Heaven & Hell: Radio City Music Hall Live 2007 (2007)

Uncategorized / 12. September 2007

Noch eine Black-Sabbath-Reunion: Diesmal mit Ronnie James Dio. 

Als Ozzy Osbourne Ende der 70er Jahre aus Black Sabbath, der Mutter aller Heavy-Metal-Bands, gegangen wurde, kam Sänger Ronnie James Dio als Ersatz herein. Die Neufassung der Band – nach kurzer Zeit auch mit neuem Schlagzeuger – nahm zwei Alben auf, die nicht sehr erfolgreich waren: Zu viele Spuren hatte Ozzy in der Gruppe hinterlassen, zu sehr drängte sich der Vergleich mit ihm auf. Sabbath-Gitarrist Tony Iommi behielt den Bandnamen bei, wechselte die Besetzung immer wieder auf’s Neue – lange noch, nachdem der Name Black Sabbath schon seine Relevanz verloren hatte. Anfang der Neunziger kam Dio für ein weiteres Album wieder dazu, aber wieder blieb die Gruppe so nicht bestehen.

Die vergangene Zeit erlaubt nun einen Rückblick auf diese Variante von Black Sabbath, zumal mit den erfolgreichen Ozzy-Reunions das Interesse an der Band wieder erwacht ist. Für eine Retrospektiv-Compilation der Dio-Jahre lud Iommi die damalige Besetzung – Dio, Bassist Geezer Butler und Schlagzeuger Vinny Appice – ein, drei neue Songs für den bevorstehenden CD-Release einzuspielen. Aus der kurzen erneuten Zusammenarbeit entwuchs dann schnell eine umfassende Reunion, die mit großer Tournee die Dio-Sabbath wieder auferstehen läßt – diesmal unter dem Bandnamen „Heaven & Hell“, ausgewählt nach dem ersten Sabbath-Album mit Dio, und eventuell hätte ein neuer Name schon damals erlaubt, diese Gruppe nicht als „Sabbath ohne Ozzy“ wahrzunehmen, sondern als veritable, klassische Metal-Band. Passend zur Tournee erscheint ein Konzertmitschnitt aus der New Yorker Radio City Music Hall wahlweise auf Doppel-CD oder auf DVD. Beide Formate fangen einen wuchtig donnernden Rockabend ein, der innerhalb von wenigen Minuten schon ausverkauft war.

Bei nur drei Alben bietet die Songauswahl natürlich eher wenige Überraschungen: Sechs der acht HEAVEN & HELL-Songs werden gespielt, fünf vom THE MOB RULES-Album sind dabei, plus drei des Neunziger-Nachklapps DEHUMANIZER sowie zwei Neukompositionen, die sich nahtlos in das Geschehen einfügen. Aber auch wenn die anwesenden Fans mit den meisten der dargebotenen Songs gerechnet haben, heißt das nicht, daß die Gruppe die Stücke lieblos herunterspielt. Im Gegenteil: Jeder der Songs strahlt in dem monolithischen, tonnenschweren Fundament, das die Band in den typischen stoischen Rhythmen baut. Dio sieht zwar nicht mehr ganz frisch aus, singt aber mit viel Energie und kümmert sich – ganz Metal-Held – nebenher noch rührend ums Publikum, dem er regelmäßig dankt und die Hände schüttelt. Iommi und Butler stehen fast regungslos im Hintergrund – sehr ernst und konzentriert – aber ihr müheloses Zusammenspiel gibt jedem Song den nötigen Fluss und die packende Präsenz. Hinter ihnen ackert Appice wie ein Stier, aber trotz allem Aufwand an seinem dreihundertfünfzigtausendteiligem Schlagzeug bleibt der Groove klar und präzise.

Und jetzt kommt die Überraschung des Sets: Nicht nur, daß die Reunion überhaupt nichts von dem miefigen Geruch an sich hat, den solche Unterfangen oftmals mit sich ziehen – die Band wirkt frisch und energiegeladen, und durch die Konzentration auf die Songs der Dio-Zeit erlaubt das Konzert auch, diese Besetzung als eigenständige und spannende Gruppe wahrzunehmen. Vielmehr ist es sogar noch so, daß die Aufnahme nicht nur für nostalgische Menschen interessant ist, die sich an die Zeit mit Dio erinnern – im Gegenteil. Anders als bei den meisten angestaubten Neuauflagen kann hier selbst ein ganz neuer Hörer noch Interesse finden.

Die Doppel-CD bietet musikalisch genau dasselbe wie die DVD – und das Konzert funktioniert auch, wenn man die Musiker nicht sieht. Was nicht heißen soll, das Bild auf der DVD wäre überflüssig: Der Mitschnitt findet den richtigen Schnittrhythmus und ist mit meist ruhiger Kamera meistens ganz nah bei den Musikern und fängt die Stimmung des Abends gut ein – inklusive der gigantisch großen Halle und dem großen Bühnenaufbau. Zusätzlich auf der DVD ist ein wenig Bonusmaterial – z.B. eine Art Roadmovie mit der Band – und für ganz Eifrige gibt es noch ein Doppelpack, wo sowohl CD als auch DVD enthalten sind sowie Poster, Tourpass und Photocards.


Dieser Text erschien zuerst am 12. September 2007 bei Fritz/Salzburger Nachrichten.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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