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[Film] Prey – Outback Overkill (2009)

PREY heißt dieser australische Horrorfilm ganz unschuldig, und mitunter wird er auch als THE OUTBACK und DREAMTIME’S OVER gehandelt – alles zusammengemixt gibt den schönen „deutschen“ Titel PREY – OUTBACK OVERKILL, und wenn ich aufregenden Krempel herzuschenken hätte, dann könnte ich damit ein Gewinnspiel machen und fragen, was genau denn ein „Outback Overkill“ ist. Zuviel Outback?

Nach kurzer Vorgeschichte (die wir jetzt einfach mal geflissentlich ignorieren, weil sie ohnehin erst später Sinn ergibt … oder zumindest vortäuscht, das zu tun) lernen wir in flotten Schnitten und pseudo-stylischer Musikvideo-Inszenierung unsere Protagonisten kennen, die einen Wochenend-Urlaub im Outback planen. Jede Figur bedient brav einen Stereotypen, und nicht mal der ist irgendwie für das Prozedere relevant: Da ist der Yuppie Gus (Alphatier), die Krankenschwester Kate (vernünftig), die Anwältin Ling (exotisch), die Esoterikerin Annika (naiv & blond), der Haudegen Jason (draufgängerisch) und der schwule Matt (tuckig). Jeder davon kriegt einen Satz und eine Viertelszene zur Einführung, bevor die unsympathischen Vollpfosten dann ins Outback fahren. Jedes Sequel von FREITAG DER 13. mutet dagegen wie ein Woody-Allen-Charakterdrama an.

Auf der Fahrt (in drei getrennten Wagen) ereignen sich natürlich auch schleunigst un-glaub-lich ominöse Geschehnisse. Also wirklich. Bei der Fahrt durch die Nacht zum Beispiel überfährt Gus scheinbar eine plötzlich auf dem Weg herumstehende Person, aber es gibt keinen Laut zu hören und nach dem Aussteigen ist natürlich mal wieder keiner zu sehen. DER WAHNSINN! SPIELT DAS AKTE-X-THEMA! Und beim Halten an einer Tankstelle kriegt Kate einen Umhänger von einem zerzausten Herren geschenkt, dem sie auch für 20 Dollar eine Landkarte mit irgendeinem aufgemalten Wasserloch abkauft – und der dann, nachdem sie sich kurz umgedreht hat, spurlos verschwunden ist. UNGLAUBLICH MYSTERIÖS! ICH PACK’S NICHT MEHR! WO BLEIBT DIE MUSIK?

Aber ruhig Blut, ein bißchen Geduld muß man schon aufbringen, bevor wirklich etwas passiert – und das, obwohl der Film nur schneidige 75 Minuten lang ist! Unser Trupp fährt also die auf der gekauften Karte eingezeichnete Straße entlang, bis dann plötzlich einer der Jeeps in einem Loch in der Straße steckenbleibt. Da hilft kein Vor und kein Zurück mehr – es muß gebuddelt werden. Das machen die Burschen, bis es finster ist, und dann kriecht Jason unter den Jeep, um mit einem kleinen Schäufelchen das Rad freizubekommen – woraufhin sich beängstigenderweise Schlangen am Wagen zeigen und urplötzlich der Wagenheber zusammenkracht. Das verbeult den Kopf des Herrn unterm Auto doch empfindlich. Die anderen probieren noch panisch, den Wagen mit bloßer Muskelkraft wieder anzuheben, aber es hilft freilich nichts: Jason wird seinen Urlaub im Outback nicht mehr vollauf genießen können.

Nach ein paar mißmutigen Blicken kommen die übrigen Gesellen übrigens darauf, den steckengebliebenen Wagen mit einem improvisierten Seil an den davorstehenden anzuhängen und ihn damit aus dem Loch herauszuziehen. Ja, geniale Einfälle brauchen eben manchmal etwas mehr Zeit. Nachdem sie ein paar Sekunden eher bedröppelt um Jasons Leiche herumgestanden sind, hieven sie den Verblichenen in ihren Kofferraum und fahren weiter. Bis sie dann – oh Gott! – nach stundenlanger Fahrt wieder an exakt derselben Stelle ankommen, wo sie eben noch waren! WELCH UNGLAUBLICHE WENDUNG! ICH KRIEG DIE TÜR NICHT ZU! SPIELT HIER BITTE ENDLICH MAL JEMAND DIE X-FILES-MUSIK?!?

Wir sind jetzt nicht einmal bei der Hälfte dieses Meisterwerks angekommen und mir wird schlagartig klar, was ein OUTBACK OVERKILL ist: Ich kann diese Outbacks auch schon nicht mehr sehen. Ganz im Gegensatz zu den Filmemachern übrigens, die sicherlich sehr froh sind, ein solches Setting zu haben – nicht etwa, weil es so malerisch wäre, sondern weil es erlaubt, die komplette Geschichte im ewig selben Sand ablaufen zu lassen. Die Urlauber entscheiden sich nämlich erstmal, an dieser Stelle zu übernachten, um dann tagsüber wieder heimfahren zu können. Und – wer ahnt es? – nur wenige Minuten später ist Matt auch schon tot: Hinter ihm taucht nämlich plötzlich Zombie-Jason auf, mit brennender Gesichtshälfte, und Matt fragt „Jason?“ in einem Tonfall und mit einem Gesichtsausdruck, als wollte er sagen: „Mensch, Alter, machst du etwa auch Urlaub hier im Nichts?“

 

Zombie-Jason schlägt Matt nieder, woraufhin der von zahlreichen Schlangen gebissen wird und dann mit aufgedunsenem Kopf vor sich hinröchelt. Irgendwas platzt, auf die herumstehenden Freunde fliegen ein paar Blutfetzen, und die Esoterikfrau fragt: „Sollten wir nicht seinen Puls messen?“ Wer ab dieser Stelle noch glauben sollte, daß sich der Film qualitativ noch steigern wird, für den hätte ich auch noch eine hübsche Brücke in Brooklyn günstig zu verkaufen. Nur leicht gebraucht!

