Tagesschau

Buch / Uncategorized / 22. November 2005

Rohschlaf schnittlos. Nein – Schnittschlaf rohlos. Schlafschlaf schnittschnitt. Naja, wie auch immer: Das Wochenende im MPR-Studio in München hat sich als sehr produktiv entpuppt, und Alex Rogge und ich sind mit dem Rohschnitt von SCHLAFLOS fertiggeworden. Dieser wird jetzt genauestens beäugelt, mit Musik versehen, ton- und bildmäßig aufgepeppt, und wird dann abgepackt und originalverkorkst zum Feinschnitt. Es muß also noch viel getan werden, aber immerhin ist ein ganz großer Schritt jetzt einmal getan. Bis zur Weltherrschaft dauert es also gar nicht mehr lange.

Pferdejazz. Das große Fun-Records-Paket ist also eingetrudelt, mit unzähligen CDs, CD-Singles, LPs, Maxis und anderen Tonträgern, darunter auch die Elton-John-Gedenksammlung für das Wohnheimtinchen sowie teutonische Klänge für die Schwarzwaldklinik. Was ja leider nicht mehr auf Lager war, ist das Album KISSES von der Gruppe Das Pferd, und um die Enttäuschung zu mildern, habe ich das Tape hervorgekramt, auf das mir mein Kumpel Steven Wilson (es handelt sich hierbei nicht um den Menschen, nach dem dieser Dachboden benannt wurde) seinerzeit fünf Tracks der sozusagen legendären Langrille gepackt hat. Frau Bebop in Rosenheim, deren Plattenladen nach ihr selbst benannt wurde, schüttelt immer nur den Kopf, wenn sie Das Pferd immer noch auf meiner Suchliste stehen sieht – after all these years. Jedenfalls ist es quasi Pflicht, ein Album zu besitzen, auf dem ein Track namens „Die Sirenen erwachen wenn die Vernunft schlafen geht“ zu finden ist, und wenn dann Peter Brötzmann, dessen Saxophonspiel die häufigen Plosivlaute seines Namens widerspiegelt, ein wenig Sax vor dem Kampf beisteuert, führt ja eh kein Weg mehr drumherum.

Mein lieber Herr Kerkermeister! Nach nur wenigen Tagen ist THE DUNGEON MASTER von William Dear ausgelesen, und es bleibt ein mitreißender Bericht über das merkwürdige Verschwinden eines noch merkwürdigeren Jungen. James Dallas Egbert III, so heißt der 16jährige mit vollständigem Namen, hatte mit 13 die Highschool abgeschlossen und ging mit 14 aufs College – kein Problem mit einem IQ von über 180. Und plötzlich verschwand er spurlos – angeblich beim D&D-Spielen in den Heizungstunneln unter dem College. William Dear, der Privatdetektiv, der für die Suche nach ihm angeheuert wurde, schreibt hier seine Spurensuche nieder, seine rätselhaften Funde und die gesamte Tragödie, die sich abgespielt hat. Das liest sich spannend wie ein Krimi, ist aber psychologisch sehr stimmig und sehr interessant, und man vergißt doch nie, daß es sich um die Wirklichkeit handelt, um etwas, das real geschehen ist. Dringende Leseempfehlung.

Mordsmusik. Das neue Album von Professional Murder Music, DE PROFUNDIS, ist auch schon da, und es hat mit Bonus-DVD und Porto aus Amerika schlappe €15 gekostet – wieso ist es eigentlich so viel teurer, nach nebenan zum Media Markt zu gehen? Jedenfalls unterteilt sich die CD in zwei Parts: Im ersten finden sich Akustik-Versionen von Songs des Vorgängeralbums LOOKING THROUGH, die extrem fein sind und zeigen, daß hinter dem ganzen Krach viel Songschreibekunst steckt. Insbesondere „Clear“, auf dem letzten Album schon ein großartiger Song, hat hier Gänsehautqualitäten. Im zweiten Teil sind Coverversionen zu hören – die Band eignet sich quasi Songs von Radiohead, U2, PJ Harvey, den Stone Temple Pilots und David Bowie an und läßt sie wie Eigenkompositionen klingen. Gute Arbeit, die Herren. Und weitermachen!

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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