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Happy End am Wolfgangsee (1966)

Vor langer Zeit wurde hier einmal die These aufgestellt, daß Filme, die am Wörthersee spielen, um runde 15% lustiger sind als Filme, die an irgendwelchen anderen Seen gedreht wurden (siehe: hier). Welch ein Glück, daß der Dinosaurier des österreichischen Films, der große Franz Antel, schon 1966 bewiesen hat, daß auch weniger populäre Gewässer mit der humoristischen Güteklasse des Kärntner Teichs mithalten können! Und zwar mit der Komödie HAPPY END AM WOLFGANGSEE, die ursprünglich mal 00-SEX AM WOLFGANGSEE hieß – vermutlich, damit man nicht schon im Titel erfährt, wie der Film ausgeht.

Da sind also mal alle bewährten Muster des deutschsprachigen Unterhaltungskinos versammelt: Ein Hotel, viel Liebe, ein paar dufte Schlager, debiles Gehampel von sogenannten Volksschauspielern (der Begriff dient sicherlich der Abgrenzung vom richtigen Schauspieler – wäre das dann der Staatsschauspieler?), sehr flache Witze, bei denen sich die Sechsjährigen mitunter schon die Hand auf die Stirn klatschen, und natürlich: eine lange Kette an Verwechslungen. Schließlich wurden in Deutschland ja schon vor dem Krieg Menschen verwechselt: DREI MÄNNER IM SCHNEE. Und weil so ein österreichisches Lustspiel ja auch immer mit diversen Bergen, Wiesen und Lokalkolorit die Touristen anzulocken versucht, können die Erzählmuster beider Länder getrost als Einheit verstanden werden.

In diesem schönen Hotel am Wolfgangsee spielen sich nun also verschiedene – nennen wir es mal: – Episoden ab. Da ist der schwerreiche Hotelbesitzer, der als Playboy ein gutes Dutzend fescher Damen an der Hand hat. Der kriegt Besuch von Steuerprüferin Waltraut Haas, die sofort an der Frisur zu erkennen ist: Eine Mischung aus Bienenstock und Eierwärmer. Die gute Frau ist schwer verliebt in den Hotelbesitzer, was sie aber unter diversen strengen Ermahnungen zu verstecken weiß: Der Herr möge doch endlich einmal seine Steuern ernst nehmen! Der wiederum kommt nicht darauf, daß Frau Haas ihn gerne heiraten möchte, obwohl sie ihm stets eine Eheschließung zur Einordnung in eine günstigere Steuerklasse empfiehlt. Außerdem trägt sie eine Brille, und wir wissen ja, daß bebrillte Frauen im Film immer unattraktiv sind, bis sie dann endlich mal auf Kontaktlinsen umsteigen (oder halbblind durch die Gegend stolpern) und sofort zum Sterben schön aussehen. Wir sehen: Den beiden steht viel Arbeit bevor.

Mindestens ebenso aufregend ist die Verwicklung um die Band, die im Hotel zur Belästigung der Gäste angeheuert wurde: „Die Gentlemen spielen einen knallharten Beat“, weiß uns der Portier (Raoul Retzer!) zu berichten, aber in der Tat spielen die Gentlemen zumeist eine knallharte Schlagersoße, bei der im wirklichen Leben das Hotel alsbald dank flüchtender Gäste Konkurs anmelden dürfte. Nur manchmal wachen sie in ihren Käsekuchenuniformen auf und spielen einen englischsprachigen Song, der den Beatles-Sound in präzisem Mimikry nachstellt. Jedenfalls wartet die Band, die von Eiskunstläufer Hans-Jürgen Bäumler geleitet wird, zu Beginn des Films noch auf die Ankunft ihres Drummers, einem Peter Werner, und dann taucht eine kleine Frau auf, die sich als Peter ausgibt. Auch hier wieder ein bekanntes Muster des deutschen Heiterkeitsreigens: Egal, wie sehr man doch das Geschlecht einer Person deutlich erkennt – im Film lassen sich eine große Anzahl von Menschen lange hinters Licht führen. Aber vielleicht sind die Gentlemen mit dem knallharten Beat ja auch Drummer mit rosa Lipgloss schon gewohnt und können als Prä-Glamrock-Kapelle verstanden werden.

