Die blonde Sexsklavin (1971)

Uncategorized / 8. September 2007
Nachdem wir kürzlich die – ausdrücklich, das soll an dieser Stelle festgehalten sein, seitens der Chefredaktion gewünschte! – achtteilige Ingrid-Steeger-Retrospektive mit einer Betrachtung des harmlosen Entkleidungsfilmchens DIE STEWARDESSEN gestartet haben, tauchen wir nun tiefer in das Schaffen der guten Frau ein, das sich da in dem bereits erwähnten Boxset angesammelt hat. Heute auf dem Programm: Ein lustiger Reigen aus dem Jahre 1971, der auf DVD den eher unsubtilen Namen DIE BLONDE SEXSKLAVIN trägt.

Es sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, daß dieser Streifen im Kino noch DER LÜSTERNE TÜRKE hieß, aber womöglich haben die Marketingspezialisten des zuständigen DVD-Verleihs den Titel als unkommerziell eingestuft. Genaugenommen hieß der Film in vollständiger Länge DER LÜSTERNE TÜRKE: SEINE NÄCHTE MIT ELIZA, SULEIKA UND RANAH … UND WIE ES IHM ERGING, und im Prinzip kann man sich durchaus fragen, warum man ihn denn nicht gleich DIE KUNTERBUNTEN ABENTEUER DES LÜSTERNEN TÜRKENS UND SEINEN VIELEN FRAUEN IM HAREM MITSAMT GEFANGENNAHME EINER BLONDEN FRAU UND DEREN NACHFOLGENDER FOLTER, ENTJUNGFERUNG SOWIE FLUCHT AUS DEM PALAST ARM IN ARM MIT EINEM EBENSO GEFANGENEN BLONDEN ENGLÄNDER genannt hat. Ach, das ist blöd, jetzt habe ich die Handlung wohl schon verraten.
Laut der DVD-Info lehnt sich der Streifen übrigens nicht nur an Mozarts ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL an, sondern auch an den 1860 erschienenen Roman DER LÜSTERNE TÜRKE, der, wir wollen es nicht verschweigen, schon ein paar Jahre zuvor als THE LUSTFUL TURK vom amerikanischen Schundproduzenten David F. Friedman verfilmt wurde. Man darf also vorsichtigen Fußes von einer Literaturverfilmung sprechen, auch wenn man angesichts des S/M-Swinger-Gedöns auf dem Bildschirm schwerlich den Schluß ziehen wird, daß irgendwer in der Crew hat lesen und schreiben können. Inszeniert wurde der vorliegende Film übrigens von einem Menschen, der sich „Dr. Renato Frustratus“ nennt, wobei der Name gewisse Assoziationen auf den Unterhaltungswert des Streifens ermöglicht. Ach, und wo wir gerade dabei sind: Das Nacktspektakel trug auch schon die Titel DIE HAREMSDAME DES SCHEICHS (zu fad) und GEFANGEN UND ZUR LIEBE GEZWUNGEN (zu viel SAT1-Flair). Alle bislang gesammelten Information sind übrigens völlig irrelevant, aber wie sonst soll man hier mehrere Absätze füllen.

Der Film beginnt mit einem Sultan (Arnold Marquis, der sicherlich eine Wette verloren hat), der sich von seinen Haremsfrauen etwas vortanzen läßt, aber dennoch nicht ganz glücklich zu sein scheint: „Der Pfahl des Glücks ist geknickt“, seufzt er einer schwarzhaarigen Lieblingsfrau vor, die ihm zum Trost eine Geschichte erzählt. Die Geschichte haben wir ja oben schon gewissermaßen preisgegeben, und sie unterteilt sich streng in zwei gleichlange Hälften: In der ersten wird die arme Ingrid dauernd vom Bey von Algier gefoltert, in der zweiten Hälfte wird dann dauernd Liebe gemacht. Das ist so dröge, wie es klingt, aber sicherlich gibt es ein enthusiastisches Publikum für solch schönes Auspeitschen von nackten Frauenkörpern.

Nachdem das Prozedere eher unspektakulös vonstatten geht, muß der Soundtrack für Heiterkeit sorgen: Zwischen allerlei orientalisch angehauchtem Gezwitscher kuscheln sich da liebkosende Körper zu den zünftigen Klängen einer Tuba aneinander – ein Instrument, dessen erotisierende Kräfte außerhalb bayrischer Blasmusikkapellen ja bislang eher verkannt wurden. Zu hymnischem Piano, säuselnden Gesängen und psychedelisch verzerrter E-Gitarre wird die arme Ingrid dann defloriert, und wenig später hocken der Bey und sein Kumpel Omar im türkischen Bad und lassen sich beim geschäftlichen Gespräch von zwei Sklavinnen umsorgen: „Allahs Flöten können nicht besser geblasen werden“, schwärmt Omar, und es drängt sich der verzweifelte Wunsch auf, daß sich der Film wenigstens in die Albernheit hätte retten können. Ganz zum Schluß wird in einer Orgie viel getanzt und gegessen, und weil die Uhr so gar nicht vorrücken will, möchte man beinahe wieder an ein, zwei herzhaften Folterungen teilhaben.

Ich hab‘ da mal wieder irgendetwas nicht verstanden, fürchte ich.

Die blonde Sexsklavin (Deutschland 1971)
Originaltitel: Der lüsterne Türke
Alternativtitel: Die blonde Haremsdame
Regie: „Dr. Renato Frustratus“ (= Michael Miller)
Drehbuch: „Dr. Renato Frustratus“ (= Michael Miller)
Musik: Rolf Bauer, Horst A. Hass
Produktion: Avco
Darsteller: Ingrid Steeger, Claus Tinney, Arnold Marquis, Angelica Wehbeck
Länge: 78 Minuten
FSK: 16

Das Photo des Original-A1-Plakats wurde mit freundlicher Genehmigung von Thomas-Werner Steigler und seinem eBay-Shop cardsandmore0618 zur Verfügung gestellt.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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