KARATE WARRIOR: Kampfsport all’italiano

Film / Wühlkiste / 28. März 2015

Ich mißtraue meinen eigenen Recherchen. Nach kurzer Prüfung über die Filmdatenbank OFDB erfahre ich, daß es in den Achtzigern 19 Filme gab, die das Wort „Karate“ im Titel hatten, in den Neunzigern dann immerhin 23. Da kann doch etwas nicht stimmen? Ergeben die ganzen KARATE KIDs, KARATE TIGERs und AMERICAN SUPER KARATE NINJA FIGHTER FORCE ACADEMYs nicht mindestens 350 einschlägige Titel? Egal: Kampfsportkracher waren damals so richtig in, und wenn Actionthemen in waren und günstig imitiert werden konnten, standen wehenden Fußes die Italiener auf der Matte, um auch ein paar Fäuste über die Leinwand fliegen zu lassen. Das ergibt dann beispielsweise den 1987 erschienenen KARATE WARRIOR von Fabrizio De Angelis, der bis 1993 gleich fünf Fortsetzungen folgen ließ. George Lucas hätte länger gebraucht.

Der titelgebende Warrior heißt Anthony Scott, ist ein 17 Jahre alter Amerikaner und besucht gerade seinen Papa auf den Philippinen. Der war mal aufrechter Reporter, der gegen das Unrecht der Welt angehen wollte, aber wahrscheinlich hat er dann OVERTHROW vom selben Regisseur gesehen und gemerkt, daß aufrechte Journalisten nur eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung haben. So verkriecht sich Anthonys Vater also im hintersten Winkel der Welt und berichtet nur noch über das italienische Karatekino (oder ähnlich brisante Themen).

„Hallo, ich bin Quino. Ich werde in diesem Film Ihr Endgegner sein.“

Anthony braucht jedenfalls keine fünf Minuten, um sich wie ein typischer Tourist zu verhalten: Er wedelt mit einem dicken Bündel Geldscheinen umher und wird prompt von rabiaten Rabauken zusammengeschlagen. Die klauen nicht nur sein ganzes Geld, sondern auch noch seinen Walkman. Und kurz vor dem Zusammentreffen mit seinem Dad stolpert er auch schon ins nächste Unheil: Ein Halbstarker namens Quino überfährt ihn beinahe mit dem Motorroller. Der flugs herbeieilende Erzeuger rät Anthony, sich bei Quino zu entschuldigen, was der nach etwas Zögern auch tut.

Kurze Zeit später freundet sich Anthony auf dem Markt mit einem Mädchen namens Maria an, der er eine hübsche Kette schenkt. Derart in romantische Stimmung gebracht, besuchen die beiden gleich mal ein örtliches Karate-Turnier. Dort kloppt gerade Quino sämtlichen Herausforderern die Birne weich, so daß Anthony ihm zuruft, er soll sich zurückhalten. Quino wird ungehalten, klettert aus dem Ring und stürmt auf Anthony zu. Der schnappt sich einen Photoapparat und blendet Quino mit dem Blitzlicht, dann tritt er ihm sicherheitshalber in die Weichteile.

„Hallo, ich bin Maria. Ich werde in diesem Film Ihre Freundin sein.“

Aus irgendeinem Grund macht Quino das dezent wütend. Der humorlose Geselle begibt sich auf die Jagd nach Anthony und Maria, die beide mit einem Motorroller davondüsen. Zum Glück ist Anthony klammheimlicher Motocross-Champion (das erzählt er später auch seinem Dad!) und kann Quinos Bande abhängen. Bei einem Sprung über eine kaputte Brücke landet Anthony in Sicherheit, während Quino in den darunterliegenden Bach stürzt. Es scheint seine Stimmung nicht zu heben.

Nur wenig später steht Quino mit seinen Handlangern bei Anthony zuhause auf der Matte, der diesen Überraschungsbesuch gar nicht hat kommen sehen. Die Burschen nehmen ihn mit in die Wildnis und zwingen ihn, gegen Quino zu kämpfen. Tapfer prügelt Anthony mit seiner Nase auf Quinos Faust, konfrontiert Quinos Knie mit seinem Bauch und tritt mit stahlhartem Auge gegen Quinos Fuß an. Nur wenig später liegt er blutend und halb ohnmächtig am Boden, woraufhin die bösen Buben abziehen.

