SPIRIT OF ADVENTURE: Ein klassisches Rollenspiel im Bardenstil

Games / 5. März 2011

Einmal mehr kann ich meinen Lebenslauf um einen großen Verdienst erweitern: Vor kurzem habe ich die Bruderschaft der Träumer zerschlagen und somit den Drogenhandel auf Lamarge unterbunden.

SPIRIT OF ADVENTURE erschien 1991 und erhielt damals hauptsächlich deswegen Aufmerksamkeit, weil es eines der wenigen Rollenspiele war, das von einer deutschen Firma programmiert wurde – Attic, die zuvor die Horror-Adventure/RPG-Mischung LORDS OF DOOM gemacht hatten und später mit diversen Spielen rund um DAS SCHWARZE AUGE auftraten. SPIRIT OF ADVENTURE war in Look und Spielprinzip eindeutig (wie viele der damaligen Rollenspiele) vom großen Referenzprogramm THE BARD’S TALE beeinflußt – und natürlich so mörderschwer, daß ich damals nur kapitulieren konnte.

Weil sich auf dem Land Lamarge die Droge Opitar breitmacht und die Bevölkerung in die Abhängigkeit stürzt, wird in gewohnter Manier eine sechsköpfige Party entsandt, um die Ordnung wiederherzustellen. Man bastelt sich also flugs ein paar gesellige Abenteurer aus 4 Klassen und 4 Rassen zusammen, achtet beim Auswürfeln der Charakterwerte vorzugsweise darauf, daß keiner der Werte unter 5 liegt (die Krieger brauchen Stärke, die Magier Intelligenz, alle brauchen sie Geschicklichkeit, weil die langsamen Kinder sonst von jedem Monsterbaby niedergeknüppelt werden), und macht sich daran, die Stadt Mooncity zu erkunden – in der Feld-für-Feld-Fortbewegung, inklusive der 90°-Drehungen, wie seinerzeit üblich. Ohne Automapping übrigens, um den Absatz von Karopapier und Bleistiften zu fördern.

Ein kluger Magier, der wohl nicht mal seinen Koffer selber tragen könnte:
Die Charakterübersicht in SPIRIT OF ADVENTURE.

In Mooncity gilt es zunächst einmal, die relevanten Orte der Stadt ausfindig zu machen – den Heiler (man hat anfangs nämlich keine Heilzaubersprüche zur Verfügung), die Läden (damit die Recken nicht mit der bloßen Hand die finsteren Magier verkloppen müssen), die Tavernen, und den einen oder anderen anderweitig hilfreichen Zeitgenossen. Hier und da kann man mit Leuten sprechen, indem man Stichworte eingibt und hofft, daß die Kollegen etwas Hilfreiches beizusteuern haben (meistens erntet man nur die Standardantwort „Das interessiert mich einen Dreck“). Damit es nicht zu fad wird, wenn man mehrere Dutzend Häuser absuchen und eines von zwei Standardbildern ansehen muß, in dem einem ein Bewohner mitteilt, daß er uns nicht helfen kann, ziehen Heerscharen von großen und kleinen Monstern durch die Gegend, die schon frühmorgens nichts Besseres zu tun haben, als Ärger mit uns zu suchen.

Auch die als Zufallsbegegnungen angelegten Kämpfe sind nach BARD’S-TALE-Manier gestrickt: Man wird informiert, wieviele Rabauken einem gegenüberstehen, darf dann wahlweise versuchen, wegzulaufen, und gibt im Fall der Auseinandersetzung einfach nur an, was eine Figur machen soll – angreifen, verteidigen, zaubern, oder einen Gegenstand benutzen. Ein Angriff kann über eine Waffe oder über PSI (also sozusagen die „Geisteskraft“ des Charakters) erfolgen. Der Computer spielt die Runde, informiert einen über die Geschehnisse („Skar trifft einen Magier und verursacht 15 Punkte Schaden“, „Del wird von einer Schädelspinne vergiftet“), und dann beginnt das Prozedere von vorne, bis entweder die Rabauken oder wir nicht mehr stehen. Danach gibt’s Erfahrungspunkte und eventuelle Gold- und Gegenstandfunde.

Das hält einen schon mal ordentlich lange auf Trab, weil das Spiel gerne im Sekundentakt neue Zufallsbegegnungen auf uns wirft und man in Ermangelung von Zaubersprüchen ständig den Heiler frequentieren darf (sobald man ihn überhaupt gefunden hat – bis es soweit ist, liegen die Nerven blank). Der läßt sich seine Dienste gerne etwas kosten, weshalb man angesichts der geringen Finanzstärke der meisten Monster auch ständig pleite ist und gelegentlich überhaupt keine Möglichkeit hat, den guten Mann zu bezahlen. Dann sei noch erwähnt, daß es zum Aufleveln der Charaktere anfangs schlichte 1000 Erfahrungspunkte braucht – kein Problem, abgesehen davon, daß so ein Waffengefecht gerne mal schlappe 7 EXP abwirft. Ach ja, und abspeichern darf man natürlich nur im Kloster.

Hör‘ mal, wer da hämmert: Lamarge ist voll von streitsüchtigen Zwegen.

