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Chuck und Larry – Wie Feuer und Flamme (2007)

Haha! Guckt mal! Schwule! Wie lustig! Die hören den ganzen Tag Village People und ziehen sich bunt an, dann sprechen sie total lustig übertrieben und tanzen wollen sie auch alle. Und dann stellt euch mal vor, ihr steht mit denen unter der Dusche und dann fällt euch die Seife runter. Zum Totlachen!

So oder ähnlich muß Adam Sandler den Film I NOW PRONOUNCE YOU CHUCK & LARRY gepitcht haben. Nun ist es ja leider so, dass das Schwulsein intrinsisch gesehen gar nicht lustig ist, oder andersherum betrachtet exakt so komisch wie das Heterosein. Und Klischees (und somit auch Klischees über das Schwulsein) sind auch nur dann komisch, wenn man sie als Klischees vorführt. Und Adam Sandler selbst kann sich noch so sehr für einen total netten Kerl halten – in Wahrheit lauert in jeder seiner Figuren immer eine beinahe soziopathische Aggressivität, die sich hinter der Maske eines einfachen Simpels verbirgt. Kein Film ist komisch, weil Adam Sandler drin ist, und nur eine Handvoll sind es trotz ihm. (Einige wenige Filmemacher haben Sandler auch exakt so verstanden und seine unterschwellige Aggression perfekt in ernsthaften Dramen eingesetzt, darunter Paul Thomas Anderson in PUNCH-DRUNK LOVE.)

In CHUCK & LARRY spielen Adam Sandler und Kevin James zwei Feuerwehrmänner, die der Allgemeinheit eine homosexuelle Ehe vorspielen, weil Kevin James dann vom Staat finanziell unterstützt wird und das Geld dringend braucht. Und weil wir ja alle etwas lernen sollen und menschlich wachsen müssen, versucht der Film, seine von Homophobie geprägte erste Hälfte (in der die Lacher nicht auf Kosten der Schwulenklischees oder der Intoleranz gehen, sondern auf Kosten der Schwulen) mit einer ernsthaften zweiten Hälfte zu verquicken, in der Adam Sandler dann plötzlich für die Rechte der Schwulen eintritt und lernt, dass man nicht „faggot“ sagt.

Wie sehr der Film seinen eigenen Stereotypen auf den Leim geht, sieht man wunderbar in einer Sequenz, in der Sandler und James auf eine Party für Schwule und Lesben gehen. Sandler erspäht einen hübschen Körper im Playboy-Kostüm und bewegt sich mit flottem Spruch voran, aber dann entpuppt sich das Playboy-Häschen als Kerl (ein wie gehabt völlig debiler David Spade), und Sandler ergreift die Flucht. Freilich ist der Transvestit so überdreht und albern dargestellt, dass der Spaß auf Kosten des Playboy-Kerls geht und nicht auf die der homophoben Sandler-Figur. Es wäre weitaus witziger, wenn sich der Transvestit als völlig normale, freundliche Person entpuppen würde, und stattdessen der sich aufgrund seines beschränkten Horizonts ekelnde Sandler vorgeführt wird.

So bleibt natürlich auch die „Message“ völlig unglaubwürdig. Zumal zum Schluß die komplette Mannschaft der New Yorker Feuerwehr ihre Homophobie ablegt und Sandler und James unterstützt, ein weinender Ving Rhames seine Homosexualität gesteht (wie lustig: der große schwarze Mann als Tunte!), und die gesammelte Community Sandler und James ihre aufgeflogene Lüge nicht etwa krumm nimmt, sondern die beiden plötzlich als Helden der Schwulenszene feiert! (Erstaunlich und befremdlich, dass am Drehbuch Alexander Payne mitgeschrieben hat, der selber zwei großartige und leise Außerseiter-Komödien geschrieben und inszeniert hat: ABOUT SCHMIDT und SIDEWAYS.)

Na gut, dann lassen wir doch mal die Empfindlichkeit und die Glaubwürdigkeit der Vorgänge beiseite: Ist CHUCK UND LARRY wenigstens als Sinnlos-Komödie irgendwie lustig oder unterhaltsam? Die Antwort, abgesehen von ein paar vereinzelten Lachern, die auf der Strecke von knapp zwei Stunden Filmlänge erbärmlich verdursten, bleibt leider: Nein. Wie in jedem Sandler-Film gibt es eine Frau, die jede blöde Meldung von ihm extrem charmant und lustig findet (hier: Jessica Biel, die sich natürlich auch bis auf die Unterwäsche ausziehen darf), und wie in fast jeder Sandler-Komödie sind besagte blöden Meldungen weder lustig noch charmant, weil er nie wie ein echter Mensch wirkt, sondern immer nur wie jemand, der nie irgendetwas ernst meint, sich dabei immer überlegen wähnt, und von einem unsichtbaren Publikum dafür grenzenlos geliebt werden will.

Ohne uns.

Chuck und Larry – Wie Feuer und Flamme (USA 2007)
Originaltitel: I Now Pronounce You Chuck & Larry
Regie: Dennis Dugan
Drehbuch: Barry Fanaro, Alexander Payne, Jim Taylor
Kamera: Dean Semler
Musik: Rupert Gregson-Williams
Produktion: Happy Madison
Darsteller: Adam Sandler, Kevin James, Jessica Biel, Dan Aykroyd, Ving Rhames, Steve Buscemi, Nick Swardson, Rob Schneider, David Spade
FSK: 12

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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