Aber man muß der Band ja zugute halten, daß die Herren Verdacht schöpfen und der Sache auf den Grund gehen wollen. Sie erkennen dann recht bald, daß sich unter der schwarzhaarigen Verkleidung ihres Drummers eine sehr schöne Frau verbirgt (deren blondes Haupthaar in etwa viermal soviel Volumen einnimmt, wie man es mit der kleinen schwarzen Perücke verbergen könnte). Also probieren die Herren beständig, ihren Drummer zu „outen“, zum Beispiel, indem sie mit ihm/ihr Segeln und dann Nacktbaden gehen. Weil der guten Frau ständig neue Ausreden einfallen und die Herren Musiker wohl viel zu höflich sind, sie einfach auf ihre offensichtliche Scharade anzusprechen, trägt dieser Handlungsfaden auch brav den kompletten Film – und führt selbstverfreilich dazu, daß sich der Bäumler in die Beatprüglerin verliebt und beide dann sofort heiraten wollen.

Bei all diesen lebensnahen Verwicklungen wollen wir aber mal nicht den schönsten Handlungsstrang ignorieren, der sich um zwei Hotelangestellte dreht, und zwar: Paul Löwinger und Franz Muxeneder. Oh ja, die Volksschauspieler. Löwinger ist hier nämlich großer James-Bond-Fan und vermutet ständige Geheimaktionen im Hotel, wovon er dann seinen unterbelichteten Kollegen Muxeneder überzeugen will. Weil Löwinger diverse Gespräche des Chefs von Waltraut Haas abhört und mißversteht (der Mann redet vom „Umlegen“ und meint aber keinen Mordanschlag, sondern eine Buchhaltungstätigkeit: wo ist so ein am Boden rollender Smiley, wenn man ihn mal braucht?), glaubt er also, daß sich eine Bombe im Hotel befindet. Also zieht er seinen guten Freund, den brillanten Erfinden Dr. Gunter Philipp, zu Rate, der ihm auch schon ein Gerät zur Prüfung des Eisengehalts in Gepäckstücken gebastelt hat: Man unterscheidet zwischen Leichteisen, Schwereisen und Schießeisen. Tusch! Der hilfreiche Herr Philipp schlußfolgert also beim Streifzug durch das Hotel: „Es ist naheliegend, daß sich die Bombe in diesem Raum befinden muß“, woraufhin der arme Löwinger erschrickt: „Was denn, die Bombe ist schon naheliegend?“ Jawoll, noch’n Tusch!

Gegebenenfalls ist dieser Handlungsstrang am ehesten der Grund dafür, daß der ganze Film im Lexikon des Internationalen Films mit den kurzen Worten „Klamaukhafte Franz-Antel-Unterhaltung“ abgefrühstückt wird. Freilich gibt es keinen Schmäh, der den drei Grenzdebilen nicht zu plump und zu sparsam wäre, als daß er nicht doch mit aufgerissenen Augen und viel Gefuchtel serviert werden könnte. Da demonstriert Gunther Philipp seine neue Autowaschanlage, die so gründlich funktioniert, daß ein rotes Auto mitsamt einem schwarzen Pudel in strahlendem Weiß wieder herauskommen. Tusch! Beim zweiten Anlauf schrumpft der gewaschene Wagen leider auf Tretautogröße, aber Herr Philipp klemmt sich das Gefährt flugs unter den Arm und stellt es dem verblüfften Kunden zufrieden vor die Füße. Doppeltusch! Beim Basteln einer Abhöranlage weist der Philipp den Löwinger an, mal die Stromkontakte anzufassen – nichts passiert. „Gut“, konstatiert der Erfinder zufrieden, „dann laufen die 5000 Volt doch durch den Generator“. Tusch! Und dann kommt noch Muxeneder dazu, dessen Schreibtischlampe nicht funktioniert, und natürlich hängen sie dann alle drei am Gerät und kriegen den großen Stromschlag, während die Lampe strahlt. Tusch, Tusch! Und ganz hinten gibt sich Philipp auf Agentenjagd als Filmemacher aus. „Da mußt du aber doch was vom Film verstehen“, gibt Löwinger zu bedenken. Philipp kontert: „Aber als Regisseur doch nicht!“ Dreifachtusch!

Erwähnten wir schon, daß der Film fast schmerzhaft beknackt ist?

Happy End am Wolfgangsee (Österreich 1966)
Originaltitel: 00-Sex am Wolfgangsee
Regie: Franz Antel
Drehbuch: Kurt Nachmann, Walter Breuer
Kamera: Siegfried Hold
Musik: Johannes Fehring
Darsteller: Waltraut Haas, Gunther Philipp, Hans-Jürgen Bäumler, Helga Anders, Erwin Stahl, Raoul Retzer, Paul Löwinger, Franz Muxeneder
Länge: 85 Minuten
FSK: 6

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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