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[TV] At Last the 1948 Show (1967)

Die einzelnen Mitglieder der legendären Anarcho-Truppe Monty Python waren schon in diversen britischen Comedy-Shows – sowohl im Radio wie auch im Fernsehen – aktiv gewesen, bevor sie ihre Kräfte als Sextett vereinten, aber zwei TV-Shows aus dem Jahr 1967 können gezielt als Keimzelle ihrer ganz speziellen Komik angesehen werden: Einerseits die als Kindershow konzipierte DO NOT ADJUST YOUR SET mit Eric Idle, Michael Palin und Terry Jones (Terry Gilliam werkelte im Hintergrund ein wenig mit), und andererseits die Sketchshow AT LAST THE 1948 SHOW, in der John Cleese und Graham Chapman zusammen mit Marty Feldman und Tim Brooke-Taylor auftraten (gelegentlich war auch Eric Idle als Nebendarsteller zu sehen). Letztere Show wurde von David Frost produziert – der mit Cleese schon die Satire-Show THE FROST REPORT gemacht hatte, an der Feldman und Brooke-Taylor ebenso schon als Autoren fungiert hatten wie Idle, Palin, Jones und Chapman.

Beim Ansehen der 1948 SHOW – der Titel spielt darauf an, daß die BBC mitunter lange brauchte, bis produzierte Formate ausgestrahlt wurden – zeigt sich schnell, wie sich der Pythonsche Humor hier schon zusammenbraute. Die einzelnen Sketche, die an keinerlei Handlungsgerüst oder roten Faden aufgehängt werden, driften oft genug ins Absurde ab und zelebrieren entweder das Chaos oder versehen Alltagssituationen mit völlig unpassendem Verhalten. Gewiß, die Sketche bleiben noch bodenständiger als das, was die Pythons nur wenig später so genußvoll demontiert haben – es wird immer noch auf Pointen hingearbeitet, und die einzelnen Segmente greifen nicht ineinander über, wie es später so gerne gemacht wurde. Aber wenn John Cleese hier schon Autoritätsfiguren mit Wahnsinn oder überzeichnetem Schneid spielt, Graham Chapman als etwas minderbemittelter Polizist auftaucht und ein Sketch um einen Zoowärter gestrickt ist, der schon wieder von der Riesenschlange heruntergeschluckt wurde (und von seinem Vorgesetzten, der ins Schlangenmaul hereinruft, zurechtgewiesen wird, daß sie ihn diesmal zur Strafe länger drinlassen), dann ist der FLYING CIRCUS wahrlich nicht mehr weit weg.

Nicht alle Sketche sind brillant, aber vieles ist sehr amüsant: In einem hübsch abstrusen Segment heuert Geheimdienstchef John Cleese seinen Sekretär Marty Feldman an, den Kremlin anzuzünden, weil alle seine richtigen Agenten leider schon tot sind – und nebenher zieht er ein lebendiges Kaninchen aus seinem Aktenschrank und wundert sich, warum es unter dem falschen Buchstaben einsortiert wurde („It’s a hare, I’ll put it under ‚H'“). Großartig auch ein Sketch, in dem die vier Hauptdarsteller dem Fernsehzuseher die englische Sprache beibringen wollen – abgesehen von John Cleese, der nach und nach ausflippt („I am a gorilla!“), weil er mehr Geld von den Produzenten haben will. Der von den Pythons bekannte „Four Yorkshiremen“-Sketch, bei der sich vier Herren beim gegenseitigen Angeben aufs Absurdeste überbieten, ist hier auch schon in seiner Urform zu sehen. Und wundervoll ist auch ein Segment einer Live-Übertragung, bei der die Schauspieler händeringend versuchen, die durchs Studio marschierenden Araber sowie den ahnungslosen Programmdirektor irgendwie in die Handlung einzubauen.

Weniger gelungen sind die kurzen Segmente mit Aimi MacDonald, einer feschen blonden Frau mit Piepsestimmchen, deren Sketche sich stets darum drehen, daß sie höchst eitel und eingebildet ist. Das Problem daran ist, daß jedes erneute Auftauchen von Aimi immer nur eine Variation desselben Witzes ist – ihr Spendenaufruf für die Wohltätigkeitsorganisation „Make the lovely Aimi MacDonald a rich lady“ mag durchaus amüsant sein, aber nur für sehr wohlwollende Zuseher nützt sich ihr Schmäh nicht schon nach einer halben Episode ab. Mitunter sind die Sketche auch zu lang: Eine Quiz-Show, bei der die Komiker als Schuljungs und -mädchen verkleidet Fragen beantworten müssen (in der ersten Runde ist immer nur „pork“ die richtige Antwort, ab der zweiten Runde schüttelt John Cleese auf dieselbe Antwort hin nur streng den Kopf: „You’re just guessing, aren’t you?“), ist zum Heulen komisch – und läuft dann aber leider noch einige Minuten weiter, nachdem der Witz verbraucht ist.

Weil man sich seinerzeit wenig Gedanken um Archivierung machte und es keine Kaufformate wie VHS oder DVD gab, ist es heute leider nicht mehr möglich, die Serie in vollem Umfang zu sehen. Von der 1948 SHOW wurden 13 Episoden produziert, von denen einige ganz und andere teilweise verschollen bleiben: Die Bänder wurden eben schlichtweg gelöscht. Die auf den beiden DVDs des käuflich erwerblichen Sets enthaltenen fünf Folgen stellen streng genommen auch keine Originalepisoden dar: Es sind Zusammenschnitte aus dem schwedischen Fernsehen, die uns hier in teils so erbärmlich flimmernder Qualität präsentiert werden, daß man Zuseher verstehen würde, die die Sendung tatsächlich im Entstehungsjahr 1948 verorten würden.

Aber das sollte weder Python-Fans noch Comedy-Freunde abhalten, sich der Show zu widmen: Man darf froh sein, daß überhaupt Teile der Serie überlebt haben – und auch in technisch minderwertiger Aufmachung ist das Zusammenspiel von Cleese, Chapman, Feldman und dem bei uns weniger bekannten Brooke-Taylor eine sehr vergnügliche Angelegenheit, die hoffen läßt, daß vielleicht irgendwann doch noch weitere Archivfunde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.



At Last the 1948 Show (England 1967)
Regie: Ian Fordyce
Buch: Tim Brooke-Taylor, Graham Chapman, John Cleese, Marty Feldman
Produzent: David Frost
Darsteller: John Cleese, Graham Chapman, Tim Brooke-Taylor, Marty Feldman, Aimi MacDonald, Jo Kendall, Eric Idle, Barry Cryer, Bill Oddie

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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