„Hallo, ich bin Meister Kimura. Ich werde Ihnen in diesem Film beibringen, wie man aufträgt und poliert.“

Glücklicherweise wird Anthony nur wenige Schnitte später von Meister Kimura aufgelesen, der wahrscheinlich täglich quer durch die philippinische Wildnis zieht, um potentiell verprügelte amerikanische Touristen aufzusammeln, gesundzupflegen und zum Karateprofi zu trainieren. Kimura hatte übrigens einst Quino das Kämpfen beigebracht, sich dann aber von der Welt zurückgezogen, als Quino seine Kräfte für das Schlechte einzusetzen begann. Man könnte sich nun fragen, ob Kimura bei unserem amerikanischen Karate Warrior in spé nicht dieselbe Angst hat – aber vielleicht merkt er, daß Anthony viel zu beschränkt ist, um zum Supergauner zu werden. Damit Anthonys Papa sich keine Sorgen macht, schreibt Kimura ihm einen Brief – den er dann wohl bei dem Postamt aufgibt, das gleich neben seiner Hütte im Einsiedlerwald stehen dürfte.

So ist nun also Zeit für eine ausführliche Trainingsmontage, in der Anthony mit zugebundenen Augen kämpfen lernt, mit einem Speer im Bach fischt, einen müden Leoparden niederstarrt und – mit Hilfe der vom Meister gelernten Drachenschlag-Technik – eine herumstehende Kuh umwirft. Ja, die philippinische Fauna hat gegen ein derart rigides Trainingsprogramm keine Chance! Beim Schlag des Drachen blitzt übrigens alles blau auf, und der Meister kann damit sogar auf ein Blatt Papier hauen und einen Baum wegpusten, der knapp dahinter steht. Man könnte im Finale mit großflächiger Zerstörung rechnen, aber das würde ja ein Budget erfordern.

„Hallo, ich bin eine zufällig in der Wildnis herumstehende Kuh und weiß echt nicht, was ich diesem Karate-Eumel getan habe.“

Nach absolviertem Aufleveln samt sanfter Synthmusik erhält Anthony vom Meister den goldenen Kimono, den uns der italienische Originaltitel verspricht (IL RAGAZZO DAL KIMONO D’ORO). Damit tritt er jetzt im Ring gegen Quino an, während Papa, Maria und die mittlerweile ebenso angereiste Mama zitternd zusehen. Zunächst mal steckt Anthony einiges ein – verdammt, wie ging doch gleich das mit dem Drachenschlag? Braucht man dafür kein blaues Licht?

Aber dann steht plötzlich der einsiedlerische Meister Kimura neben dem Ring ist und so freundlich, Anthony die Augen zuzubinden. Sonst scheint es niemanden zu interessieren, daß der legendäre Kampfsportguru sich plötzlich unters Volk mischt, und den zurückgezogenen Meister scheinen die Menschenmengen ebensowenig zu stören. Jedenfalls wirkt die Augenbinde wahre Wunder: Anthony muß sich das Gekloppe nicht mehr mit ansehen und fegt Quino mit einem gezielten und wunderhübsch blau leuchtenden Drachenschlag zu Boden. Sieg und aus!

Was wohl in den fünf Fortsetzungen passieren mag?

 

Karate Warrior (Italien 1987)
Regie: „Larry Ludman“ (= Fabrizio De Angelis)
Drehbuch: „Larry Ludman“ (= Fabrizio De Angelis) & „David Parker Jr.“ (= Dardano Sacchetti)
Musik: Simon Boswell
Kamera: Giuseppe Pinori
Darsteller: Kim Stuart, Ken Watanabe, Jannelle Barretto, „Jarred Martin“ (= Jared Martin), Janet Agren, Enrico Torralba

Die DVD von CTI sowie die Video-Versionen von E.A.T. und United Video sind geschnitten. Ungeschnitten sind die DVD von der VZ-Handelsgesellschaft sowie die VHS-Version von Ocean.






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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