militärschule gegangen!

Die Dinoangriffe gehen aber munter weiter, und schon bald sieht die Situation für unsere Spezialeinheit eher hoffnungslos aus. Zum Glück springt just in diesem Moment Franks Bruder Erik aus dem Urgestrüpp, zusammen mit einem Kumpan und zwei Mädels (eine ist blond und strahlt sehr lebensfroh, die andere ist brünett und zieht sich gern knappe Shorts an) – und die retten die bis an die Zähne mit Maschinengewehren bewaffneten Haudegen damit, daß sie den Dinosauriern Speere in die Seite stechen. Nach kurzen Wiedersehensumarmungen zwischen Frank und Erik werden sorgenvolle Blicke auf die Verletzten geworfen. Schade eigentlich, daß bei der Planung der Rettungsaktion nicht daran gedacht wurde, ein paar Pflaster oder ein Aspirin mitzunehmen. Oder einen Erste-Hilfe-Koffer. Dem kritischen Geist stellt sich da doch schon mal die leise Frage nach der Kompetenz der Elite-Einheit.

Nach (hust) aufregender Flucht vor dem „Big Red“, einem hungrigen und wirklich nur ein ganz klein bißchen billig animierten Saurier, und ausgiebiger Unterhaltung in der Nacht bricht das Team am nächsten Tag wieder auf, um zum Zeitportal zurückzugehen. Das läuft auch prima, abgesehen von einem kurzen Angriff von ganz ganz ehrlich nur ein klein wenig unterbudgetiert animierten Velociraptoren – deren Niedergang nach Maschinengewehrsalve übrigens so gelöst wird, daß man in einer Einstellung den Computervogel herabfallen sieht und dann im Gegenschnitt ein dumpfes Aufschlagen zu hören ist und dem Schauspieler Erde ins Gesicht geworfen wird. Am Zeitportal stellt sich dann die dramatische Wahrheit heraus: Diese Leute können gar nicht schauspielern! Ach nein, eigentlich wollte ich ja etwas anderes schreiben: Dr. Frank Reno muß leider zurückbleiben, um das Zeitportal schließen zu können. Tja, schade irgendwie. Noch mehr ist es natürlich schade, daß zusammen mit dem Spezialteam auch „Big Red“ durch das Portal in die Jetztzeit zurückkehren kann.

„Was ist das denn?“, fragt dann auch der mies synchronisierte Einsatzleiter, der offenbar den Teil der Mission mit der Zeitreise-in-die-Saurierzeit-und-Leute-vor-gefräßigen-Raubtieren-retten verpennt hat. Tja, und so läuft nun also ein wildgewordener Saurier durch die Stadt und stellt allerlei Unfug an. Die Jagd unserer Helden nach dem wüsten Biest zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß der schlimme Saurier ihnen permanent stiften geht. Es passiert tatsächlich vier- oder fünfmal, daß plötzlich keiner mehr weiß, wo der Saurier ist – und wir wissen ja alle, wie nervig es ist, so einen hochhausgroßen Dino zu verlieren, bei dessen Fußtritten die Erde bebt, und das auch noch mehrmals in ein- und derselben Nacht.

Zum Glück kann sich unser brillantes Team per Heliproko– … Heliprop– … Holikoptus– … Prokopopter– … ach, per Hubschrauber halt! – auf die Suche nach dem entwichenen Untier machen. Das machen sie übrigens nicht, indem sie aus dem Fenster schauen, sondern indem sie auf eine Karte mit Wärmesensor starren. Nach frustrierenden Minuten kommt der Pilot auf die glänzende Idee, in den Nachtmodus umzuschalten – oh ja, das ist ein Schalter neben der Karte, auf dem „Day“ und „Night“ steht, aber bevor man sich noch fragen kann, warum die bei Nacht im „Day“-Modus herumhelikoptern, erläutert Erik auch schon, daß sie den Dino so gar nicht finden können, weil er wechselwarm ist. Ach so! Na dann … müssen die Jungs wohl doch aus dem Fenster schauen und hoffen, daß sich das Riesenvieh nicht wieder irgendwo hinter einer Mülltonne versteckt.

Unsere Steinzeit-Haudegen (es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß das Zeitalter von 60-70 Millionen Jahren vor Christus keinesfalls als Steinzeit bezeichnet werden kann und dieser Terminus nur in übertragener Form verwendet wird, was den vorliegenden Text hoffentlich nicht unwissenschaftlich erscheinen läßt) … wo waren wir? Ah ja: Unsere Steinzeit-Haudegen springen jetzt aus dem Hubschrappschrapp und stellen fest, daß sie dank des veränderten Sauerstoffgehalts der Luft (gegenüber dem vor 60 oder 70 Millionen Jahren) superschnell laufen können. So hecken sie also einen Plan aus, den Dino zu ködern – wobei das natürlich erstmal voraussetzt, daß sie ihn finden! Nur wenige Minuten später laufen die heiteren Gesellen dann vor dem Dino fort und müssen feststellen, daß sie abgesehen vom Finden des Sauriers noch gar keinen Plan zu seiner Beseitigung ausgeheckt haben. Tja, schnell laufen ist super, aber superschnell denken wäre ja auch eine schöne Fähigkeit.

So locken sie den Dino dann also in einen Tunnel, wo plötzlich ein gar aufregendes Finale abgefeiert wird. Plötzlich taucht nämlich ein Panzer aus dem Nichts auf, der den Dino aufhält. Im Panzer sitzt der junge Frank Reno, der den verwunderten Helden erläutert, daß er doch aus der Dinozeit entkommen konnte, ins Jahr 1948 zurückgereist ist, seinem jungen Ich den ganzen Schmonses erläutert hat und das junge Ich dann also mitsamt Panzer und ein paar wackeren Kameraden zum Dinoflöten ins Jahr 2008 befördert hat. Macht Sinn, ja? Theorien, wieso der junge oder der alte Frank Reno wußte, wo exakt sich der Dinosaurier zu einem bestimmten Punkt befinden würde, werden gerne per Kommentarfunktion entgegengenommen.

Der Dinosaurier wartet übrigens geduldig, bis Frank alles erklärt hat, bevor er wieder angreift. Dann wirft ihm Frank das Gerät ins Maul, mit dem sich das Zeitportal erstellen läßt, und der Dino wird in seine Zeit zurückgebeamt. Freundlicherweise bleibt der Zeitportalgenerator zurück. Frank teleportiert sich zusammen mit der Frau mit den knappen Shorts zurück die Vergangenheit, während Erik diesmal zurückbleibt, um das Zeitportal zu schließen. (Daß jeder herumstehende Fußgänger vielleicht diese Aufgabe übernehmen könnte – immerhin nur ein Knopfdruck – fällt dem guten Mann nicht ein. Eventuell ist der veränderte Sauerstoffgehalt doch einfach nur schädlich für das Gehirn?) Wenigstens bleibt die strahlende Blonde bei ihm. Warum war es doch gleich wichtig, nicht verändernd in die Geschichte einzugreifen? Und wer schickt jetzt die Kameraden im Panzer zurück?

Also, jetzt, wo ich das alles aufgeschrieben habe, kommt mir doch ein wenig der Verdacht, daß der Film gar nicht so gut ist.



100 Million BC (USA 2008)
Alternativtitel: 100.000.000 BC
Regie: „Louie Myman“ (= Griff Furst)
Buch: Paul Bales
Darsteller: Michael Gross, Christopher Atkins, Greg Evigan, Marie Westbrook, Wendy Carter
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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