Sobald man Mooncity verläßt, sieht man das Land Lamarge als Karte, auf der man die Party als kleines Kreuz pixelweise bewegen darf. Um den Entdeckergeist zu schüren, sind auf der Landkarte die anderen Städte, Dungeons, usw. sicherheitshalber nicht eingezeichnet – die findet man erst, wenn man zufällig darüberläuft. Das bedeutet: Man darf die komplette Karte mühsam abgrasen, wobei einem natürlich auch beständig Horden von Streitsuchenden über den Weg laufen, die die Party nach und nach aufreiben. Es sei übrigens darauf hingewiesen, daß der Ort, an dem man die Charaktere aufsteigen lassen kann, nicht in Mooncity zu finden ist, sondern in der Wildnis versteckt ist – bis man den gefunden hat, plagen sich die Jungs und Mädels mit Stufe 0 doch reichlich mit der aggresiven Fauna des Landes ab. Es passiert also nicht nur einmal, daß man eine halbe Stunde lang das Land abmarschiert und Heerscharen von Monstern kleingehauen hat, nur um dann einer Übermacht zum Opfer zu fallen – und weil man ja nur in Mooncity speichern konnte, waren Spielzeit und gesammelte Erfahrungspunkte für ein Haustier nach Wahl.

Wenn man in der Wildnis einen der drei übers Land verstreuten Runentempel findet, darf man sich endlich auch einmal an die Magie machen – die wird nämlich aus diversen Runen zusammengebraut, von denen die Party anfangs schon ein paar bei sich trägt und im Lauf der Zeit auch neue Exemplare findet. Ein Zauberspruch wird aus drei Runen gebastelt – Quelle, Weg, Ziel – und freundlicherweise verrät das Handbuch nur einen einzigen Spruch, während man sich für alle anderen ausknobeln darf, wie man aus Runen wie „Luft“ und „Stärke“ und „Leben“ Heil- und Angriffssprüche zusammenschrauben könnte.

1991 war mir SPIRIT OF ADVENTURE – trotz einschlägiger Erfahrung durch THE BARD’S TALE und anderen durchaus schweren Rollenspielen – viel zu frustrierend. Beim jetzigen Spielen ist es doch überraschend, daß das Spiel nicht ganz so knüppelschwer ist wie im Gedächtnis gespeichert – was natürlich nicht heißen soll, daß es nicht schwer ist, aber es war doch jetzt wesentlich besser in den Griff zu kriegen als früher. Falls sich jemand gerne ins Abenteuer stürzen möchte, möchte ich hier noch ein paar Hinweise geben, die einem das Leben auf Lamarge durchaus erleichtern.

Die Gastfreundschaft auf Lamarge kennt kaum Grenzen.

Bei der Charaktererstellung kriegt jeder Charakter per Zufall eine Spezialeigenschaft zugewiesen. Ohne die Fähigkeit „Mauer“ sollte man sich nicht ins Land wagen – die erhöht nämlich die Chance, vor Zufallsbegegnungen weglaufen zu können. „Gift hemmen“ erweist sich auch schnell als praktisch, wenn man von herumstreunernden Spinnen gebissen wird und zu weit weg vom Heiler ist oder schlichtweg kein Geld für dessen Dienste hat. Ebenso praktisch: „Körperschild“ und „Geistschild“ – das hemmt Angriffe mit Waffen und PSI. Und „Heilung“ und „PSI-Heilung“ regenieren immer mal wieder die Hitpoints und PSI-Werte der Figuren.

Es gibt jede Menge Kämpfe, die sich schlichtweg nicht lohnen. Darunter fallen z.B. Fledermäuse und Schädelspinnen. Man verliert einige Hitpoints, muß dann den Heiler bezahlen – im Fall der Spinnen womöglich sogar für die Heilung des Gifts – und kriegt für den Kampf aber nur eine kleine Handvoll Erfahrungspunkte und kein Gold (durchaus realistisch, daß Fledermäuse kein Vermögen mit sich führen). In diesen Fällen sollte man also immer versuchen, wegzulaufen, um sich gescheiteren Aufgaben zu widmen. Sinnvoller sind Goblins und dergleichen; am lohnenswertesten sind die Zwerge, die ordentlich Gold bei sich tragen.

Bevor man sich in die Wildnis wagt, sollte man sicherstellen, daß man genug Rationen dabei hat – einer hungernden Party werden nämlich unwiderbringlich Punkte von den Charakterwerten abgezogen! In der Wildnis sollte man gelegentlich suchen (Strg + S), weil man hier und da Runen finden kann. Und wer endlich aufleveln möchte, sollte sich das Wäldchen westlich von Mooncity mal ansehen …

Who you gonna call?

Tja, und nun ist die Opitar-Gefahr gebannt und ich bin mal wieder der Held der Stunde. Es gibt eigentlich gar nicht so viel Spielfläche – drei große Städte, zwei kleine, und drei Dungeons – und es ist hauptsächlich das große Aufgebot an Kämpfen (vor allem im letzten Dungeon mit sehr biestigen Gesellen) und das lange Suchen der wichtigen Punkte, die das Spiel in die Länge ziehen. Durchgespielt habe ich SPIRIT OF ADVENTURE mit einer Party, die zuletzt Level 9 erreicht hatte – das letzte Dungeon belohnt die angespannten Nerven mit großzügigen Erfahrungspunkten – und es ist eigentlich schade, daß die angekündigten Fortsetzungen nie realisiert wurden.

SPIRIT OF ADVENTURE bleibt eine eher obskure Herausforderung für Freunde der alten Hack’n’Slay-Schule – es ist graphisch schön aufgemacht (klanglich allerdings jenseits des Intros stumm), unterhaltsam und nie wirklich unfair. Und irgendwie muß man ein Spiel ja auch mögen, das für die Charakterbilder einfach mal Sean Connery, Oliver Hardy und einen ohrenlosen Batman verwendet.

Mein Interview mit SOA-Designer Guido Henkel findet sich hier.

Die Screenshots wurden von Erhard Furtner erstellt.






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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