Uncategorized

Schöne Bescherung (1989)

In den Achtzigern war Komiker Chevy Chase ein veritabler Star: Bekannt und beliebt, unnachahmlich komisch und – ganz wichtig! – stets in der Lage, Leute ins Kino zu bringen. Neben seinem völlig über den Dingen stehenden Zen-Golfer Ty Webb in der Anarcho-Komödie CADDYSHACK und dem ironisch distanzierten Journalisten FLETCH bleiben seine Auftritte als wohlmeinender und stets überforderter Familienvater Clark W. Griswald in den VACATION-Filmen im Gedächtnis – eine Rolle, die Chase zu spielen geboren wurde.

Besagte Filmreihe unter dem Banner des satirischen Magazins National Lampoon hatte schon 1983 (DIE SCHRILLEN VIER AUF ACHSE, engl. VACATION) und 1985 (HILFE, DIE AMIS KOMMEN, engl. EUROPEAN VACATION) die Familie Griswald auf Urlaubsreisen geschickt, in denen Familienoberhaupt Clark seine Frau Ellen und die beiden Kinder Audrey und Rusty mit unvergeßlichen Ferien als gemeinsames Erlebnis beglücken möchte – bei denen natürlich schiefgeht, was nur schiefgehen kann. Wo der erste Teil mit schwarzem Humor die uramerikanische Institution Familie sezierte und der zweite Film eine gnadenlose Vorführung touristischer Klischées feierte, zeigt sich der dritte Teil der Serie – mitunter auch als HILFE, ES WEIHNACHTET SEHR gezeigt – bodenständiger und warmherziger.

Diesmal bleiben die Griswalds zuhause, wo Clark in seinem Bemühen, Tradition und Familie zu feiern, das Weihnachtsfest zu einem einzigen Chaos werden läßt. Die angereiste Verwandtschaft – darunter der schon aus dem ersten Teil bekannte Prolet Cousin Eddie – tut ihr übriges, Clark zwischen Tränen der Rührung und Ausbrüchen wütender Verzweiflung hin- und herpendeln zu lassen. Die Katastrophen, die über die Familie hereinbrechen, reichen von kleineren Problemen – der Hund jagt das im Weihnachtsbaum lebende Eichhörnchen und verwüstet dabei die Wohnung – bis zu großen Absurditäten, wenn die Verkettung unglücklicher Umstände dazu führt, daß das Griswald-Haus von einem SWAT-Team gestürmt wird.

Daß der Film funktioniert, ist zum großen Teil Verdienst von Drehbuchautor John Hughes, der mit viel Gespür puren Slapstick, gut beobachteten Alltagsirrsinn und leise, warmherzige Momente verknüpft. Regisseur Jeremiah Chechik schafft es dabei, die Geschichte mit kleinen Details anzureichern, die die komischen und die menschlichen Parts auszeichnen: Die unterschiedlichen Reaktionen von Clarks Eltern und Schwiegereltern, die Balance zwischen den großen und den kleinen Lachern. Chechik erzählt den Film mit einer Portion Ironie – die Vorweihnachtsmontage, die nur aus Konsum besteht, oder das Anrücken der Polizei unter Begleitung des Songs „Santa Claus Is Coming“ – aber er nimmt die Figuren ernst genug, um auch sentimentale Momente auskosten zu können.

Natürlich steht und fällt der Film mit Chevy Chase, dessen Timing absolut unfehlbar ist. Er schafft es, den Familienvater, der der eigenen Rührung oft so ausgeliefert ist und dann allen Widrigkeiten zum Trotz an seinem Plan, das schönste Weihnachten aller Zeiten zu feiern, geradezu obsessiv festhält, als glaubwürdige Figur zu spielen. (Daß Chevy Chase in allen möglichen Albernheiten komisch sein kann, wissen wir nicht erst seit dem irrwitzigen SPIONE WIE WIR, aber – wie so oft bei Komikern – schauspielerisches Talent wird ja immer erst Jahre später attestiert.) Randy Quaid geht wie gehabt in der Rolle des gutherzigen und hochnotpeinlichen Cousins auf, während Juliette Lewis zwar ihre gesammelten White-Trash-Kratzbürsten noch vor sich hatte, aber hier als Tochter Audrey immerhin schon den Gesichtsausdruck dafür übt.

Vielleicht mag dieses Review den Film zu ernsthaft, zu tiefgründig erscheinen lassen – denn primär handelt es sich natürlich um eine Komödie, in der das Chaos zur Perfektion wächst. Aber natürlich hat es auch einen Grund, warum SCHÖNE BESCHERUNG der gelungenste VACATION-Film ist, und warum der Film mittlerweile als alljährliche Weihnachtstradition durchgeht: Die Details machen den Unterschied. Frohe Weihnachten!

Schöne Bescherung (USA 1989)
Originaltitel: National Lampoon’s Christmas Vacation
Regie: Jeremiah S. Chechik
Drehbuch: John Hughes
Produktion: Hughes Entertainment
Darsteller: Beverly D’Angelo, Chevy Chase, Randy Quaid, Juliette Lewis
Länge: 93 Minuten
FSK: 6

—————–
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %