Filmjournal

Filmnotizen: Karate Kid / Inglorious Bastards

KARATE KID (2010). Im Vorfeld hat ja alles irgendwie immer nur skeptischer gemacht: Wer braucht ein Remake des wunderbar gelungenen KARATE KID von 1984? Warum wird der Protagonist vom Teenager zum mehrere Jahre jüngeren Kind umgeschrieben? Warum muß der immer etwas zu alberne Jackie Chan den liebgewonnenen Mr. Miyagi (bzw. hier: Mr. Han) spielen? Und was wird Regisseur Harald Zwart beisteuern, der davor DER ROSAROTE PANTHER 2 inszenierte? Man kann weiß Gott nicht behaupten, daß man wirklich gespannt auf das Ergebnis gewesen wäre.

Und hier ist die Überraschung: Die 2010-Version von KARATE KID ist ein richtig guter Film geworden. Obwohl die Dramaturgie des Originalfilms komplett erhalten bleibt (und das soweit, daß teils Szenen 1:1 funktionieren), kriegt der Film mit der Änderung des Settings und seinem jüngeren Protagonisten eine eigene Note. Mutter und Kind ziehen ja hier nicht nach Kalifornien wie im Original, sondern nach China, wo ein schwarzer Junge von vornherein ein noch viel größerer Außenseiter ist und oft auch nicht einmal versteht, was die Menschen denn überhaupt zu ihm sagen. Jaden Smith – der schon in DAS STREBEN NACH GLÜCK beeindruckend natürlich gespielt hat – ist seiner Rolle absolut gewachsen und schafft es mühelos, einen 2½-Stunden-Film zu tragen. Jackie Chan blödelt nicht herum und gibt seiner Figur eine glaubwürdige Verschlossenheit, die nur gelegentlich für etwas trockenen Humor aufbricht. Und Zwart inszeniert die Geschichte liebevoll und sorgfältig, läßt sich Zeit für den Aufbau und präsentiert gleichsam untouristische Bilder von den Straßen von Peking und umwerfende Aufnahmen der chinesischen Landschaft.

Der schönste Moment passiert allerdings gleich am Anfang, bei der Einführung von Mr. Han: Er sitzt in seiner Wohnung und hält seine Eßstäbchen parat, während eine Fliege um ihn herumsaust. Und während man darauf wartet, daß er wie Miyagi im Original mit den Stäbchen nach der Fliege schnappt, haut er das Tier flugs mit der Fliegenklatsche platt.

 

INGLORIOUS BASTARDS (1978). Früher hieß der Film bei uns EIN HAUFEN VERWEGENER HUNDE, aber dann gefiel Quentin Tarantino dieses Kriegsscharmützel so gut, daß er die Remake-Rechte erworb, nur um den englischen Original-Titel verwenden zu können – und der prangt natürlich nun auch auf dieser schönen BluRay-Neuauflage. Ein Trupp von Deserteuren, Dieben und Verbrechern schlägt sich 1944 durch das von den Deutschen besetzte Frankreich und räumt auf dem Weg in die sichere Schweiz (Begründung: „Die Schweizer sind so schön blöd, und woanders ist ja überall Krieg“) mit allerlei Nazigesocks auf. Dann treffen sie auf eine Gruppe Partisanen und müssen feststellen, daß der letzte Nazitrupp, den sie erledigt haben, eigentlich ein amerikanisches Spezialkommando war, das den Sprengkopf einer deutschen V2-Rakete aus einem Zug entwenden sollte – und da lassen sich unsere schießfreudigen Gesellen doch schnell überreden, für die ausgefallene Mannschaft einzuspringen.

Wirklich komplex verknüpft sind die einzelnen Handlungselemente hier nicht – da wird von Punkt A zu Punkt B weitermarschiert, und überall passiert etwas. Mal nehmen die Jungs einen deutschen Kriegsgefangenen mit (Raimund Harmstorf!), der ihnen Hilfe anbietet; dann ballern die Jungs einen üppigen Nazikonvoy zu Schrott; dann treffen sie ein paar nacktbadende Frauen, die beim Anblick des Schwarzen in der Truppe gleich die Maschinengewehre vom Truck holen und losschießen (ohne sich vorher etwas anzuziehen). Da gibt’s also viel Action, aber nicht unbedingt viel Spannung, aber Regisseur Enzo G. Castellari erzählt das Kriegsabenteuer nicht nur handwerklich sauber und einigermaßen flott, sondern eben auch mit der Portion Pulp, die nicht nur Tarantino anspricht – seien es die barbusigen MG-Ladies oder Fred Williamsons markanter Schnauzbart beim flapsigen Männlichkeitsposieren: Unterhaltsam ist das nicht allzu ernst zu nehmende Prozedere durch die Bank. Und das durchaus spannende lange Finale mit dem Zug kann sogar mit einigen beeindruckenden Stunts und sehr gelungenen Aufnahmen aufwarten.

Das Aufregendste am Film ist aber die BluRay: Was für ein wunderbares Bild doch hier aus dem alten billigen Film herausgeholt wurde. Das Bild ist scharf und sauber und läßt das B-Movie fast so schön strahlen wie Darsteller Peter Hootens blaue Augen: So macht es Spaß, alte Filme (wieder) zu entdecken. Da gebe ich mich doch glatt Tagträumen darüber hin, daß alte italienische Kost von Lenzi bis Mattei, von Margheriti bis De Angelis so schön aufbereitet wird und mal nicht als verwaschene Billigsdorfer-DVD, sondern als sorgfältige HD-Version genossen werden kann …

 

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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