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FANS – FANS – FANS – RUNTER MIT DEN PANTS: Wunschphantasien und Wortspiele

Was für ein wohlklingender deutscher Titel: FANS – FANS – FANS – RUNTER MIT DEN PANTS. Da weiß man schon eher, wohin die Reise geht, als beim nüchternen Originaltitel THE CHEERLEADERS: Eine Clique ansehnlicher Anfeuerungsassistentinnen frönt jenen Beschäftigungen, die männlichen Zusehern bei der gesamten GIRLS-UNITED-Reihe immer viel zu kurz kommen.

Die sehr lose arrangierte Handlung dreht sich um die Abenteuer sechs fröhlicher Cheerleader, die sich zu verschiedensten Gelegenheiten mit ihrer Umwelt vergnügen – ob mit einem Footballspieler in der Autowaschstraße oder mit dem Coach in dessen Büro, die jungen Damen lassen wenig Gelegenheiten aus. Weil eine der Cheerleaderinnen Mutterschaftsurlaub antreten muß, heuert die Bande als Ersatz die junge Jeannie an – die ist nämlich noch Jungfrau, weshalb sich die anderen Mädels hohe Chancen ausrechnen, daß kein zweites Schwangerschaftsmalheur die Truppe dezimieren wird. Dumm nur, daß Jeannie exakt aus dem Grund Cheerleader werden will, damit sie endlich an die coolen Burschen herankommt – und dumm außerdem, daß die Anführerin der Cheerleader, Claudia, gewettet hat, daß Jeannie bis zum Ende der Saison unberührt bleibt.

Der Cheerleader-Report, sozusagen. Warum gibt es eigentlich in heutigen Trailern so wenig zu lesen? Rechts im Bild: Jeannie (Stephanie Fondue).

THE CHEERLEADERS ist ganz klar die Erfüllung einer Phantasie. Immerhin gelten die elitären Cheerleaderinnen an amerikanischen Schulen als meist unerreichbare Wunschträume: Die attraktiven Mädchen sind einerseits jung und damit gewissermaßen unschuldig, stellen mit ihren knappen Uniformen und ihren Körperbewegungen ihre Sexualität aber gleichzeitig sehr wirkungsvoll zur Schau; in Verbindung mit ihrer gleichzeitigen Popularität und der cliquenhaften Unnahbarkeit wird so ein Idealbild geschaffen, das eine Art verbotenes Verlangen produziert.

Nicht umsonst startete der 1972 entstandene THE CHEERLEADERS quasi ein ganzes Subgenre an Cheerleader-Phantasien, das bis zum heutigen Tage vital bleibt. Neben diversen Sexkomödien und anderen Reißern führt die Linie dabei auch zu harmlosen Tanzfilmen wie CHEERBALLS oder zu der disneyfizierten Welt von GIRLS UNITED (in dessen Audiokommentar Regisseur Peyton Reed auf eine gezielte Hommage an THE CHEERLEADERS hinweist!). Ganz eifrig hat sich auch die Erwachsenenunterhaltung auf den Cheerleader-Fetisch spezialisiert: Eine kurze Suche nach dem Schlüsselwort „cheerleader“ in der einschlägigen Datenbank IAFD zeigt stolze 483 Filme, die seit 1974 entstanden sind.

„Herzliche Grüße, Ihr Vladimir Nabokov.“

Regisseur Paul Glickler weiß jedenfalls, wie er diese Phantasie zu inszenieren hat. Wie die Superheldinnen laufen die Mädchen selbst in Alltagssituationen im kurzen Cheerleader-Kostüm herum, räkeln und dehnen sich, und die Kamera erfreut sich an jeder ihrer Bewegungen. Immer wieder kriegen vor allem die Popos mit den roten Höschen eigene Einstellungen spendiert, damit die Gedanken entsprechend aufblühen können.

Und doch ist THE CHEERLEADERS doppelbödiger, als man meinen könnte. So sehr sich alles um Sex dreht, so entspannt wird doch damit umgegangen: Sexualität ist hier nichts Fremdartiges und Mystisches wie in PORKY’S oder AMERICAN PIE, sondern etwas ganz Natürliches, das einfach Spaß macht. Immerhin sind die Protagonisten von THE CHEERLEADERS die Mädchen, im Gegensatz zu den genannten Filmen, und sie initiieren viele (aber nicht alle) ihrer Abenteuer selber.