So fahren die restlichen Menschen also doch weiter und geraten in eine Sackgasse – der Weg endet, dahinter ist nur ein Hügel. Blöd irgendwie. Während da übrigens so zu spaßiger Heavy-Metal-Musik herumgefahren wird, darf ich noch konstatieren, daß die Figuren sich zu keinem wie auch immer gearteten Zeitpunkt irgendetwas zu sagen hätten. Die reden ganz einfach über nichts. Abgesehen natürlich von: „Oh Gott!“, „Oh nein!“, „Was ist das denn?“, „Ich habe Angst!“ und „Wir müssen hier weg!“. Ich hoffe ja schon seit der ersten Viertelstunde des Films darauf, daß die ganze Gruppe bitteschön möglichst bald Kannibalen in die Hände fällt oder von einem Meteoriten getroffen wird.

So stehen sie also nun in der Sackgasse und hocken im Wagen, weil draußen der Sturm weht – zumindest auf dem Soundtrack tut er das; die sichtbaren Äste der Wüstensträucher bewegen sich leider keinen Millimeter. WIE UNHEIMLICH! WELCH NERVENKITZEL! KANN DAS ÜBERHAUPT NOCH GUT AUSGEHEN? Gus steigt aus – weil er die klappernde Tür des anderen Jeeps zumachen will, in dem die beiden Toten gelagert werden – und verschwindet. Nach kurzer Zeit finden die Mädels ihn dann leblos in den Sand eingegraben. Wir sind übrigens mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem mich nicht mal mehr der tiefe Ausschnitt der Esoterik-Blondine irgendwie über Wasser hält.

Die weiteren Geschehnisse verschwimmen nun etwas. Die Blondine stirbt (vom Auto überfahren, wobei ihr ihr schöner Wunderkristall in die Brust gerammt wird), und die beiden übriggebliebenen Mädels kämpfen mit der Kettensäge gegen die erneut mit Zombiepower herumzappelnden Kerle. (Die Kettensäge gehört wohl zum Standardinventar der Outback-Jeeps – ganz im Gegensatz zu einem Abschleppseil.) Der Grund, warum sich das Prozedere jetzt nicht hundertprozentig im Detail festgesetzt hat, liegt darin, daß Kate nach erfolgreichem Kampf gegen die Zombies … – ach, da müßte man ja jetzt fast ein Ratespiel draus machen. Was macht Kate? Lacht sie? Bricht sie erschöpft zusammen? Springt sie in den Wagen und fährt schleunigst weg? Schaut sie sich auf der Karte um, wo sie überhaupt ist? Na? Na?

Quatsch.

Sie duscht sich.

Oh ja. Der Jeep hat nämlich eine eingebaute Dusche, und unter der säubert sie sich erstmal ein wenig, wobei ihr Ling zusehen darf. Bevor jetzt jemand schreien kann, daß da urplötzlich homoerotische Spannungen ins Geschehen eingebracht werden, die vorher gar nicht dramaturgisch geschliffen eingeführt wurden, darf ich noch hinzufügen, daß Kate sich duscht, ohne ihre Klamotten auszuziehen. Nackt wäre ja auch irgendwie Exploitation, und das wollten die Filmemacher ja sicherlich nicht.

Sparen wir uns den Endkampf gegen den zerzaust aussehenden Herren – der macht kaum mehr Sinn als die plötzlich auftauchenden Rückblenden, die uns verraten, daß die im Vorspann gezeigten Menschen mit Kate verwandt waren. Konzentrieren wir uns lieber auf das, was ganz zum Schluß passiert: Kate und Ling sitzen im Jeep und lächeln zufrieden. Sie freuen sich. Alle Gefahren sind überstanden. Das Leben ist schön. Die Sonne scheint. Die beiden küssen sich. Mit Zunge.

Ja, manchmal müssen Menschen extreme Situationen durchleben, um zueinanderzufinden. Oder um ihre wahre Sexualität zu entdecken. Nach derartig intensiver Identitätsfindung unter solch hohem Zivilverlust müssen die beiden Frauen natürlich noch ein wissendes Resümee ziehen. „Wir haben überlebt“, sagt Kate. „Ja,“ sagt Ling, „wir haben überlebt“. Abspann.

JA! ICH HAB’S AUCH ÜBERLEBT! DEM HIMMEL SEI DANK! DIESEN HORROR HÄTTE ICH KEINE MINUTE LÄNGER AUSGEHALTEN!

Prey – Outback Overkill (Australien 2009)
Originaltitel: Prey
Alternativtitel: The Outback / Dreamtime’s Over
Regie: Oscar D’Roccster
Darsteller: Natalie Bassingthwaighte, Jesse Johnson
FSK: 18

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. "bevor die unsympathischen Vollpfosten"…

      und du findest meine Interviews böse?
      schöne Schlusszeile.

      Ich will diesen Film sehen 😀

    2. klingt ja völlig großartig!

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