WORLD WAR Z: Terrorbekämpfung statt Todeskampf

Film / Neuer als alt / 27. Oktober 2013

Es ist interessant, wie sich das Bild des Zombies in all den Jahren gewandelt hat. In George Romeros Endzeitphantasien sind die Untoten noch im wahrsten Sinne des Wortes eigentlich tote Wesen, die in die Welt der Lebenden zurückkehren – nicht umsonst beginnt NIGHT OF THE LIVING DEAD auf einem Friedhof. Auch in den meisten anderen Filmen der von Romero losgetretenen Zombiewelle – darunter z.B. Lucio Fulcis WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES, Amando de Ossorios DIE NACHT DER REITENDEN LEICHEN oder Jorge Graus DAS LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN – ist der Untote sehr deutlich ein aus dem Totenreich wiederkehrendes Wesen: In zahlreichen Szenen dieser Filme sehen wir die Leichen, die sich aus ihren Gräbern und Särgen erheben – es ist die menschliche Urangst vor dem Tod selbst, die hier angesprochen wird, beziehungsweise die Unausweichlichkeit des Sterbens.

Heutzutage tritt der Zombie dagegen immer öfter als eine Art infizierter Mensch auf: Auch im modernen Zombiefilm ist dieses Wesen technisch gesehen tot (bzw. untot), aber er steigt nicht aus dem Grab empor, sondern wird durch eine weitergereichte Krankheit geschaffen; der Tod oder dessen Negation spielt bei den jüngeren Apokalypsen nurmehr eine untergeordnete Rolle. Auch die Agilität und Kraft der neueren Untoten zeichnet sie weniger als Wiederkehrer denn als mutierte Berserker – weshalb sie in Filmen wie Danny Boyles 28 DAYS LATER, Paul Andersons RESIDENT EVIL oder eben Marc Forsters WORLD WAR Z ja auch primär als aggressive Infektionsherde betrachtet werden: Ihr Ziel ist nicht die Rache an den Lebenden oder die Sättigung ihres Hungergefühls, sondern die Weiterreichung des Krankheitserregers. Wo der „altmodische“ Zombie uns also noch den Spiegel unserer eigenen Sterblichkeit vorhält, fungiert der heutige Untote eher als Chiffre für unsere Furcht vor dem Fremden, vor der ordnungszersetzenden Kraft des Andersartigen.

Aufgrund dieser Verlagerung ist es vielleicht kein Zufall, daß WORLD WAR Z nicht wie ein menschlicher Überlebenskampf erzählt wird, sondern über weite Strecken als militärischer Feldzug gegen den Terror. Unsere Hauptfigur Gerry Lane ist ein ehemaliger UN-Spezialist für Krisengebiete; nachdem in den ersten Filmminuten in urbanem Szenario das Chaos ausbricht, werden er und seine Familie schon bald von den amerikanischen Streitkräften evakuiert und zu einem als Kommandozentrale dienenden Schiff der Navy gebracht. Dort erhält Lane Instruktionen, sich mit einem Wissenschaftler und einer Handvoll Soldaten zu einem Militärstützpunkt in Südkorea zu begeben, weil dort der Ursprung der Zombieseuche vermutet wird. Von dort aus geht es weiter ins hermetisch abgeriegelte Jerusalem – aber auch da können die Armeen des Todes nicht lange aufgehalten werden. Vielleicht ist es recht und billig, daß eine Weltuntergangsvision, die den Krieg im Titel trägt, als Verkettung von soldatischen Kampfeinsätzen erzählt wird – aber dennoch wohnt nicht nur den Bildern von bewaffneten Truppen im abgeschotteten Israel ein unglücklicher Beigeschmack inne.

In der ersten halben Stunde kann Regiseur Forster den Zusammenbruch der Zivilisation durchaus greifbar inszenieren: Der Stau auf der Straße verwandelt sich urplötzlich in eine unüberschaubare Panik, das ängstliche Durcheinander wird schnell zum brutalen Kampf ums Überleben – auch gegen die Mitmenschen, die im Angesicht des Schreckens zu Plünderern und Einzelkämpfern werden. In einem kurzen Moment fängt WORLD WAR Z dieses Ende der gewohnten Ordnung sehr gekonnt ein: Nachdem es in einem Supermarkt zu einem kurzen Feuergefecht zwischen Lane und einem Plünderer gekommen ist, taucht ein Polizist mit gezückter Waffe auf. Lane streckt die Hände in die Höhe und will sich ergeben – und stellt dann nur wenige Sekunden später fest, daß der Polizist sich selber nur Vorräte aus den Regalen schnappen will. Die gewohnten Strukturen haben hier keine Bedeutung mehr.

Das gilt allerdings nicht für die Geschichte selbst: Auch wenn hier der Planet vor die Hunde geht, folgt der Film doch ganz konventionellen Pfaden. Schnell wird das Heil der Menschheit in die Hände des Militärs gelegt, die ja auch prompt unseren Helden auf eine Spezialmission schicken, um die Erde zu retten. Daß der nicht nur Erfahrung im Kriseneinsatz hat, sondern auch mit Waffen umgehen und Flugzeuge fliegen kann, stets kühlen Kopf bewahrt, blitzschnell reagiert und im Finale auch noch mit der Idee für eine Art Impfstoff aufwarten kann, läßt den Horror dieses Weltuntergangs doch auf überschaubare Größe schrumpfen: Brad Pitt wird’s schon alles richten. Seine Odyssey von einem Einsatzgebiet zur nächsten, nunja, Terrorzelle ist dabei so traditionell arrangiert, daß seine Frau zwei Drittel des Films damit verbringen darf, die Kinder auf dem Schiff zu hüten und gelegentlich sorgenvoll mit unserem Superhelden zu telefonieren.

Somit ist in WORLD WAR Z die Welt paradoxerweise eigentlich völlig in Ordnung – da helfen auch mit üppigstem Budget orchestrierte Zerstörungen und laufende Beteuerungen der drastischen Lage nichts. Als oberflächlicher Actionthrill funktioniert der Film bestens – schließlich verstehen die Beteiligten ihr Handwerk – und doch haben seine Bilder von Tod und Terror kaum Resonanz, weil die Figuren austauschbare Schablonen bleiben und die Geschichte in ihrer Konventionalität stecken bleibt. Vielleicht wäre diese resümierte Reaktion einmal der Ausgangspunkt für einen wirklich erschreckenden Film: Die Welt geht unter, und uns kratzt das nicht einmal.



World War Z (USA/Malta 2013)
Regie: Marc Forster
Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, J. Michael Straczynski, Drew Goddard, Damon Lindeof, nach dem Buch von Max Brooks
Kamera: Robert Richardson (ungenannt), Ben Seresin
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Brad Pitt, Mireille Enos, Daniella Kertesz, James Badge Dale, Matthew Fox, David Morse, Pierfrancesco Favino, Moritz Bleibtreu

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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