Claudia (Denise Dillaway) beweist echten Sportsgeist.

Tatsächlich ist der Sex hier auch nichts, was wahnsinnig ernst genommen wird. Wenn er nicht so viel Raum im Film einnehmen würde, könnte man fast behaupten, er würde beiläufig passieren – und oft genug ist er mit einem Witz verknüpft, der im Gegensatz zu den genannten Teeniefilmen nicht auf Peinlichkeit oder Schamgefühl abzielt, sondern eher Freude an der Absurdität hat. Beispielweise, wenn der Fußballcoach wie ein spielendes Kind am Boden herumkrabbelt, während er sich am Anblick von Cheerleaderin Claudia erfreut, die nach jedem Schnitt in einem anderen halbnackten Sport-Outfit lockt. Oder wenn ein Techtelmechtel mit der jungen Jeannie eingefädelt werden soll, das so chaotisch abläuft, daß irgendwann jemand im Ganzkörper-Bärenkostüm herumläuft und ein Wasserbett explodiert. Zum Schluß sollen die Cheerleaderinnen wie die Succubi den gegnerischen Footballspielern die Kraft entziehen – und müssen nach vollbrachtem Vergnügen leider feststellen, daß es ihre eigene Mannschaft ist, die jetzt kaum mehr stehen kann!

Gerade dieser Spaß am Skurrilen hat auch den Effekt, daß man dem Film schwerlich böse sein kann. Anderswo wäre es eine Szene wie die, in der Jeannie als Mutprobe im Umkleideraum der Jungs duschen soll und die sich dann wonnig auf sie stürzen, höchst problematisch, weil sie vor dem Andrang der nackten Burschen zu entkommen versucht – aber hier bleibt der Unfug durch eine gewisse Comichaftigkeit völlig harmlos: Die Jungs türmen sich wie am Footballfeld zu einem Berg an Körpern, unter dem Jeannie mühsam emporkriecht.

Superheldinnen im Alltag: Die Cheerleaderinnen Debbie (Brandy Woods), Bonnie (Jovita Bush), Jeannie (Stephanie Fondue), Patty (Kim Stanton) und Suzie (Sandy Evans, v.l.n.r.).

Die Freude am spielerischen Unfug schlägt sich übrigens auch in der Sprache von THE CHEERLEADERS nieder: Da wird albern herumgereimt, daß sich die Balken biegen. „I’m wise to the rise in your Levi’s“, gurrt Cheerleaderin Suzy einen Burschen zur Anmache an. Jeannie will das auch lernen, plappert aber nur Nonsens: „You’ve got pies in your Levi’s“, sagt sie, und: „Keep a mule on the stool.“ Anderswo heißt es „Don’t get your liver in a quiver“ oder „There’s malaria in the area!“ Und selbst wenn mal nicht gereimt wird, merkt man Spaß am Dialog – zum Beispiel, wenn Claudia einen Biker in die Schranken verweist, der sie auf dem Motorrad mitnehmen will: „I can assure you we’re hardly in need of your charity. We have our own vehicular transportation, and when it comes to making decisions concerning our companionship, we are quite capable of arriving at our own judgment after weighing the alternatives.“

Übrigens: Laut dem Audiokommentar verbrigt sich hinter Drehbuchautor „Ace Baandige“ ein Mann namens David, der tatsächlich schon Reden für einen Präsidenten geschrieben hat. Mal überlegen – gibt es ein US-Staatsoberhaupt, das gerne gereimt hat …?

 

Fans – Fans – Fans – Runter mit den Pants (USA 1972)
Originaltitel: The Cheerleaders
Regie: Paul Glickler
Buch: „Ace Baandige“, Paul Glickler, Tad Richards
Kamera: Richard Lerner
Musik: David Herman
Darsteller: Stephanie Fondue, Denise Dillaway, Jovita Bush, Brandy Woods, „Sandy Evans“ (= Clair Dia), „Kim Stanton“ (= Kimberly Hyde), Richard Meatwhistle

Die Screenshots stammen von der DVD (C) 2015 KNM/Movie Power.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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